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Fokus Naturmedizin

Phytosterole und Chitosan

Mit natürlichen Ballaststoffen das Gewicht senken

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

25.3.2022

Chitosan hemmt die Aufnahme von Glucose und ist damit eine Option für Personen mit Prädiabetes und solchen mit einem manifesten Diabetes. Phytosterole eignen sich dagegen zur Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen, wie ein Expertenpanel aus Italien anregt.

Zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen waren im Jahr 2014 übergewichtig, so die Daten des Robert Koch-Instituts. Als stark übergewichtig bzw. adipös galten ein Viertel der Erwachsenen [1]. Wie stark das Übergewicht ausgeprägt ist, lässt sich mit dem Körpermasseindex berechnen, dem Quotienten aus Gewicht und Körpergröße im Quadrat (BMI = kg/m²). Bei einem BMI von 25–29,9 kg/m2 liegt Übergewicht mit Präadipositas vor, bei einem BMI ≥ 30 kg/m2 eine Adipositas. Beides geht mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und periphere arterielle Verschlusskrankheit einher.

Auch chronische Entzündungen, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes, Hormonstörungen und Demenz treten häufiger auf. Als Ursachen für die starke Vermehrung des Körperfetts gelten die genetische Disposition, Lebensstil, Schlafmangel und Stress, Essstörungen, depressive oder endokrine Erkrankungen. Aber auch Arzneimittel wie Antidepressiva, Neuroleptika, Antidiabetika, Glukokortikoide, Kontrazeptiva und Betablocker können ursächlich sein.

Um die Adipositas wirkungsvoll zu bekämpfen, ist eine Gewichtsreduktion das Mittel der Wahl. Das kann durch Umstellung auf die mediterrane Ernährung erreicht werden, die mit ausdauerorientierter Bewegung kombiniert wird. Auf energiedichte Nahrung, Fast Food und stark gesüßte Lebensmittel, Alkohol und Softdrinks sollte verzichtet werden. Doch Vorsicht, erfolgt das Abnehmen zu schnell, können sich Gallensteine bilden und auch die Knochendichte kann sich verringern. Um chronische Gewichtsschwankungen auszuschließen, sollte eine langfristige Gewichtsabnahme angestrebt werden. Unterstützen können dabei natürliche Fettbinder. Das sind Ballaststoffe, d. h. unverdauliche Nahrungsbestandteile pflanzlicher Herkunft wie Chitosan oder Phytosterole.

Chitosan wird aus dem Chitin von Pilzen gewonnen. Die zellwandstabilisierende Subtanz ist aus Glucosamin-Einheiten zusammengesetzt, welche mit ­Cellulose nahe verwandt sind. Als Kapseln oder ­Tabletten aufgenommen, absorbiert Chitosan Nahrungsfette im Gastrointestinaltrakt, setzt dadurch die Energiedichte der Nahrung herab und führt zu einer verbesserten und anhaltenden Sättigung. Ein deutlicher Dosis-Wirkungs-Zusammenhang mit dem Gewichtsverlust ist bekannt. Empfohlen wird das Medizinprodukt langfristig über zwölf Wochen.

Verringerte Glucosespiegel

In einer Metaanalyse wurde kürzlich untersucht, wie sich eine Supplementation mit Chitosan auf die glykämischen Spiegel bei Patienten mit metabolischem Syndrom auswirkte [2]. In der Sequenzanalyse von zehn klinischen Studien mit 1 473 Personen zeigte sich eine signifikante Reduktion von Nüchternglucose und Hämoglobin A1c (standardisierte Mittelwertdifferenz [SMD] -0,39 mmol/l; 95%-Konfidenzintervall [KI] -0,62 bis -0,16) bzw. HbA1c (SMD -1,10; 95%-KI -2,15 bis -0,06); ein Effekt auf die Insulinspiegel wurde nicht festgestellt (SMD -0,20 pmol/l, 95%-KI -0,64 bis 0,24). Die Subgruppenanalyse ergab signifikant reduzierte Nüchternglucosespiegel nach der Einnahme von 1,6–3 g Chitosan pro Tag sowie bei der langfristigen Einnahme über 13 Wochen. Die Glucosespiegel von diabetischen und übergewichtigen oder adipösen Patienten können also verbessert werden, wenn Chitosan mindestens 13 Wochen lang mit 1,6–3 g pro Tag dosiert wird, so das Fazit der Studienautoren aus China [2].

Wie wirkt Chitosan?

Es hemmt die Expression der intestinalen α -Glucosidase, der Glucosetransporter und des Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptors γ. Ebenso wird die Sekretion des Glukagon-ähnlichen Peptids 1 ­gehemmt, welches insulinsekretorisch wirkt. Generell wirken Ballaststoffe günstig auf das LDL-Cholesterin, die Triglyceride und den Blutdruck und unterstützen dadurch das Gewichtsmanagement. Patienten mit metabolischem Syndrom sollten also mehr Ballaststoffe aufnehmen als die Normalbevölkerung, so die Forscher.

In höheren Dosen hat Chitosan keine toxischen Nebenwirkungen; eine exzessive Aufnahme führt allerdings zu gastrointestinalen Beschwerden und beeinflusst die Resorption von Proteinen, Mineralstoffen und Spurenelementen (> Gastroenterologie). Das Fazit: Chitosan könnte als Langzeit-Supplement genutzt werden, um die Blutglucose zu senken und die Insulinempfindlichkeit zu verbessern. Profitieren würden Personen mit Prädiabetes und Diabetes [2].

Gewichtsverlust und verbesserte Körperzusammensetzung

Chitosan wirkt auch auf das Körpergewicht, wie eine aktuelle Metaanalyse zeigte. Darin wurden 15 randomisierte kontrollierte Studien in Bezug auf das Körpergewicht, den BMI und die Körperzusammensetzung (Taillen- und Hüftumfang bzw. Körperfett) evaluiert [3]. Die gepoolten Analysen von 1 130 Personen zeigten eine signifikante Reduktion des Körpergewichts, des BMI und des Körperfetts unter einer Chitosan-Supplementation (gewichtete Mittelwertdifferenz [WMD] -0,89 kg; 95%-KI -1,41 bis -0,38; p = 0,0006), BMI (WMD -0,39 kg/m2; 95%-KI -0,64 bis -0,14; p = 0,002) und Körperfett (WMD -0,69 %; 95%-KI -1,02 bis -0,35; p = 0,0001). In den Subgruppenanalysen zeigten sich positive Effekte auf die Körperzusammensetzung bei Dosierungen über 2,4 g Chitosan pro Tag bis zu 12 Wochen bei übergewichtigen oder adipösen Teilnehmern. Der Verzehr von Chitosan ist somit ein adjuvantes Therapiewerkzeug für das Gewichtsmanagement, besonders bei übergewichtigen und adipösen Teilnehmern, so die chinesischen Forscher [3].

Natürliche Cholesterinsenkung

Durch ihr Sterolgrundgerüst haben β-Sitosterol, Stigmasterin und Campesterin Ähnlichkeit mit Cholesterol. Die Phytosterole liegen hauptsächlich in Samen (Sonnenblumenkerne, Pistazien, Sesamsaat), nativem Sojaöl sowie in Hülsenfrüchten und Getreide vor (> Ernährung). Zugesetzt wird β-Sitosterol auch der Margarine und yoghurtähnlichen Produkten. Die Bioverfügbarkeit aus der Nahrung ist gering; daher bleiben die Phytosterole im Darmlumen, wo sie die Absorption von Cholesterol dosisabhängig hemmen. Das geschieht vermutlich durch gemeinsames Auskristallisieren, kompetitive Verdrängung von Cholesterol aus den Mizellen oder Verminderung der Cholesterolabgabe aus den Enterozyten. Unabhängig davon hemmen die wenigen resorbierten Phytosterole das Schlüsselenzym der Cholesterolbiosynthese in der Leber.

Als Nahrungsergänzungsmittel werden Phytosterole zur Kontrolle sowie zur Senkung des Cholesterinspiegels über längere Zeit empfohlen. Cave: 20 % der Bevölkerung sind Non-Responder, bei denen die pflanzlichen Sterole wirkungslos sind. Kontraindiziert sind sie bei Personen mit homozygoter Phytosterolämie, die die Substanzen in den Gefäßwänden ablagern. Wie eine Metaanalyse ergab, verringerte die Aufnahme von Phytosterolen die standardisierte Carotinoid-Konzentration im Serum; nicht beeinflusst wurden die Konzentrationen von Tocopherol, Retinol und Vitamin D [4]. Während der Supplementation sollten deshalb vermehrt gelb-rote Früchte und Gemüse verzehrt werden [5].

Expertenrat: Kardiovaskuläre Prävention

In der EU sind Phytosterole formal als Lebensmittel klassifiziert, die mit einem Health Claim beworben werden dürfen. Sie sind frei verkäuflich und werden häufig ohne ärztlichen Rat für alle möglichen Zwecke eingenommen. Da die Wirksamkeit wissenschaftlich anerkannt ist, hat die Ernährungsstiftung Italiens einen Expertenrat aus Klinik und Wissenschaft einberufen, der die aktuelle Literatur kritisch evaluieren sollte [5].

Die Ergebnisse: Wenn Phytosterol-Supplemente entsprechend eingesetzt werden, können sie die LDL-Cholesterinspiegel effektiv um durchschnittlich 9–10 % senken; bei höheren Dosen bis zu 3 g pro Tag sogar bis 12,5 %. Bei täglicher Aufnahme setzt der cholesterinsenkende Effekt innerhalb von drei Wochen ein und bleibt bei regelmäßiger Einnahme erhalten. Phytosterolhaltige Supplemente sollten einmal täglich nach den Hauptmahlzeiten eingenommen werden, nicht auf nüchternen Magen oder nach einem kleinen Frühstück. Phytosterole sind gut verträglich und akkumulieren nicht im Gewebe, wenn die Dosierung eingehalten wird. Ob Phyto­sterole zur Kontrolle des Cholesterinspiegels ein­gesetzt werden, sollte ein Arzt entscheiden, nachdem das individuelle kardiovaskuläre Risiko und das Lipidprofil eingeschätzt wurde. Für welche Patienten Phytosterole geeignet sind, kann mithilfe eines Fließschemas ermittelt werden (Abb. 1).

In den Leitlinien der Europäischen Gesellschaften für Kardiologie und Arteriosklerose ESC/EAS wird den Phytosterolen ein signifikanter dosisabhängiger Effekt zur Reduktion von LDL-Cholesterin zuerkannt (Evidenzlevel A) [6]. Gemäß dieser Leitlinien wird bei Personen mit einem moderaten Risiko (1–5 % in 10 Jahren) der LDL-Zielwert bei 100 mg/dl festgesetzt; hier können Phytosterole als Monotherapie eingesetzt werden, wenn der basale Cholesterinwert unter 110 mg/dl liegt. Bei höheren basalen Cholesterinwerten kann eine Kombination aus Phytosterolen und anderen Nahrungsergänzungsmitteln empfohlen werden. Bei Personen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko können Phytosterole nach sorgfältiger persönlicher Evaluation zum Beispiel mit Statinen kombiniert werden. Diese Kombination senkte das Gesamtcholesterin und das LDL-Cholesterin in höherem Maße als Statine alleine [7]. Durch ihr günstiges Nebenwirkungsprofil ist der Einsatz als cholesterinsenkendes Mittel alleine oder in Kombination mit einer Arzneimitteltherapie gerechtfertigt, so die EAS-Leitlinien [6]. Der beobachtete antiinflammatorische Effekt könnte zumindest teilweise auf einer Wechselwirkung mit der Mikrobiota beruhen (> Mikrobiom). Dadurch wird die Dysbiose und die damit verbundene niedriggradige Entzündung verbessert [5].

Die Autorin

Dr. rer. nat. Christine Reinecke
70378 Stuttgart

dres.reinecke@t-online.de
www.hello-biology.com

Dr. Christine Reinecke ist promovierte Diplom-Biologin und ­seit über 25 Jahren freiberufliche Autorin zahlreicher Publikationen der Naturheilkunde, Medizin und Pharmazie

RKI – Themenschwerpunkt Übergewicht und Adipositas, Stand 05.01.2022
Guo W et al., Nutr J 2020; 19: 130, published online 2020 Dec 1, DOI 10.1186/s12937-020-00647-4
Huang H et al., Crit Rev Food Sci Nutr 2020; 60: 1815–1825, DOI 10.1080/10408398.2019.1602822
Baumgartner S et al., Eur J Nutr 2017 Apr; 56: 909–923, DOI 10.1007/s00394-016-1289-7, Epub 2016 Sep 3
Poli A et al., Nutrients 2021 Aug; 13: 2810, published online 2021 Aug 16; DOI 10.3390/nu13082810
Mach F et al., Eur Heart J 2020; 41: 111–188, DOI 10.1093/eurheartj/ehz455
Han S et al., Sci Rep 2016; 6: 31337, DOI 10.1038/srep31337

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