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Fokus Naturmedizin

Naturmedizinische Ansätze

Deszensus, Harnverlust und Blasenentzündungen

Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard und Dr. rer. nat. Reinhard Merz

21.10.2022

An einer Blasenentzündung leidet jede zweite Frau mindestens einmal in ihrem Leben, zahlreiche Frauen erkranken wiederholt daran. Eine unkomplizierte Blasenentzündung mag zwar schmerzhaft sein, lässt sich mit natürlichen Therapieverfahren aber gut behandeln.

Zum Deszensus kommt es, wenn das Bindegewebe bzw. die Muskeln geschädigt oder geschwächt sind. Eine angeborene Bindegewebsschwäche oder erworbene Bindegewebserkrankung können ein Grund sein, auch Übergewicht und Überlastung sowie die Folgen von Entbindungen können dahinterstecken. Ebenso Rückbildungsvorgänge in der Menopause.

Die auftretenden Beschwerden sind abhängig von der betroffenen Region. Bei einer Zystozele drückt die Harnblase in die Scheide, die vordere Scheidenwand stülpt sich aus. Harnwegsinfekte treten auf, es kommt zu Störungen beim Wasserlassen (unvoll­ständige ­Entleerung, Verlieren kleiner Harnmengen in kurzer Zeit).

Bei der Therapie sollte vorallem as subjektive Leidensgefühl der Patientin berücksichtigt werden.

Bei der Rektozele sackt die Mastdarmvorderwand mit der Scheidenhinterwand ab. Obstipation kann die Folge sein, auch eine „stückchenweise“ Entleerung, Stuhlinkontinenz und Stuhlschmieren kommen vor. Auch ein Absacken des Bauchfells mit Anteilen des Darms (Enterozele). Gebärmuttersenkung und Descensus perinei sind häufig. Beim Abtasten lässt sich gut die Kontraktionsfähigkeit und -kraft der Beckenbodenmuskulatur beurteilen.

Bei der Therapie sollte neben dem Alter und der Art der Beschwerden auch das subjektive Leidensgefühl der Patientin berücksichtigt werden. Wichtig ist, wie stark sie sich in ihrem Alltag und in ihrem Wohlbefinden eingeschränkt fühlt. Im Frühstadium wird man versuchen, mit Beckenbodengymnastik zu verhindern, dass der Beckenboden weiter geschwächt wird.

Patientinnen sollten täglich nach dem Aufstehen und vor dem Schlafengehen Beckenbodengymnastik machen. Empfehlenswert ist auch ein Online-Kurs zur Stärkung der Mitte. Motivieren Sie Ihre Patientinnen, am Ball zu bleiben – auch wenn sich die Verbesserungen nicht innerhalb von Tagen einstellen. Schnelleren und besseren Erfolg bringen Biofeedback-Therapiesysteme. Dabei werden die Muskeln willkürlich angespannt und entspannt, die am Wasserlassen und an der Stuhlentleerung beteiligt sind.

Hormongabe (Estriol) durch Vaginaltabletten oder -creme kann das Training unterstützen. In dieser Phase kann man auch alternative Therapieansätze in Betracht ziehen. Die Veranlagung zur Bindegewebsschwäche lässt sich homöopathisch beeinflussen: 2–3 x täglich 4 Globuli D12 Helonias, Lilium tigrinum, Murex, Natrium muriaticum, Sepia oder Silicea (hier ausnahmsweise D3). Auch Schüßler-Salze sind einen Versuch wert: 6 Wochen lang 4 x täg­lich je 3 Tabletten Calcium fluoratum D12 (Nr. 1), Silicea Nr. 11, Calcium.

Ermuntern Sie Patientinnen mit Harnverlust unbedingt, sich nicht zurückzuziehen, sondern weiter am sozialen Leben teilzunehmen. Wenn ihnen das unmöglich erscheint, sollten sie ein Verhaltenstraining in Erwägung ziehen und eine Entspannungsmethode erlernen.

Blasenentzündung

Blasenentzündung im Winter, weil man ständig friert, im Frühjahr, weil man die erste Sonne überschätzt, im Sommer, weil man sich im nassen Badezeug verkühlt, im Herbst […]. Und ganz schlimm im Urlaub, wenn man sich doch endlich mal richtig erholen und regenerieren will. Dann wird schnell der Ruf nach einem Antibiotikum laut.

Zu unterscheiden sind Bakteriurie ohne Symptome und ein Harnwegsinfekt mit Symptomen, wie Brennen beim Wasserlassen oder sogar Fieber. Antibiotika sind in den vergangenen Jahren ja etwas in Verruf geraten. Auf keinen Fall dürfen wir sie verteufeln, denn sie retten viele Menschenleben. Nur sollten wir sie mit Bedacht einsetzen. Das gilt besonders für urogynäkologische Fragestellungen.

Bei einer symptomlosen Bakterienausscheidung bringt eine Antibiotika-Einnahme keine Vorteile, wie eine Studie an 673 Patientinnen zeigte [1]. Nach drei Monaten hatte sich bei 8,8 % der Frauen mit Antibiotikum ein Harnwegsinfekt mit Symptomen entwickelt. Dagegen waren in der Kontrollgruppe nur 3,5 % der Frauen von einem Harnwegsinfekt betroffen. Bei anhaltenden Schmerzen oder Blut im Urin kann ein Antibiotikum aber durchaus indiziert sein.

Bei allen Blasenentzündungen sollte besonderes Augenmerk auf das „darmassoziierte Immunsystem“ gerichtet werden. Das beinhaltet eine angepasste Ernährung und nach Möglichkeit Reduzierung von Stressfaktoren. Zusätzlich helfen Probiotika. Für viele Frauen kann die Blasenentzündung auch ein emotionales Ventil sein, das bekannte „Weinen über die Blase“. Solche Umstellungen brauchen Zeit, im ­akuten oder chronischen Fall gibt es aber auch natur­medizinische Ansätze.

Akute Blasenentzündung

Hier helfen eine ganze Reihe von Pflanzenheilmitteln, die in standardisierten Produkten in der Apotheke erworben werden können. Sie wirken antientzündlich, antibakteriell und entkrampfend, beispielsweise:

• Kombination Tausendgüldenkraut, Liebstöckel und Rosmarin
• Kombination Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel
• Bärentraubenblätter: nur kurzzeitig und nicht geeignet in Schwangerschaft und Stillzeit und für Kinder unter 12 Jahren.
• Kräutermixtur – Kombination (Birkenblätter, Hauhechel, Liebstöckel, Goldrute und Schachtelhalm) zum Einnehmen (Eisbär-Apotheke, Karlsruhe). Es handelt sich um einen hochdosierten Extrakt, der dann auch als Tee getrunken werden kann: 1 TL in einer Tasse heißem Wasser.

Frauen sind für Harnwegsinfekte sehr anfällig, da sie nur eine kurze Harnröhre besitzen. Außerdem sind After und Scheide eng benachbart. So kommen Bakterien aus dem Darm über eine Schmierinfektion in den Scheidenbereich und können darüber in die Harnröhre und Blase gelangen. Frauen mit einer gesunden Scheidenflora sind weniger anfällig für Harnwegsinfekte. Vor allem beim Fehlen von Lakto­bazillen können sich schädliche Keime vermehren und in die Blase eindringen. Scheidenzäpfchen mit Milchsäurebakterien können helfen, eine gesunde Scheiden­flora wieder herzustellen.

Rezidivierende Blasenentzündungen

In diesen Fällen ist es wichtig, die eigentliche Ursache herauszufinden (Hormonstörungen, zu niedrig dosierte Pille, Kupfer- oder Hormonspirale, häufiger Geschlechtsverkehr). Zur Prophylaxe von Blasenentzündungen kommen Produkte zum Einsatz, die den Harn ansäuern und das Anheften der pathologischen Bakterien an der Blasenwand verhindern:

• Vitamin C
• D-Mannose
• Cranberryextrakt (Proanthocyane)

D-Mannose ist ein Einfachzucker, der die Bindungsproteine für E. coli blockiert und so deren Anheftung verhindert. Zusätzlich zur topischen Verabreichung in Gel-Form liegt Mannose auch als trinkfertiges Nahrungsergänzungsmittel vor, das neben D-Mannose auch Cranberry und Zink enthält. In allen Fällen gelten folgende Verhaltensregeln als nützlich:

• genügend trinken
• Verzicht auf Alkohol und Kaffee
• immer warme Füße
• nicht auf kalten Steinen/Stühlen sitzen
• Wärmflasche auf die Blase

Spezielle Blasentees können unterstützen. Bewährt haben sich folgende Rezepturen:

• Je 20 g Birken-, Orthosiphon-, Bärentrauben- und Schwarze Johannisbeerblätter sowie Goldrutenkraut mischen. Davon 1 EL mit 150 ml kochendem Wasser übergießen und 5 bis maximal 8 Minuten ziehen lassen. Viermal täglich 1–2 Tassen trinken.
• 20 g Birken- und Orthosiphonblätter mit 30 g Bärentrauben- und 10 g Pfefferminzblättern mischen. Davon 1 EL mit 150 ml kochendem Wasser übergießen und 10 Minuten ziehen lassen. Viermal täglich 1 Tasse lau­warm trinken.

Nach einer akuten Blasenentzündung überdauern Bakterien oft ien einem Biofilm in der Blase nd werden wieder freigesetzt.

Bärentraubenblätter sind für Kinder unter 12 Jahren sowie während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht geeignet. Auch sollten Tees und Medikamente, die Bärentraubenblätter enthalten, nur maximal fünfmal im Jahr und dann höchstens eine Woche verwendet werden, da sonst Leberschäden auftreten können. Deshalb noch ein Tee ohne ­Bärentraubenblätter:

• 50 g Schachtelhalmkraut, 30 g Birkenblätter, 20 g Wacholderbeeren mischen. 1 TL der Mischung mit 150 ml kochendem Wasser aufgießen und 10 Minuten ziehen lassen. Dreimal täglich 1 Tasse nach den Mahlzeiten trinken.

Bärentraubenblätter gibt es auch in Tabletten oder mit Goldrutenkraut zur Nierendurchspülung. Bei wiederkehrenden Blasenentzündungen und Reizblase kann man die Pflanzenkombination aus Tausendgüldenkraut, ­Liebstöckelwurzel und Rosmarinblättern länger­fristig einnehmen, z. B. 12 Wochen durchgehend, bei ­akuten Harnwegsinfektionen bis zum Abklingen der ­Symptome. Sie entkrampft die Blase, wirkt antientzündlich und antibakteriell. Die Kombination aus Cranberry, Vitamin C, Zink und Selen stärkt das Immunsystem und schützt gezielt die Blase.

Seifen, Waschlotionen und Deos sollten nur sehr zurückhaltend benutzt werden, um die empfindliche Haut im Genitalbereich nicht zu schädigen und die natürliche gesunde Keimbesiedelung zu erhalten. Am besten eignen sich Produkte, die den Säureschutzmantel stärken. Einmalwaschlappen sind zu bevorzugen.

Blasenentzündungen nach sexueller Aktivität (Honeymoon-Zystitis) sind oft keine Neuinfektionen. Vielmehr verbleiben nach einer akuten Blasenentzündung oft Bakterien in der Blase, setzen sich in der Harnblasenwand (Biofilm) ab und können dort inaktiviert überdauern, wobei sie vor dem Immunsystem und vor Antibiotikagaben geschützt sind. Werden sie aus dem Reservoir freigesetzt, flammt die Blasenentzündung wieder auf.

Häufig ist Gardnerella vaginalis Auslöser für die ­erneute Zystitis. Speziell zur Behandlung der Blasenentzündungen gibt es zwei Impfungen: die „Schluckimpfung“ (enthält Lysat von E.-coli-Bakterien) und die Spritzenimpfung (enthält verschiedene abgetötete Erreger, die für Blasenentzündungen verantwortlich sein können).

Fazit:

In der Urogynäkologie und besonders bei Harnwegsinfektionen und Blasenschwäche gibt es viele bewährte naturmedizinische Ansätze. ­Diese Methoden können sowohl alternativ als auch komplementär eingesetzt werden.

Die Autorin

Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard
Albert-Überle-Straße 11
69120 Heidelberg

www.netzwerk-frauengesundheit.com

1 Cai T et al., Clin Infect Dis 2012; 55: 771–777

Bildnachweis: privat

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