Die Wundheilung verläuft phasenweise, mit dem Ziel, die geschädigte Epithelbarriere wiederherzustellen. Natursubstanzen können diesen Prozess beeinflussen, wie für Vitamin C, Flavonoide, Phytozubereitungen und topische Probiotika mit Evidenz gezeigt wurde.
Ursächlich für chronische Wunden sind Durchblutungsstörungen, Diabetes mellitus oder Dekubitus, aber auch Unfälle und Infektionen. Am häufigsten sind Unterschenkel und Fußsohlen betroffen. So leidet etwa 1 % der Bevölkerung im Laufe des Lebens unter einem Ulcus cruris, bei den 80-Jährigen sind es mehr als 3 %. Typischerweise ist die Wundumgebung entzündet und von Bakterien besiedelt. Eine zusätzliche Pilzinfektion, am häufigsten mit Candida albicans und Trichophyton rubrum, fördert bei kommensalen Bakterien Resistenzen und Immunescape-Mechanismen, sodass die Wunde ein Reservoir für multiresistente Spezies darstellt [1]. Mikrobielle Besiedlung und Entzündung erschweren die Wundheilung und können auch Komplikationen wie Schmerzen, Einschränkung der Beweglichkeit, Sepsis, Nekrose, Gangrän und Osteomyelitis mit sich bringen. Aufgrund ihrer antientzündlichen, antioxidativen, angiogenetischen und die Zellsynthese modulierenden Eigenschaften werden daher Natursubstanzen zunehmend in der Wundheilung eingesetzt.
Vitamin-C-Spiegel bei Ulzera
Um Wunden im Bereich der Hautbarriere zu heilen, sezernieren die dermalen Fibroblasten eine extrazelluläre Matrix, die aus Kollagen besteht. Als Kofaktor der Synthese ist Ascorbinsäure nötig. Die Anwesenheit von Vitamin C reduziert auch die Expression von Entzündungsfaktoren und fördert die Expression von wundheilenden Faktoren. Wichtig ist Ascorbinsäure in allen Phasen der Wundheilung [2]. Wie Untersuchungen in einer spezialisierten Klinik zeigten, lag bei 59 % der Personen mit Fußulzera ein Vitamin-C-Mangel vor. Da chronische Fußulzera das Risiko für körperliche Beeinträchtigung, Osteomyelitis und sogar die Notwendigkeit einer Amputation bergen und nur wenige Behandlungen die Heilungstendenzen verbessern können, wurde in einer randomisierten, mit inaktivem Placebo kontrollierten, doppelblinden Studie 16 Personen mit Fußulzera entweder 500 mg Vitamin C in langsamer Freisetzung oder Glucosamin (Kontrollen) verabreicht. Nach Vorliegen der Ergebnisse der Vitamin-C-Serumspiegel nach 4 Wochen bekamen diejenigen, die einen Mangel aufwiesen – das waren 50 % – für 4 weitere Wochen Tabletten mit Vitamin C unabhängig von ihrer vorherigen Gruppenzugehörigkeit. Alle anderen führten ihre ursprüngliche Therapie weiter. Die Heilung, bezogen auf die Reduktion der Ulkus-Größe, war in der Vitamin-C-Gruppe signifikant besser (p = 0,041), und die Zeit bis zu einer 50%igen Heilung signifikant verkürzt (Median 20 Tage vs. 48 Tage unter Glucosamin; p = 0,028). Zukünftig sollte ein möglicher Schwelleneffekt für Vitamin C im Serum untersucht werden, oberhalb dessen die Therapie ineffektiv ist, resümierten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Sydney (Australien). Vitamin C sei kostengünstig und leicht verfügbar, sodass die Therapie allen Personen mit chronischen Fußulzera und suboptimaler Vitamin-C-Versorgung empfohlen werden könnte [3].
Phytozubereitungen bei infizierten Wunden
In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) gehören Hautwunden zur Kategorie der Geschwüre und Ulzera. Ihre Ätiologie ist gut dokumentiert und die Behandlung hat eine 5 000-jährige Geschichte. TCM-Pulver ist eine chirurgische Zubereitung aus jeweils 50 g Korkbaumrinde, Geißblatt, Steinsamen, Borneol und Drachenblutbaum, jeweils 30 g Engelwurz, Pfingstrosenwurzel und Hydrargyrum oxydatum und jeweils 20 g Weihrauch, Myrrhe and Salbei. In einer aktuellen Studie erhielten 80 Personen mit infizierten Wunden entweder eine nitrofuralhaltige Gaze oder das TCM-Pulver plus Gaze. Das Pulver wurde 2 Wochen lang abends über die gesamte Wundoberfläche gestäubt und mit steriler Gaze bedeckt. Darunter war die Gesamtreaktion in der TCM-Gruppe signifikant besser als in der Kontrollgruppe (p = 0,017). Farbe und Exsudatvolumen (Scores) waren unter TCM niedriger, wobei die Gruppendifferenzen signifikant ausfielen (p < 0,05). Auch die Zeit bis zur Epithelneubildung und Wundheilung war in der TCM-Gruppe kürzer, ebenfalls mit signifikanten Gruppenunterschieden (p < 0,05). Beobachtet wurde, dass das Pulver nekrotisiertes Gewebe und Exsudat auf der Wundoberfläche absorbierte, Eiter abbaute und die Blutzirkulation aktivierte. Gemäß der Forschergruppe ist die Zubereitung im Gegensatz zur konventionellen Wundbehandlung nicht invasiv und kostengünstig. Sie heilt alle Arten von Verbrennungen und ist auch in der Behandlung von diabetischen Fußulzera wirksam [4].
Flavonoide als wundheilende Moleküle
Die Wundheilung ist ein präziser, hoch programmierter biologischer Prozess, der Homöostase, Inflammation, Proliferation und Remodelling umfasst. Die Heilung kann durch Inhaltsstoffe aus Medizinpflanzen beschleunigt werden, die auch antiinfektiös wirken. Flavonoide beispielsweise haben eine antientzündliche, angiogenetische, das Epithel wiederherstellende und antioxidative Wirkung. Auf molekularer Ebene beeinflussen sie den Wundheilungsprozess durch Expression von Biomarkern beziehungsweise Aktivierung von Signalwegen [5] (Abb.). Dass Flavonoide die Heilung von venösen Ulzera beschleunigen, zeigte eine Metaanalyse. Zusätzlich zur konventionellen Behandlung (Kompression und Lokalbehandlung) wurde oral mit einer mikronisierten Flavonoidfraktion (90 % Diosmin, 10 % Hesperidin) behandelt. Nach 6 Monaten war die Wahrscheinlichkeit einer Heilung bei denjenigen, die Flavonoide erhalten hatten, um 32 % höher als bei denjenigen unter konventioneller Therapie (relative Risikoreduktion [RRR] 32 %; 95%-KI 3–70 %). Der Unterschied zeigte sich ab dem zweiten Monat und war mit einer kürzeren Zeit bis zur Heilung assoziiert (16 vs. 21 Wochen; p = 0,0034). Den größten Nutzen hatte die Subgruppe mit Ulzera in einer Größe von 5–10 cm2 (RRR 40 %; 95%-KI 6–87 %), sowie Geschwüren, die 6–12 Monate anhielten (RRR 44 %; 95%-KI 6–97 %). Der Flavonoid-Extrakt könnte daher ein geeigneter Behandlungszusatz bei großen und chronischen Ulzera sein, so die Forscherinnen und Forscher aus London. Durch die vermutete Hemmung verschiedener Adhäsionsmoleküle wird die Wechselwirkung zwischen Leukozyten und Endothelzellen gehemmt [6].
Neuer Ansatz Wundmikrobiom
Die Fähigkeit zur Wundheilung nimmt mit dem Alter ab und wird von Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes eingeschränkt. Chronische Wunden nehmen weltweit zu und die Fortschritte hinsichtlich effektiver zielgerichteter Therapien sind begrenzt. Neue Interventionen konzentrieren sich deshalb auf die Hautmikrobiota. Die mikrobiellen Gemeinschaften der Haut haben sich gemeinsam mit den Menschen entwickelt, stärken die Hautbarriere und verhindern die Besiedlung durch Pathogene. Die Bakteriengemeinschaft fördert die Immuntoleranz der Kommensalen, festigt die Bakterien-Homöostase und unterstützt die Erkennung von Pathogenen durch das Immunsystem. So hemmt Streptococcus epidermidis das virulente Bakterium Staphylococcus aureus und induziert die Gewebereparatur durch T-Lymphozyten. Staphylococcus lugdunensis wiederum bildet das Antibiotikum Lugdunin, das spezifisch gegen S. aureus gerichtet ist. Pathogene Mikroorganismen haben dagegen Virulenzmechanismen entwickelt, mit denen sie gezielt kommensale Spezies verdrängen, sei es durch Biofilmbildung, Antibiotikaresistenz oder Immunflucht. Besonders häufig in Fußulzera, Brandwunden und Druckgeschwüren kommen S. aureus (fakultativ anaerob), Streptococcus (β -hämolysierend) und, abhängig von der Ulkus-Tiefe, Prevotella und Anaerococcus (beide strikt anaerob) vor [7].
Topische Probiotika und Wundheilung
Interventionen, die gesunde Bakterien fördern und pathogene Bakterien hemmen, unterstützen die Wundheilung. So beispielsweise Probiotika, die außerdem die Glucose-Homöostase regulieren und Entzündungsreaktionen eindämmen. Wie eine Pilotstudie zeigte, verringerte die Applikation von Lactobacillus plantarum die Bakterienlast bei chronisch-venösen Ulzera, reduzierte neutrophile, apoptotische und nekrotische Zellen, modifizierte die Bildung des proinflammatorischen Interleukin-8 und verbesserte die Heilung. Nachdem täglich 105 Zellen auf das Wundbett aufgebracht worden waren, bildete sich bei 14 diabetischen und 20 nicht diabetischen Personen ein physiologisches Wundmilieu mit Granulationsgewebe. Nach 30 Tagen zeigte sich bei 43 % der Behandelten mit Diabetes eine Heilung, bei denjenigen ohne Diabetes in 50 % der Fälle [8].
In topischer Anwendung wirken auch die probiotischen Kulturen in Kefir hemmend auf Salmonella, Helicobacter, Shigella, Staphylococcus und Escherichia coli, wie eine Übersichtsarbeit verdeutlichte. Die antimikrobielle Wirkung ist vermutlich Resultat einer Bildung von Exopolysacchariden, die Makrophagen und Lymphozyten aktivieren, eines Spezies-spezifischen Antagonismus, der die Konzentration von Pathogenen herabsetzt, sowie der Regulation antimikrobieller Peptide. Bei Brandwunden konnten topische Probiotika die Bakterienlast ebenso herabsetzen wie Sulfadiazin und bei chronisch-venösen Ulzera eine günstigere Immunantwort bewirken.
Bei geschätzt 80 % aller Wundinfektionen bildet sich ein Biofilm, der mit einer schlechten Heilungstendenz verbunden ist. Antibiotika sind oft ineffektiv und kontraproduktiv, da sie den Biofilm nicht angreifen, aber schützende Bakterien zerstören. Wurden pathogenen Bakterien/Pilzen in vitro Probiotika zugegeben, bildete sich 50 % weniger Biofilm [9].
Und in Zukunft?
Wie eine Studie zeigte, können Hydrogele, die mit Bakteriophagen getränkt sind, Pseudomonas aeruginosa in Wunden eliminieren. Zwei polyvalente Phagen, aus Abwasser isoliert, wurden auf ein Hydrogel aus Natriumalginat und Carboxymethylcellulose aufgebracht und im Wundinfektionsmodell an Mäusen untersucht. Eingesetzt wurde ein Gel mit Phagen, eines mit Ciprofloxacin, ein Gel mit Phagen plus Ciprofloxacin sowie Hydrogel allein. Dabei zeigten das Gel mit Phagen und das Antibiotika-Gel die gleiche antimikrobielle Wirkung; in Bezug auf die Wundheilung und den pathologischen Prozess war das Phagen-Gel wirkungsvoller. Am besten schnitt die Kombination ab. Das Bakterium P. aeruginosa findet sich häufig in chronischen Wunden und entwickelt eine zunehmende Multi-Antibiotika-Resistenz [10].
Chronische Wunden bei Diabetes oder Druckgeschwüren sind eine Herausforderung. Wenn ein Vitamin-C-Defizit die Wundheilung zusätzlich verzögert, kann eine Intervention mit Ascorbinsäure die Heilungszeit verkürzen. Das gelingt auch mit Phytozubereitungen, wie für Brandwunden und diabetisches Ulkus gezeigt wurde. Flavonoide beeinflussen die Wundheilung, indem sie die Adhäsion von Leukozyten und Endothel reduzieren. Topische Mikrobiomtherapien, beispielsweise mit Lactobacillus plantarum, wirken durch Antagonismus zwischen den einzelnen Spezies, durch Regulation der Homöostase und durch Entzündungshemmung. Insgesamt sind natürliche Substanzen im Vergleich zu synthetischen Molekülen nebenwirkungsarm und deutlich kostengünstiger als eine konventionelle Wundbehandlung [11].
1 Ge Y et al., Front Mol Biosci 2022; 9: 1057766
2 Ghahremani-Nasab M et al., J Biol Eng 2023; 17: 62
3 Gunton JE et al., Br J Nutr 2021; 126: 1451–8
4 Li F-L et al., Int Wound J 2023; 20: 799–805
5 Zlukefli N et al., Int J Mol Sci 2023; 24: 4607
6 Coleridge-Smith P et al., J Vasc Endovasc Surg 2005; 30: 198–208
7 White EK et al., Cold Spring Harb Perspect Biol 2023; 15: a041218
8 Peral MC et al., Microbiol Infect 2010; 16: 281–6
9 Knackstedt R et al., Int Wound J 2020; 17: 1687–94
10 Kheljan FS et al., Viruses 2023; 15: 803
11 Prakash M et al., Front Nutr 2021; 8: 791899