Übergewichtige Menschen bilden im subkutanen weißen Fettgewebe weniger Kallistatin als Normalgewichtige. Mit einer Gewichtsreduktion steigt die Expression wieder. Zudem verbessert das Serpin den Stoffwechsel und könnte für die Zukunft neue Therapieoptionen bei Adipositas und Typ-2-Diabetes eröffnen.
Kallistatin (KST, auch bekannt als SERPINA4) blockiert viele Proteasen, etwa die Kallikrein-ähnliche Peptidase 7 (KLK7), die wichtig ist für den epithelialen Zellverlust und der subklinischen Inflammation bei Adipositas entgegenwirkt. Unabhängig von der Serinprotease-Inhibition sind Kallistatin pleiotrope Effekte zuzuschreiben: KST-Signalkaskaden blockieren inflammatorische Zytokine wie den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF), den Tumornekrose-Faktor-α (TNF-α), das High-mobility-Group-Protein B1 (HMGB1) und transformieren Wachstumsfaktor-β (TGF-β)-Pfade. Wichtig: KST ist auch ein Inhibitor der Wnt/β-Catenin-Signalgebung über den Wnt-Korezeptor LRP6 (Low-density lipoprotein receptor-related protein).
Da Adipositas und Typ-2-Diabetes (T2D) sich durch eine subklinische Inflammation auszeichnen, haben die aufgeführten Eigenschaften von KST das Potenzial, positiv auf diese Erkrankungen einzuwirken.
Um mehr Erkenntnisse bezüglich der Rolle von humanem Kallistatin (hKST) in der systemischen Regulation von Energie, Glucose- und Lipidmetabolismus zu gewinnen, untersuchten wir, wie ein durch Lebensstilintervention bedingter Gewichtsverlust sich auf die KST-Expression im subkutanen weißen Gewebe (sWAT) bei übergewichtigen und adipösen Personen veränderte. Des Weiteren interessierte uns, wie die systematische Überexpression von humanem KST sich bei normalgewichtigen und Diät-induziert adipösen Mäusen (DIO) auf den Energie- und Glucosemetabolismus auswirkt. Unsere Modelle erlaubten, sowohl systemische als auch Organ-spezifische sowie zellulär-mechanistisch getriebene metabolische Effekte von hKST zu analysieren [1].
Steigende KST-Expression nach Gewichtsreduktion
Bestimmt wurde die KST-mRNA-Expression im abdominalen sWAT von 47 Patientinnen und Patienten mit Übergewicht oder Adipositas mit normaler Glucosetoleranz vor und 6 Monate nach einer Ernährungsumstellung. Es zeigte sich, dass die KST-mRNA-Expression im sWAT negativ assoziiert war mit der Veränderung während der Lebensstilintervention und dass ein Gewichtsverlust von 7,7 ± 0,7 % und eine Fettreduktion von 6,6 ± 1,6 % zu einer um mehr als 1,5-fachen Steigerung der KST-mRNA-Expression im sWAT führten (Abb.), die wiederum negativ mit den HbA1C-Werten korrelierte.
hKST-Effekte in metabolische Kontrolle involviert?
Die Untersuchung transgenetischer Mäuse, die systematisch übermäßig hKST ausschütteten (hKST-TG), ansonsten normalgewichtig und Insulin-sensitiv waren, ergab bei kalorisch angepasster Fütterung keine Unterschiede im Vergleich zu entsprechenden Wildtyp(WT)-Mäusen bezüglich des Körpergewichts, der perirenalen Fettmasse sowie der im subkutanen weißen als auch braunen Gewebe. Ebenso zeigten sich hinsichtlich der Insulinsensitivität und der Ganzkörper-Energie-Homöostase keine Unterschiede.
Bekamen hKST-TG- und WT-Mäuse hochkalorische Nahrung, nahmen beide Genotypen vergleichbar zu und zeigten keine Unterschiede bezüglich der epigonadalen, subkutanen und perirenalen weißen als auch braunen Fettdepots. Abweichungen gab es auch nicht hinsichtlich der Energie-Homöostase. Zur Glucosetoleranz: Nüchtern-Blutzucker und Nüchtern-Insulin waren vergleichbar, das Plasma-Insulin jedoch bei den hKST-TG-Mäusen während des ganzen Tests deutlich reduziert, was auf eine verbesserte Insulinresistenz hinweist. Darüber hinaus erfuhr der kalkulierte HOMA-IR eine signifikante, durch hKST induzierte Reduktion. Diese Ergebnisse suggerieren, dass hKST eine Diät-induzierte Insulinresistenz vermindert.
Mittels eines Clampversuchs mit stabil markierten Tracern konnten wir in einem anderen Mausmodell zeigen, dass hKST die hepatische und periphere Insulinsensitivität verbesserte. In weiteren Untersuchungen zum Verständnis der Mechnismen bezüglich des Einflusses auf die Insulinresistenz konnte kein antiinflammatorischer Effekt von hKST festgestellt werden. Auch eine Minderung der Lipolyse mit reduzierter ektopischer Lipidakkumulation konnte die Effekte von hKST auf den Glucosemetabolismus nicht erklären.
Letztlich bestimmten wir vor dem Hintergrund, dass eine Blockade der β-Catenin-Signalgebung über LRP6 zu einer Verbesserung der hepatischen Insulinsensitivität führt, aktives und totales β-Catenin in den Lebern von hKST-TG- und WT-Mäusen. Beides war in hKST-TG-Mäusen geringer als in denen vom WT, was zu einer verbesserten hepatischen Insulinsensitivität beitragen könnte.
Mit den Insulin-sensibilisierenden Effekten in der Leber eignet sich Kallistatin als leberspezifisches Ziel, um die positiven Effekte eines Gewichtsverlusts nachzuahmen und so Typ-2-Diabetes und Adipositas zu behandeln.
Korrespondierender Autor
Prof. Dr. med. Andreas Birkenfeld
Ärztlicher Direktor Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie
Universitätsklinikum Tübingen
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