- Anzeige -
Fokus Naturmedizin

Evidenzbasierte Medizin

Orale Supplemente für die hautgesundheit – Pro und Kontra

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

23.5.2025

Können Nährstoff-Supplemente für die Hautgesundheit empfohlen werden? Wie ist die Evidenz? Und wozu raten die Fachgesellschaften? Die Studienergebnisse sind sehr heterogen, Experten fordern umfangreichere klinische Studien. Eine Dermatologin und ein Biochemiker im Streitgespräch auf dem EADV-Kongress 2024 in Amsterdam.

 In einem größeren Rahmen betrachtet, könne das Altern als Modell für Krankheiten herangezogen werden, so die Einführung von Prof. Dr. med. Jo Lambert (Universität Gent). Zwölf Wegmarken des Alterns seien bekannt, darunter die Genominstabilität, eine unregulierte Nährstoffwahrnehmung, die Zellalterung, der Prozess des Inflamm-Agings, der Stammzell-Verlust sowie Veränderungen im Mikrobiom. Sollten also Supplemente angewendet werden, um Altern und (Haut-)Erkrankungen zu verhindern?

Ja, es gebe Evidenz, betonte Dr. Apostolos Pappas von der Rutgers Universität in New York und Chief Scientific Officer eines Mailänder Kosmetik-Konzerns. Fehlen essenzielle Vitamine, Mineralstoffe oder Fettsäuren, komme es zu Hautmanifestationen. So bei den B-Vitaminen: Bei einem B2-Mangel würden sich schmerzhafte, juckende Stellen bilden, ein Vitamin-B3-Mangel zu einer Dermatitis führen und bei einem generellen Mangel an B-Vitaminen die Haarfarbe schwinden. Gerade die Dermatitis als Vitamin-Mangel­symptom würde durch Supplementation gelindert, so Pappas.

Stichwort Probiotika: Hier zeige eine Metaanalyse bei Kindern mit atopischer Dermatitis, dass die ­Probiotika in 13 Studien hilfreich waren. Insgesamt seien jedoch uneinheitliche Ergebnisse aufgefallen: In der geografischen Subgruppenanalyse wurde eine signifikante Verringerung des SCORAD-Index in Asien festgestellt, jedoch nicht in Europa. Und in der stammspezifischen Subgruppenanalyse verringerte sich der Index unter Streptococcus salivarius, Lactobacillus fermentum und einer probiotischen Mixtur, nicht aber unter L. plantarum und L. rhamnosus GG.

Nährstoffe für die Haut

Auf dem Hautpflegemarkt ist topisches Retinol der wichtigste und in den USA der umsatzstärkste Nährstoff, so Pappas. Physiologische Vorläufer sind die Carotinoide aus pflanzlichen Nahrungsmitteln, die nach der Umwandlung in Vitamin A die Entwicklung von Zellen und Gewebe fördern. Eine derartige ­Präkursor-Funktion ist auch für Vitamin E bekannt. Die Sekretion aus der Talgdrüse ist die wichtigste ­physiologische Route, mit der aufgenommene Tocopherole in die Haut gelangen. Dort schützt Vitamin E das Bindegewebe und Kollagen und hemmt im Gegenzug die Kollagenasen. Bei der ­Kollagensynthese ­wiederum ist Vitamin C als ­Kofaktor nötig. Wird ­Ascorbinsäure von außen zugeführt, dringe sie allerdings wenig ins Stratum corneum ein, so Pappas. ­Vitamin D schließlich wird in der Haut aus 7-­Dehydro-Cholesterin unter Einwirkung von UV-B-Strahlung gebildet. Zur Versorgung empfiehlt die American Academy of Dermatology gesunden Erwachsenen, adäquate Mengen des Vitamins aus der Nahrung oder aus angereicherten Lebensmitteln aufzunehmen.

Ein Mangel an Vitamin D und auch an Vitamin B12 spielt bei der Psoriasis eine Rolle. Die systemische Erkrankung mit Hautbeteiligung hängt nachgewiesenermaßen auch mit dem metabolischen Syndrom sowie mit dem Darmmikrobiom zusammen. Moduliert man dieses mit Pro- und Präbiotika, können Hauteruptionen verringert werden. Wie eine Metaanalyse aus 55 Studien mit 4 534 Personen zeigt, ist die Evidenz für eine diätetische Gewichtsreduktion bei übergewichtigen und adipösen Patientinnen und Patienten mit Psoriasis am stärksten [1]. Das bedeute, so Pappas, dass die Therapie der Psoriasis und der Psoriasis-Arthritis durch Ernährungsintervention und Supplemente unterstützt werden könne, um die Schwere der Hauterscheinungen zu verringern.

Populäre Kollagenhydrolysate

Beauty care von innen mit Vitaminen und Spurenelementen gebe es seit dem Jahr 1964, sagte Pappas. Für Nährstoffsupplemente spreche, dass 2 von 3 Dermatologen bzw. Dermatologinnen diese additiv oder alternativ empfehlen würden. Supplemente würden zu sichtbaren, positiven Ergebnissen für die Patienten und Patientinnen führen und hätten wenig Nebenwirkungen. Dagegen spreche: Es gibt keine Recommended Daily Allowances (RDA) und keine Dosierungsempfehlungen, auch ist die Behandlung mit Kosten verbunden.

In Bezug auf die populären oralen Kollagenhydrolysate ist die Evidenz uneinheitlich. Wie ein systematisches Review aus 19 Studien mit 1 125 Personen zeigte, sind die enzymatisch gewonnenen Spaltprodukte nützlich für die Hydratation und Elastizität der Haut sowie die Erscheinung von Falten [2]. Eine Subgruppenanalyse bestätigte diesen Befund. Sichtbar waren die Effekte nach 90 Tagen, unerwünschte Wirkungen traten nicht auf. Auch in einem aktuellen Review mit 26 randomisierten, kontrollierten Studien und 1 721 Personen konnten Kollagenhydrolysate die Hydratation und Elastizität der Haut verbessern, vor allem in der Langzeitanwendung [3]. Auf die Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Studie aus Brasilien angesprochen, in der keine Unterschiede zwischen Kollagenpeptiden und Placebo gefunden wurden, entgegnete Pappas: „Kollagen wird verdaut, doch möglicherweise können die Kollagenpeptide als Matritzen dafür dienen, eigenes Kollagen auf­zubauen.“

Zink und Nicotinamid

Die Acrodermatitis enteropathica ist eine Zinkmangelerkrankung, die sich durch Substitution von Zink schnell verbessert. Eine signifikante Rolle spielt Zink auch bei der Akne und der durch Malassezia ver­ursachten Dermatitis. Auch bei der Hidradenitis ­suppurativa wurde Zink (90 mg Zinkgluconat pro Tag) untersucht. Das ging in die Europäischen Hidradenitis-suppurativa-Guidelines von 2016 ein, die Zinkgluconat als Zweitlinientherapie neben Infliximab und Etretinat in Erwägung zogen.

Mit der Supplementation von Nicotinamid verringerte sich in einer Phase-III-Studie zur Hautkrebs-Prävention nach 12 Monaten signifikant die Anzahl der aktinischen Keratosen und auch die Rate von neu aufgetretenem, nicht melanozytärem Hautkrebs (NMSC) im Vergleich zu Placebo [4]. Deshalb werde Nicotinamid zur Chemoprävention der aktinischen Keratose und des NMSC mit dem Evidenzlevel IB bedacht, so Pappas. Nicotinamid unterstütze die Reparatur UV-induzierter Schäden an der DNA und verringere die strahlungsbedingte Immunsuppression. Das Vitamin wurde off-label eingesetzt und mit 2 × 500 mg pro Tag dosiert.

Ob Nährstoffsupplemente bei Haarverlust wirken, wurde in einem systematischen Review mit 30 Artikeln unter die Lupe genommen [5]. Evaluiert wurden alle Interventionen, die die Ernährung und Supplementation bei Personen mit Haarausfall und ohne bekannte Nährstoffdefizite betrafen. Von den ernährungsbasierten Studien erreichte keine die ­Einschlusskriterien. Dagegen erwiesen sich in ­Supplement-basierten Studien bestimmte Supplement-Kombinationen als möglicherweise nützlich. In ihnen waren Vitamin C, diverse B-Vitamine, ­Calcium, Zink und Eisen, Proteoglykane und sekundäre Pflanzenstoffe wie Isoflavone enthalten. Ferner auch Capsaicin, Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren mit Antioxidantien, Apfel als Neutraceutical, Gesamtglycoside aus Paeonia und Glycyrrhizin, ­Tocotrienole sowie Kürbiskernöl.

Aus der Vielzahl der dermatologischen Erkrankungen und der unterschiedlichen Nahrungsergänzungen legte Dr. med. Charlotte Näslund Koch (Universität Kopenhagen) den Fokus auf gut untersuchte Nährstoffe bei Psoriasis und atopischer Dermatitis. Um die Evidenz einzuschätzen, orientiere man sich an der hierarchisch gegliederten Studienqualität, rief die Expertin in Erinnerung. Ganz unten stünden demnach Meinungen von Expertinnen und Experten und Fallberichte, auf der nächsten Stufe kämen Fall-Kontroll- und Kohortenstudien. Weiter oben die mendelschen Randomisationsstudien, die die ­Kausalität anhand von genetischen Varianten als Surrogatmarker untersuchen. An der Spitze schließlich der Goldstandard: die randomisierten und ­kontrollierten Studien mit dem höchsten ­Evidenzlevel für Metaanalysen. Diese würden für Therapieempfehlungen herangezogen.

Keine Supplementations-Empfehlung bei Psoriasis

Menschen mit Psoriasis haben generell niedrigere Vitamin-D-Spiegel, und in Fallserien war eine Vitamin- D-Supplementation nützlich. Effekte wurden auch in nicht kontrollierten Open-label-Studien verzeichnet; jedoch blieben doppelblinde randomisierte Studien ohne Evidenz [6-11]. Hinsichtlich der ­Kausalität gebe es widersprüchliche Hinweise, ­sodass keine Empfehlung – präventiv oder therapeutisch – bei Erwachsenen mit normalen Vitamin-D-Spiegeln gegeben werden könne, fasste Näslund Koch zusammen [12]. Bei niedrigen Vitamin-D-­Spiegeln genüge es, den allgemeinen Guidelines zu folgen. In Dänemark bedeute das eine Vitamin-D-Supplementation von Oktober bis April.

Essenzielle Fettsäuren werden in Psoriasis-Studien meist als Gamma-Linolensäure in Form von Fischöl supplementiert. Die vorhandenen Studien sind oft nicht kontrolliert, mit geringer Stichprobengröße und widersprüchlichen Ergebnissen. Da sich in randomisierten, kontrollierten Studien kein Nutzen gezeigt hätte, könnten Fischöl-Supplemente bei Psoriasis nicht empfohlen werden, resümierte ­Näslund Koch.

Auch bei der atopischen Dermatitis nicht empfehlenswert

Die atopische Dermatitis kommt bei Erwachsenen und Kindern vor, die zusätzlich auch an Lebensmittelallergien leiden können. Atopische Menschen weisen im Vergleich zu Gesunden ­niedrigere Spiegel an Vita­min D auf [13], wobei eine Korrelation zwischen dem Vitaminspiegel und der Schwere der Erkrankung beobachtet wird [14]. ­Tatsächlich ­wurde in randomisierten, kontrollierten Studien nachgewiesen, dass eine Vitamin-D-Supplementation die Schwere der atopischen Dermatitis beeinflusst [15,16]. Jedoch bleiben Fragen offen: Welches ist das optimale Alter, um mit einer Supplementation zu beginnen? Spielen die Basislinienwerte von Vitamin D eine Rolle? Welches ist die optimale Dosierung? Anhand der aktuellen Daten seien spezifische Empfehlungen daher im Moment nicht möglich, so Näslund Koch [17].

Weiter berichtete die Dermatologin, dass sich in Beobachtungsstudien ein Zusammenhang zwischen einer hohen Aufnahme von Omega-3-reichen ­Lebensmitteln und einem niedrigeren Risiko für die atopische Dermatitis gezeigt habe. Und es ­bestehe nachweislich eine kausale Beziehung zwischen ­Omega-3-Fettsäuren und der atopischen Dermatitis. In Interventionsstudien hätten sich jedoch zwie­spältige Ergebnisse hinsichtlich der Assoziation ­zwischen Omega-6/Omega-3-Fettsäuren und der ­Inzidenz und Schwere der atopischen Dermatitis ­gezeigt. Damit könne keine Empfehlung für eine Supplementation mit Fischöl gegeben werden.

Mikrobiotika und atopische Dermatitis

Probiotika sind Bakterienstämme, die für das ­Darmmikrobiom günstig sind, während Präbiotika Sub­strate sind, die den Probiotika als Nahrung ­dienen. Postbiotika umfassen die Stoffwechsel­produkte der Probiotika, vor allem kurzkettige Fett­säuren. Synbiotika schließlich bestehen aus Pro­biotika und Präbiotika. Die Evidenz: Eine kürzliche Metaanalyse von 20 randomisierten, kontrollierten Studien mit Pro-, Syn- und Postbiotika zeigte eine signifikante Reduktion der Schwere der atopischen Dermatitis [15]. Doch hier lasse sich einwenden: Es wurden verschiedene Typen und Stämme von Probiotika, auch in Kombination, eingesetzt. Zudem variierte die Behandlungsdauer zwischen 8 und 32 Wochen, und die Teilnehmenden waren zwischen 1 und 10 Jahre alt. Daher gebe es auch hier keine offizielle Empfehlung [17].

Im Hinblick auf Nährstoffsupplemente könnte man also schlussfolgern: Die Evidenz ist zwar spärlich, doch es sind harmlose Nahrungssupplemente. ­Warum ­können wir sie nicht empfehlen? Näslund Koch gibt hier ein klares Statement: Nahrungs­supplemente sind nicht zwangsläufig unbedenklich. Sie ­wirken toxisch bei Überdosierung, können mit ­Arzneimitteln interagieren und Magen-Darm-­Beschwerden hervorrufen [18,19]. In der Diskussion liege der Fokus immer auf der Nahrungsergänzung statt auf einer allgemein ­gesunden Ernährung. Entsprechend empfiehlt die Dermatologin: Sich gesund und variantenreich ernähren; bei Adipositas Gewicht abnehmen; den allgemeinen Guidelines für Nahrungssupplemente folgen. Das bedeute für den Alltag: eine lebenslange, gesunde und vielfältige Ernährung, statt kurzzeitig hochdosiert zu supplementieren.

  1. Ford A et al., JAMA Dermatol 2018; 154: 934–50
  2. De Miranda RB et al., Int J Dermatol 2021; 60: 1449–61
  3. Pu SY et al., Nutrients 2023; 15: 2080
  4. Chen AC et al., N Engl J Med 2015; 373: 1618–26
  5. Drage L et al., JAMA Dermatol 2023; 159: 79–86
  6. Lee YH et al., Clin Exp Dermatol 2018; 43: 529–35
  7. Stanescu AMA et al., Nutrients 2021; 13: 163
  8. Theodoridis X et al., Nutrition 2021; 82: 111024
  9. Jenssen M et al., JAMA Dermatol 2023; 159: 518–25
  10. Näslund-Koch C et al., J Invest Dermatol 2023; 143: 2068–71
  11. Bohmann P et al., Clin Exp Dermatol 2023; 48: 642–7
  12. Ford AR et al., JAMA Dermatol 2018; 154: 934–50
  13. Hattangdi-Haridas SR et al., Nutrients 2019; 11: 1854
  14. Vaughn AR et al., J Altern Complement Med 2019; 25: 567–77
  15. Vassilopoulou E et al., Allergy 2024; 79: 1708–24
  16. Kim G et al., Nutrition 2016; 32: 913–20
  17. Wollenberg A et al., J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; 36: 1904–26
  18. Ronis MJJ et al., Annu Rev Pharmacol Toxicol 2018; 58: 583–601
  19. Bjelakovic G et al., Cochrane Database Syst Rev 2012; 2012: CD007176
  20. Loftfield E et al., JAMA Network Open 2024; 7: e2418729

Vortrag „Controversies II: Nutritional Supplements in Dermatology: Is there evidence?” anlässlich des EADV-Kongresses 2024, Amsterdam

Bildnachweis: SiberianArt (gettyimages)

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt