Wo sich im Körper Fett anlagert und wie stark man von einer Lebensstilintervention profitiert, hängt unter anderem von der Insulinsensitivität des Gehirns ab. Langzeitdaten zeigen nun, wie sich die Insulinempfindlichkeit langfristig auf die Verteilung des Körperfetts auswirkt.[1]
Wie ungesund Köperfett ist, hängt vor allem davon ab, wo es gespeichert wird. Insbesondere viszerales Fett setzt zahlreiche Botenstoffe frei, die sich unter anderem auf den Blutdruck auswirken, die Freisetzung des Hormons Insulin beeinflussen und Entzündungen auslösen können. Dies erhöht wiederum das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten und bestimmte Krebsarten. Subkutanes Fett, das sich am Po, in den Oberschenkeln und Hüften anlagert, hat hingegen keine bekannten negativen Auswirkungen auf die Gesundheit.
Bisher ist nicht eindeutig geklärt, warum die Fettspeicherung nicht bei allen Menschen am gleichen Ort erfolgt. Untersuchungen im Tübinger-Lebensstil-Interventionsprogramm, das vor über zehn Jahren unter Leitung von Prof. Hans-Ulrich Häring begonnen wurde, deuteten darauf hin, dass die Insulinwirkung im Gehirn dabei eine wichtige Rolle spielt. Sie zeigen, dass Menschen mit einer hohen Insulinsensitivität im Gehirn deutlich stärker von einer Lebensstilintervention mit einer ballaststoffreichen Ernährung und Sport profitieren als Menschen mit einer Insulinresistenz im Gehirn. Reagierte das Gehirn empfindlich auf das Hormon, verloren die Menschen nicht nur mehr Gewicht, sondern wiesen auch eine gesündere Fettverteilung auf.
Doch wie wirkt sich die Insulinsensitivität langfristig auf die Verteilung des Körperfetts und das Gewicht aus? Diese Frage untersuchten Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), des Helmholtz Zentrums München und der Universitätsklinik Tübingen in einer Langzeitstudie.[1] Dazu erfassten sie über einen Zeitraum von neun Jahren die Follow-up-Daten von 15 Teilnehmenden, bei denen vor Beginn einer 24-monatigen Lebensstilintervention die Insulinsensitivität im Gehirn durch Magnetoenzephalografie bestimmt wurde.
Die Auswertung ergab, dass die Insulinwirkung im Gehirn nicht nur das Körpergewicht, sondern auch die Verteilung von Fett im Körper beeinflusst. Probanden mit einer hohen Insulinsensitivität profitierten von den Lebensstilinterventionen mit einer ausgeprägten Reduktion des Gewichts und des viszeralen Fettgewebes. Auch nach Ende der Lebensstilintervention lagerten sie während der neunjährigen Nachbeobachtung nur wenig Fettmasse wieder an. Im Gegensatz dazu zeigten Personen mit einer Insulinresistenz im Gehirn nur in den ersten neun Monaten des Programms eine leichte Gewichtsabnahme. Danach stiegen das Körpergewicht und das viszerale Fett noch während der folgenden Monate der Lebensstilintervention wieder an (Abb.).
Da die Insulinwirkung im Hypothalamus entscheidend für die Regulation des peripheren Energiestoffwechsels ist, prüften die Forschenden auch, wie die Insulinempfindlichkeit in diesem Hirnareal mit der Verteilung des Körperfetts zusammenhängt. Dafür untersuchten sie eine Querschnittskohorte von 112 Teilnehmern. Die Auswertung der Daten zeigte, dass Personen mit hoher Insulinsensitivität im Hypothalamus nur wenig viszerales Fettgewebe haben. Auf die Masse des Unterhautfettgewebes hat die Insulinsensitivität jedoch keinen Einfluss.
Die Studie demonstriert damit einen neuen und zentralen Mechanismus, der die Fettverteilung beim Menschen steuert. Da viszerales Fett nicht nur bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes eine Rolle spielt, sondern auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs erhöht, können die Studienergebnisse vielleicht auch neue Ansätze für Therapieoptionen über Stoffwechselerkrankungen hinaus eröffnen. Die Forschenden in Tübingen arbeiten bereits an neuen Therapien, um die Insulinresistenz im Gehirn aufzuheben und so die Körperfettverteilung günstig zu beeinflussen.
Der Autor
Prof. Dr. med. Martin Heni
Oberarzt
Wissenschaftlicher Koordinator des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM)
des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen
martin.heni@med.uni-tuebingen.de
1 Kullmann S et al., Nature Communications 2020; doi.org/10.1038/s41467-020-15686-y