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Abrechnung

Krankheitsbilder mit aufwendiger Betreuung

Abrechnung von Typ-2-Diabetes und Komorbiditäten

Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Schlüter

21.7.2023

Typ-2-Diabetes ist meist mit Risikofaktoren und Folgeerkrankungen vergesellschaftet, die eine Langzeitbetreuung unumgänglich machen. Das erfordert einerseits vielfältige therapeutische Maßnahmen. Andererseits ist dementsprechend bei den Abrechnungen einiges zu beachten.

Typ-2-Diabetes (T2D) als chronische Erkrankung eröffnet nicht nur ein umfassendes Behandlungsprogramm, sondern auch ein großes Spektrum an Komorbiditäten. Damit verbunden sind drei Zielrichtungen:

• optimale medizinische Versorgung
• Patientenbindung
• zeitsparende strukturierte Versorgung

Dementsprechend findet bei der Erstfeststellung eines T2D auch eine strukturierte Diagnostik statt, die einerseits auch die Komorbiditäten erfasst und andererseits zur Anbindung des Patienten an ein strukturiertes Behandlungsprogramm führt.

T2D ist nicht nur mit Risikofaktoren assoziiert, sondern auch und vor allem mit weiteren Krankheiten wie Adipositas, Hypertonie, koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Schlaganfall und Depression. Gleichzeitig sind insbesondere kardiovaskuläre ­Erkrankungen häufige Folge eines Diabetes.

Der Fall

Antriebslosigkeit und Schmerzen

Herr S., ein neuer Patient, 56 Jahre alt, 181 cm groß bei 108 kg, Bauchumfang 124 cm, stellt sich in der Sprechstunde vor. Von Beruf Rechtsanwalt in eigener Kanzlei, sitzt er fast den ganzen Tag am Schreibtisch und für sportliche Aktivitäten bleibt kaum Zeit. Als Grund für seine Vorstellung gibt Herr S. das ­Gefühl der Antriebslosigkeit und der ständigen ­Müdigkeit an. Er habe auch etwas Konzentrationsprobleme und fühle sich einfach nicht wohl. In Schulter-, Knie- und Hüftgelenken würde er ständig Schmerzen verspüren. Das ganze habe sich in den vergangenen drei Monaten entwickelt, wobei er durchaus das Gefühl habe, dass seine Lebensweise dafür verantwortlich sein könnte. Herr S. signalisiert auch, dass er an einer entsprechenden Beratung in Richtung Ernährungsumstellung und sportlicher ­Aktivität interessiert sei.

Die Untersuchung

Herrn S. wird das weitere Vorgehen erklärt, eine ­körperliche Untersuchung durchgeführt und ein EKG abgeleitet. Im Labor wird ein Urin-Streifentest sowie eine Glucosemessung durchgeführt. Zur weiterführenden Diagnostik (Labor, Lungenfunktion und Sonografie) wird ein gesonderter Termin vereinbart. Pathologische Befunde waren: erhöhter Blutdruck, Nüchtern-BZ: 198 mg/dl, Glucosurie und Sensibilitätsstörungen an beiden Füßen. Als Diagnosen ergeben sich zunächst: Adipositas, Typ-2-Diabetes, Polyarthrose, V. a. pAVK, Hypertonie und Fußulkus.

Das weitere Vorgehen

Es wird ein Termin vereinbart zur Ergebnisbesprechung, zum oralen Glucose-Toleranztest (oGTT), zur Oberbauchsonografie und Doppler-Sonografie der Beingefäße. Ein weiterer Termin ist dann für die Durchführung eines Belastungs-EKG vorgesehen.

1. Konsultation – Abrechnung nach EBM

Für den ersten Kontakt wird die Versichertenpauschale abgerechnet. Bei dem Patienten wurde ­bislang noch keine Gesundheitsuntersuchung durchgeführt. Da er mit 56 Jahren zum Kreis der Berechtigten gehört, wird ­diese durchgeführt. Ganzkörperstatus, neurologische Untersuchung, Glucose und Urin-Streifentest sind in der Gesundheitsuntersuchung nach Nr. 01732 enthalten und können daher nicht einzeln berechnet werden. Der Mikroalbumin-Test ist nicht Bestandteil der Gesundheitsuntersuchung, sodass dieser gesondert berechnet werden kann. Für die Vorhaltung dieser Untersuchung im eigenen Labor kann zusätzlich die EBM-Nr. 32089 berechnet werden. Das EKG ist nicht Bestandteil der Gesundheitsuntersuchung, es ist jedoch nach EBM nicht gesondert berechnungsfähig, sondern gilt mit der Berechnung der Versichertenpauschale als abgegolten. Die Wundversorgung des Ulkus als sekundär heilende Wunde ist mit der GOP 02310 berechnungsfähig.

1. Konsultation – Abrechnung nach GOÄ

Da es sich um einen Erstkontakt zu dem Patienten handelt, kann die Untersuchung als Gesundheitsuntersuchung nach Nr. 29 durchgeführt werden. Daneben schließen sich Beratungen (Nrn. 1 und 3) sowie Untersuchungsleistungen (Nrn. 5, 6, 7, 8, 11) aus und können nicht gesondert in Rechnung gestellt werden. Interessant ist, dass neben der GOÄ-Nr. 29, die neurologische Untersuchung nach GOÄ-Nr. 800 und alle Sonderleistungen wie EKG und Labor vollständig berechnet werden können. Wegen des Zeitaufwands für die Erstanamnese und Erstuntersuchung kann der Faktor für die Gesundheitsuntersuchung entsprechend gesteigert werden. Die differenzialdiagnostische Abklärung der Sensibilitätsstörung der unteren Extremität zur Sicherung einer schon fraglich vorliegenden diabetischen Polyneuropathie ist sehr zeitaufwendig. Aus diesem Grund wird die GO-Nr. 800 wie auch die zeitaufwendige Wundversorgung mit einem erhöhten Faktor abgerechnet. Da in der GOÄ für die Berechnung der Blutentnahme die Nr. 250 vor­gesehen ist, muss gerade hier immer darauf geachtet werden, dass diese Leistungsposition nicht vergessen wird. Bei dem adipösen Patienten lagen extrem schlechte Venenverhältnisse vor, sodass auch hier mit erhöhtem Faktor abgerechnet wird.

Der nächste Termin dient der Diagnosesicherung und der ausführlichen Befundbesprechung bei Vorliegen von Komorbiditäten wie Hypertonie, ­Lipidämie, diabetischer Fuß und periphere Neuropathie. Insgesamt besteht ein „metabolisches Syndrom“. Insbesondere die Risikokonstellation wird ausführlich mit dem Patienten besprochen.

2. Konsultation – Abrechnung nach EBM

Die ausführliche Beratung kann nach EBM nicht gesondert abgerechnet werden. Für den oGTT wird 3 x die BZ-Bestimmung, jeweils zuzüglich dem Zuschlag trägergebundene Reagenzien, nach GOP 32089 abgerechnet. Die dopplersonografische Druckmessung der Extremitätenarterien ist im EBM nicht gesonderte berechnungsfähig, sondern gilt mit der Versichertenpauschale als abgegolten. Die Nekrosenabtragung des diabetischen Fußulkus als chirurgische Leistung ist mit der GOP 02311 abzurechnen. Diese Leistungsposition ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Sie kann nämlich nur dann berechnet werden, wenn der Vertragsarzt – im Durchschnitt der letzten vier Quartale vor Antragstellung – je Quartal die Behandlung von mindestens 100 Patienten mit Diabetes mellitus durchgeführt hat und die Qualifikation zur Durchführung von programmierten Schulungen für Diabetiker nachweisen kann. Fachärzte für Chirurgie, Orthopädie und Dermatologie müssen die Qualifikation zur Durchführung von programmierten Schulungen nicht nachweisen können. Es handelt sich um den 2. APK, sodass die Voraussetzungen zur Berechnung des Komplexes nach GOP 03210 gegeben sind und dieser auch abgerechnet wird. Die umfangreiche Labordiagnostik belastet das Laborbudget nicht, sofern die Kennziffer für das Vorliegen eines manifesten Diabetes mellitus (Nr. 32022) angeschrieben ist.

2. Konsultation – Abrechnung nach GOÄ

Für die umfangreiche Beratung im Zuge der Erstfeststellung einer Hypertonie und eines Diabetes mellitus ist die GOÄ-Nr. 34 anzusetzen. Wegen des deutlich erhöhten Zeitaufwands für die Erörterung wird ein erhöhter Faktor angesetzt. Daneben darf die Beratung nach Nr. 1 nicht berechnet werden und entfällt. Die Oberbauchsonografie ist nach GOÄ-Nr. 410 (für das erste untersuchte Organ) abzurechnen. Die GOÄ-Nr. 420 ist für jedes weitere untersuchte Organ anzusetzen. Die GOÄ-Nr. 420 darf jedoch nur maximal dreimal angesetzt werden. Zudem muss für jede Leistungsposition das untersuchte Organ angegeben werden. Für Laborleistungen im eigenen Labor gibt es nach GOÄ keine gesonderten Zuschlagsgebühren, es existieren dafür getrennte Leistungspositionen, sodass für die Blutzuckerbestimmung die GOÄ-Nr. 3514 (Kapitel M I) abzurechnen ist. Es gibt in der GOÄ auch eine eigene Leistungsposition für den oralen Glucosetoleranztest (oGTT), die GOÄ-Nr. 3613. Diese ist mit 160 Punkten bewertet. Da diese jedoch eine viermalige Blutzuckerbestimmung verlangt, ist für die durchgeführten drei Bestimmungen dreimal die GOÄ-Nr. 3514 abzurechnen. Werden im Zuge der Behandlung des diabetischen Fußes Nekrosen abgetragen, so kann dafür nach GOÄ die GOÄ-Nr. 2065 abgerechnet werden. Für diese Leistungsposition ist zusätzlich der Zuschlag für eine ambulant durchgeführte Operation nach GOÄ-Nr. 442 zuzusetzen. Im Gegensatz zum EBM gibt es in der GOÄ für die dopplersonografische Druckmessung der Extremitätenarterien eine gesonderte Abrechnungsposition, die GOÄ-Nr. 643. Diese kann wegen der schwierigen Untersuchungsbedingungen bei Adipositas mit erhöhtem Faktor abgerechnet werden.

Der nächste Termin dient lediglich der Durchführung des Belastungs-EKG.

Belastungs-EKG – Abrechnung nach EBM

Hier ist für den Patientenkontakt der Konsultationskomplex zu berechnen. Die Untersuchung des ­Thorax ist nach EBM nicht gesondert berechnungsfähig. Das Belastungs-EKG kann im Behandlungsfall neben dem Komplex nach Nr. 03212 berechnet werden.

Belastungs-EKG – Abrechnung nach GOÄ

Für die kurze Beratung wird die GO-Nr. 1 berechnet, die in diesem Behandlungsfall noch nicht abgerechnet wurde. Für die Thoraxuntersuchung wird die GO-Nr. 7 abgerechnet und das Belastungs-EKG nach GO-Nr. 652.

Im Vordergrund der Therapie des Diabetes mellitus in Verbindung mit den Komorbiditäten stehen vor allem Änderungen der Lebensgewohnheiten in Form von geänderter Ernährung, Bewegungstherapie und konsequenter Gewichtsreduktion. Umfangreiche Empfehlungen und eine entsprechende Aufklärung der Betroffenen stellen eine wichtige Aufgabe für den Hausarzt dar, wobei es in erster Linie auf die Motivation des Patienten ankommt. Führen eines Tagebuchs, tägliche Gewichtskontrolle und Dokumentation der körperlichen Aktivitäten helfen bei der Erreichung des geplanten Ziels. Wiederholte Erörterungen, Ernährungsberatung und ggf. auch eine Diabetikerschulung schließen sich zusätzlich zur entsprechenden medikamentösen Therapie an.

Weiterer Verlauf – Abrechnung nach EBM

Für die Ernährungsberatung bestehen im EBM keine gesonderten Abrechnungsmöglichkeiten. Für die strukturierte Diabetikerschulung sind KV-regional unterschiedliche Leistungspositionen zwischen den Vertragspartnern vereinbart, sodass sich jeder Arzt über die in seinem KV-Bereich gültigen Abrechnungspositionen informieren sollte.

Weiterer Verlauf – Abrechnung nach GOÄ

Für die Ernährungsberatung nach GOÄ wird mit der GO-Nr. 33 abgerechnet. Diese steht für die strukturierte Schulung eines Diabetikers. Wird jedoch eine Ernährungsberatung durchgeführt, wäre auch die GO-Nr. 33 analog entsprechend § 6 GOÄ möglich. Zur Kennzeichnung der Verwendung einer analogen Berechnung wird die Leistungslegende der GO-Nr. 33 leicht verändert: „Ernährungsberatung, analog berechnet“. Der Hinweis auf die analoge Berechnung darf nicht durch Verwendung eines „A“ direkt an der Nr. 33 (z. B. A33 oder 33-A) vorgenommen werden, sondern ausschließlich im Text zur Leistungsposition. Da die Nr. 33 noch zum Kapitel B gehört, greift die Ausschlussregelung zur symptombezogenen Untersuchung nicht und die Nr. 5 für die symptombezogene Untersuchung ist daneben jedes Mal berechnungsfähig.

Der Autor

Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Schlüter
Arzt für Allgemeinmedizin
Arzt für Naturheilverfahren
76684 Tiefenbach
schlueter@vital-arzt-praxis.de
www.vital-arzt-praxis.de

Dr. Dr. Peter Schlüter ist promo­vierter Naturwissenschaftler und ­Mediziner. Seit 1982 ist er als Arzt für Allgemein­medizin mit betriebs­­wirtschaftlich ­opti­mierter Praxis nieder­gelassen. Als Berater zu allen ­Fragen der Praxisorganisation, Praxis­manage­­ment und ­Abrechnung ist er seit 1987 tätig.

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