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Allgemeinmedizin

Herzinsuffizienzmarker in der Diabetologie

Eignet sich NT-proBNp als Marker für Diabetesfolgeerkrankungen?

Prof. Dr. Matthias B. Schulze, Dr. Anna Birukov

21.1.2021

Weisen gesunde Menschen niedrige NT-proBNP-Werte auf, leben sie mit einem geringeren Risiko, einen Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln. Trifft eine solche Relation auch auf Diabetesfolgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder schweren Schäden an Nieren und Nerven zu?

Zirkulierendes N-terminales pro B-Typ natriure­tisches Peptid (NT-proBNP) ist eine inaktive ­Aminosäure des BNP (brain natriuretic peptide), das von Kardiomyozyten als Anwort auf eine Erhöhung von Volumen oder Druck ausgeschüttet wird und Vasodilation sowie Natriurese bewirkt. Da es quasi nur im Ventrikel vorkommt, ist es hilfreich als ­Marker für Herzinsuffizienz und eine Dysfunktion des linken Ventrikels. Doch zusammen mit seinen Rezeptoren reguliert NT-proBNP nicht nur die ­kardiovaskuläre Homöostase durch Einflussnahme auf Blutdruck, Blutvolumen und ­Natriumbalance. Es ist zudem assoziiert mit dem Glucose- und Lipid­metabolismus des Fett- und Muskelgewebes [1,2]. Natriuretische Peptide ­stimulieren die Lipolyse in den Adipozyten durch Bindung an den natriuretischen Peptidrezeptor A (NPR-A) im Fettgewebe; begünstigen die Umwandlung von weißen Adipozyten in braune, den Sauerstoffverbrauch sowie die Glucoseaufnahme in weißes und braunes Fettgewebe. Zudem regulieren sie die Körperfettverteilung, die Nahrungsaufnahme und den Energieumsatz [1,2]. Experten gehen davon aus, dass eine Aktivierung von NPR- A die Adipokinsekretion ­modulieren und sich vorteilhaft auf geringgradige Entzündungen des Fettgewebes und somit auch die Insulinresistenz auswirken könnte [3]. Insgesamt ist also NT- proBNP ein positiver Effekt auf den Glucose- und Insulinmetabolismus zuzuschreiben, was sich in Studien durch eine inverse Korrelation zwischen NT- proBNP-Leveln und dem Risiko für einen Typ-2-Diabetes ­mellitus widerspiegelte.


Vor diesem Hintergrund untersuchte das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) in Kooperation mit der Universität Tübingen, dem University College Dublin sowie dem Bundesinstitut für Risikobewertung den Zusammenhang zwischen NT-proBNP-Leveln und dem Auftreten von mikro- und makrovaskulären Komplikationen beim Typ-2-Diabetes [4]. Zunächst wurden dafür in einer Fallkohorte alle inzidenten Fälle von Diabetes und solchen mit kardiovaskulären Erkrankungen (CVD) sowie eine zufällige Stichprobe aus der EPIC-Potsdam-Studie* zusammengeführt. Die Analysen entsprechender Proben belegten die inverse Assoziation zwischen der NT-proBNP-Konzentration und dem Risiko für Diabetes Typ 2. Weiter zeigte sich, dass bei jeder Verdoppelung der NT-proBNP-Werte das Diabetes­risiko um etwa 9 % abnahm (Hazard Ratio [HR] 0,91; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,86–0,98). Besonders deutlich war der Einfluss des Herzinsuffizienzmarkers bei Frauen, bei denen das Diabetesrisiko bei einer NT-proBNP-Verdopppelung gar um 20 % sank (HR 0,80; 95%-KI 0,72–0,90). Ein statistisch signifikanter Zusammenhang ­zwischen der NT-proBNP-Konzentration und dem Risiko für CVD konnte hingegen nicht gefunden werden.

Zunahme von Diabeteskomplikationen

Für die Bestimmung einer möglichen Assoziation zwischen NT-proBNP und diabetesbedingten ­Erkrankungen wurden Proben von 545 gesunden Menschen, die später an einem Diabetes erkrankten, herangezogen. Davon entwickelten 133 mikro- und 50 makrovaskuläre Folgeschäden. Mit jeder Verdoppelung der NT-proBNP-Basiskonzentration stieg hier das Risiko für Retino-, Neuro und Nephropathien um 20 % (95%-KI 1,01–1,43) und das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall um 37 % (95%-KI 1,03–1,83). Diese positive Assoziation war unabhängig von Hauptrisikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index, soziodemogra­fischen und Lifestyle-Faktoren, Vorerkrankungen, inflammatorischen und kardiometabolischen ­Biomarkern und Geschlechtshormonen.

Fazit:

Mikro- und makrovaskuläre Folgeerkrankungen von Diabetes mellitus Typ 2 sind positiv linear mit NT-proBNP-Leveln verknüpft. Damit ist die Messung des Herzinsuffizienzmarkers im Plasma interessant für die Risikoüberwachung diabetes­assoziierter Erkrankungen. Weitere prospektive Studien müssen klären, inwieweit NT-proBNP sich tatsächlich als Marker von Diabetes­kompli­kationen eignet.

Der Autor

Prof. Dr. Matthias B. Schulze
Leiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke

mschulze@dife.de

* Bei der European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition(EPIC)-Potsdam-Studie handelt es sich um eine prospektive Kohortenstudie, die 27 548 Menschen im Alter zwischen 35 und 65 in den Jahren 1994 bis 1998 rekrutierte. Sie ist Teil einer der größten Langzeitstudien weltweit mit insgesamt etwa 521 000 Probanden aus zehn europäischen Ländern und zielt darauf, den Einfluss von Ernährung auf die Entstehung von Krebs und anderen chronischen Erkrankungen zu untersuchen.

1 Sengenès C et al., FASEB J 2000; 14: 1345–1351
2 Gruden D et al., Diabetes Care 2014; 37: 2899–2908
3 Tsukamoto O et al., J Am Coll Cardiol 2009; 53: 2070–2077
4 Birukov A et al., Diabetes Care 2020; 43: 2930–2937

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Bildnachweis: Til Budde

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