Eine Lebensstilintervention (LI) kann bei Menschen mit Prädiabetes die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) hinauszögern oder gar verhindern. Wer davon am meisten profitiert und was eine intensivierte Modifikation bewirkt, untersuchten Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) [1].
In den vergangenen zwei Jahrzehnten konnten viele Studien den Nutzen einer Lebensstilintervention im Zuge einer Prävention von Diabetes mellitus Typ 2 belegen. So zeigten einige prospektive randomisierte Untersuchungen, dass sich das Risiko, einen Diabetes zu entwickeln, durch Änderung der Ernährungsgewohnheiten und durch Steigerung körperlicher Aktivitäten reduzieren lässt: Hierbei wurden relative Risikoreduktionen zwischen 15 und 70 % bei ein- bis sechsjährigen Follow-ups beobachtet. Allerdings profitierten nicht alle Probanden von einer LI. So manifestierte sich bei jedem fünften Patienten des Diabetes-Präventions-Programms (DPP), der sich einer LI unterzog, ein Diabetes mellitus Typ 2 innerhalb von vier Jahren. Und nur 40 % der Teilnehmer erzielten eine Regression des Prädiabetes hin zu einer normalen Glucoseregulation. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob bei allen Menschen mit Prädiabetes eine LI notwendig ist, da bei einigen auch ohne LI in der Nachbeobachtung nach elf Jahren kein T2DM diagnostiziert wurde. Bei solchen Individuen mit intermittierender Hyperglykämie könnte eine LI mit dem einzigen Ziel einer Senkung des Blutzuckerspiegels durchaus weniger wichtig sein. Eine aktuelle Post-hoc-Analyse des DPP zeigte zudem, dass das Ansprechen auf eine LI in Abhängigkeit vom Diabetesrisiko variiert.
Vor diesem Hintergrund initiierten Forschende des DZD die prospektive Studie PLIS (Prädiabetes-Lebenstil-Interventions-Studie), die an acht Standorten des Zentrums in ganz Deutschland durchgeführt wurde [1]. Dabei wurden die 1.105 Probanden mit Prädiabetes anhand der Insulinsekretion, der Insulinsensitivität und des Leberfettgehalts entweder als Hochrisiko(HR)- oder als Niedrigrisiko(LR)-Phänotyp klassifiziert. Untersucht wurde, was eine Intensivierung der LI bei HR-Probanden bewirkt und ob die konventionelle LI sinnvoll bei LR-Phänotypen ist. Die HR-Typen führten randomisiert (1:1) entweder eine konventionelle LI gemäß dem DPP oder eine intensivierte LI mit Verdoppelung der erforderlichen körperlichen Aktivität durch. Bei der LR-Gruppe wurde randomisiert (1:1) der Einfluss einer konventionellen LI mit der Absenz von Lebensstiländerungen verglichen. Die Studie lief über zwölf Monate mit einem Follow-up von zwei Jahren. Beenden konnten die Studien 82 % der Teilnehmenden.
Hohes Diabetesrisiko identifizieren
Bei den HR-Phänotypen betrug der Unterschied des Glucoselevels zwei Stunden nach der Gabe von 75 g Glucose (Postchallenge glucose) zwischen denen mit konventioneller LI und denen mit intensivierter LI -0,29 mmol/l (95%-Konfidenzintervall [KI] -0,54 bis -0,04; p = 0,025; Abb. A). Der entsprechende Unterschied beim Leberfett belief sich auf -1,34 Prozentpunkte (95%-KI -2,17 bis -0,50; p = 0,002) und beim kardiovaskulären Risiko auf -1,82 Prozentpunkte (95%-KI -3,13 bis -0,50; p = 0,007; Abb. B). Über den Beobachtungszeitraum von drei Jahren führte die intensive LI kumulativ zu einer höheren Konversionsrate zu normaler Glucosetoleranz als die konventionelle LI (Hazard Ratio [HR] 1,57; 95%-KI 1,17–2,1; p = 0,003). In der LR-Gruppe hatten die Individuen, die eine konventionelle LI vollzogen, eine höhere Chance für das Erreichen einer normalen Glucosetoleranz in den drei Jahren als diejenigen, die ihren Lebensstil nicht änderten (HR 2,02; 95%-KI 1,18–3,43; p = 0,01).
FAZIT: Die Studienergebnisse zeigen, dass eine auf den Risikophänotyp zugeschnittene Lebensstilintervention für die Diabetesprävention vorteilhaft ist. Zu einer erfolgreichen Prävention gehört insbesondere, Hochrisikopatienten zu identifizieren und diese vom Benefit einer intensiven LI zu überzeugen bzw. bei der Umsetzung zu unterstützen.
Der Autor
Prof. Dr. med. Andreas Fritsche
Stellvertretender Leiter des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen
Fritsche A et al., Diabetes 2021; https://doi.org/10.2337/db21-0526
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