- Anzeige -
Allgemeinmedizin

Zeckenstich

Doxycyclin zur Prophylaxe gegen Lyme-Borreliose?

Doxycyclin zur Prophylaxe?

25.3.2023

Doxycyclin ist – neben Amoxicillin – Antibiotikum der Wahl zur Behandlung der Lyme-Borreliose. Um nach einem Zeckenstich gleich das Risiko für die Entwicklung einer Lyme-Borreliose zu senken, könnte sich die prophylaktische Einmalgabe von 200 mg Doxycyclin als hilfreich erweisen.

Meistens tritt bei einer Lyme-Borreliose zunächst ein Erythema migrans auf, was oft mit allgemeinen Krankheitssymptomen einhergeht und i. d. R. nach zehn Wochen abheilt. Durch hämatogene und lymphogene Streuung können die Erreger jedoch in alle Bereiche des Organismus gelangen. Und es sind nicht wenige, die eine Lyme-Borreliose entwickeln: 2021 wurde in Deutschland bei 325 000 gesetzlich Krankenversicherten eine Borreliose diag­nos­tiziert. Das entspricht 442 Erkrankte pro 100 000 GKV-Versicherte.

Labordiagnostik greift erst spät

Die Diagnostik einer Lyme-Borreliose beruht in erster Linie auf klinischen Zeichen. Denn erst in fortgeschrittenen Stadien ist die serologische Testung valide. So sind die IgM-Antikörper ab der dritten Woche positiv. Aufgrund dieser diagnostischen Lücke erfolgt ggf. eine Wiederholung der Untersuchung nach drei bis vier Wochen. Der IgG-Antikörperan­stieg beginnt ab der sechsten Woche. Durch den Einsatz des VlsE- bzw. C6-Peptids als Testantigen lassen sich IgG-Antikörper mittlerweile früher nachweisen. Bei den Spätmanifestationen finden sich i. d. R. nur hohe IgG-Antikörperkonzentrationen. Bei fortgeschrittener Infektion ist ein Borrelien-Nachweis per PCR aus der Gelenkflüssigkeit möglich. Da die DNA von Borrelien auch noch Wochen nach einer Therapie persistieren kann, beweist die PCR keine aktive Gelenkinfektion. Die Sensitivität der PCR im Liquor ist deutlich geringer als in der Gelenkflüssigkeit.

Nerven, Herz und Gelenke betroffen

Die Symptome einer Lyme-Borreliose können je nach betroffenem Organsystem und Stadium vielfältig und schwerwiegend sein. Die häufigste Manifestationsform bei Erwachsenen bei früher Neuroborreliose ist das Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom (Meningoradikuloneuritis) mit segmentalen brennenden, bohrenden, beißenden oder reißenden Schmerzen wechselnder Lokalisation, die nur gering auf Analgetika ansprechen. Bei etwa 75 % der Betroffenen entwickeln sich nach ein bis vier Wochen neurologische Ausfälle, z. B. Fazialisparesen.

Auch das Herz kann von der Borrelien-Infektion in Mitleidenschaft gezogen werden. Bei bis zu 8 % der Patienten kann es innerhalb einiger Wochen nach Erkrankungsbeginn zur kardialen Beteiligung kommen (Lyme-Karditis), meist mit diffuser Symptomatik wie bei einer akuten Myoperikarditis. Diese Symptome klingen oft nach ein paar Wochen ab, können aber rezidivieren.

Des Weiteren kommt es bei der Lyme-Borreliose häufig zu Myalgien und Arthralgien (frühe/flüchtige Lyme-Arthritis), die wandernd in den Gelenken, Sehnen, Bursen, Muskeln oder Knochen und i. d. R. ohne Schwellung auftreten. Häufig hält der Schmerz Stunden oder Tage an. Schreitet die Erkrankung weiter fort (spätes disseminiertes Stadium, Stadium 3), kann sich eine chronische Lyme-Arthritis entwickeln. Die Lyme-Arthritis ist eine Mono- oder Oligoarthritis der großen Gelenke, vor allem des Kniegelenks, die Wochen bis Monate anhalten kann.

Lyme-Borreliose-Prophylaxe kontrovers

Um diesen Auswirkungen der Borrelien-Infektion entgegenzuwirken, ist eine möglichst frühe Behandlung mit Antibiotika – vor allem Doxycyclin – Mittel der Wahl. Doch taugt es als Prophylaktikum? Nach älteren US-amerikanischen Studien kann das Infektionsrisiko durch einmalig 200 mg Doxycyclin oral nach dem Zeckenstich vermindert werden (Wirksamkeit von 87 %).

Nach Ansicht der Autoren der Leitlinie zur Neuroborreliose der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ist dies mit Vorbehalt zu interpretieren. Es habe lediglich eine Nachuntersuchung nach sechs Wochen stattgefunden, sodass über eine Wirksamkeit im Hinblick auf Spätinfektionen bisher keine Aussage gemacht werden könne. Angesichts des geringen Erkrankungsrisikos müsste eine Vielzahl von unnötigen Doxycyclin-Einnahmen in Kauf genommen werden, um einer potenziellen Infektion vorzubeugen. Nach Hochrechnungen auf Infektionsrisiken in Endemiegebieten müssten 40–125 Prophylaxen durchgeführt werden, um eine Erkrankung zu verhindern. Auswirkungen auf die Darmflora und eventuelle Resistenzentwicklungen bei häufiger Prophylaxe sind denkbar. Deshalb sei die orale Doxycyclin-Prophylaxe in Europa nicht empfehlenswert. Dieser Meinung schlossen sich 2019 auch die Autoren der französischen Leitlinien an. Hingegen empfahlen 2020 die US-amerikanischen Fachgesellschaften der Rheumatologen, Neurologen und Infektiologen die Einzeldosis Doxycyclin nach Zeckenstich.

Um hier Klarheit zu schaffen, untersuchten chinesische Wissenschaftler mittels einer aktuellen Metaanalyse die Wirksamkeit einer Antibiotikaprophylaxe zur Prävention einer Lyme-Borreliose.

Antibiose vs. Standard

Eingeschlossen wurden Studien, bei denen die Teilnehmer innerhalb von 72 Stunden nach einem Zeckenstich randomisiert einer Behandlungs- oder Kontrollgruppe zugewiesen worden waren und zum Zeitpunkt des Einschlusses keine klinischen Anzeichen einer Borreliose aufwiesen. Die Epidemiologen der Universität Kunming filterten sechs große Studien mit insgesamt 3 766 Teilnehmern heraus. Aus dem Datenmaterial errechneten sie das Risikoverhältnis (RR) für die Raten ungünstiger Ereignisse (z. B. Lyme-Borreliose oder Erythema migrans) bei Patienten, die Antibiotika erhielten, im Vergleich zur jeweiligen Kontrollgruppe mit antibiotikafreier Standardtherapie, d. h. Zeckenentfernung.

Mit Antibiotika besser als ohne

Für alle oralen Antibiotika-Interventionen: In der Gruppe mit oraler Antibiose erlitten 0,2 % ein ungünstiges Ereignis (95%- Konfidenzintervall [KI] 0,0–1,0 %), in der Kontrollgruppe waren es 2,5 % (95%-KI 1,7–3,5 %); gepooltes RR: 0,29 (95%-KI 0,15–0,57). In der Subgruppe der Patienten, die ein Antibiotikum über zehn Tage erhielten, kam es zu keinem ungünstigen Ereignis, bei den Kontrollen hingegen bei 1,3 % (95%-KI 0,3–2,9 %); gepooltes RR: 0,28 (95%-KI 0,05–1,67).

Günstig: 1 x 200 mg Doxycyclin

Wurden nur die Patienten, die eine Einzeldosis mit 200 mg Doxycyclin erhalten hatten, mit den Kontrollen verglichen, ergab sich eine gepoolte Ereignisrate von 0,8 % (95%-KI 0,4–1,4 %) vs. Kontrolle mit 3,0 % (95%-KI 2,0–4,2 %). Das entspricht einem gepoolten RR von 0,29 (95%-KI 0,14–0,60). Nach Ansicht der chinesischen Forscher sprechen die vorliegenden Erkenntnisse für Antibiotika zur Vorbeugung von Borreliose. Jedoch sollte dies auf gefährdete Patienten beschränkt werden (z. B. wenn Zecken bereits länger als 36 Stunden in der Haut stecken).

Antikörpernachweis/Testsensitivität bezogen auf Krankheitsstadium

Literatur bei der Redaktion

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt