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Allgemeinmedizin

Kopfschmerzen

Adhärenz in der Schmerzbehandlung

Anna-Lena Guth, Dr. phil. Thomas Dresler

6.6.2025

Die in Leitlinien empfohlenen evidenzbasierten medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapieoptionen bringen wenig, wenn die Adhärenz gering ist. Deswegen ist die Kenntnis von Faktoren wichtig, welche die Adhärenz fördern.

Statt von „Compliance“ spricht man nun von ­„Adhärenz“. Ersteres beschrieb das gefügige Befolgen von Therapieempfehlungen seitens der Erkrankten. „Adhärenz“ bedeutet hingegen ein gemeinsam mit den Betroffenen abgestimmtes therapeutisches Vorgehen [1], was heutzutage auch die „Therapeutenadhärenz“ beinhaltet, also das Befolgen geltender Therapie- und Leitlinienstandards durch die Behandelnden [2]. Eine geringe Adhärenz kann sowohl ein Zuwenig einer Therapieoption bedeuten (z. B. unregel­mäßige Umsetzung von Entspannung) als auch ein Zuviel (Risiko eines Kopfschmerzes durch Medikamentenübergebrauch).

Die Adhärenz bei Kopfschmerzerkrankungen ist sowohl bei akuter als auch prophylaktischer Behandlung gering, schwankt aber je nach Adhärenzdefinition und Messmethode [3]. Methoden zur Adhärenzmessung umfassen u. a. Tagebücher, validierte Fragebögen, ­Bezug von Medikation, Termineinhaltung, Selbstbericht im Kontakt oder technische Nutzungsdaten [4].

Einflussfaktoren auf die Adhärenz sind u. a. die ausbleibende/ungenügende Wirkung bzw. Nebenwirkungen von Therapieoptionen sowie Nocebo-Effekte. Selbst die gute Wirkung einer Therapieoption kann zu einer Adhärenzabnahme führen, da das Problem erst einmal behoben scheint. Gewisse Grundannahmen bzw. -überzeugungen, i. S. spezifischer Erwartungen an Therapieoptionen („Pillen bringen doch nichts“) und die eigene Selbstwirksamkeit („Ich bin robust“), sind ebenso zu berücksichtigen wie real existierende Hemmfaktoren (Verfügbarkeit bzw. Zugänglichkeit von Therapieoptionen).

Maßnahmen zur Adhärenzförderung beinhalten daher ressourcenstärkende Punkte wie Edukation, Motivational Interviewing [5] oder eine Optimierung der Zusammenarbeit über die Vereinfachung der Einnahme oder eine Verbesserung der Patienten-Behandler-Beziehung [3].

Gerade nichtmedikamentöse Interventionen beinhalten mitunter komplexe Verhaltensweisen (z. B. mehrmals pro Woche Entspannungsverfahren üben). Wenn „therapeutische Hausaufgaben” sinnvoll sind, sollte besprochen werden, ob überhaupt Gelegenheit dazu besteht; die Schwierigkeit sowie der Umfang sollten entsprechend angepasst sein. Auch die Erhöhung der Awareness unter den Behandelnden und die Optimierung der Praxisorganisation (Termine, Folgerezepte) sind Ansatzpunkte.

Im Patientenkontakt sind folgende Punkte bezüglich Therapietreue zu beachten [6]:

1. Information: Für Erkrankte ist es wichtig, ihnen ihre Beschwerden und möglichen Therapieoptionen zu erklären [7]. Empfehlenswert ist, Inhalte interaktiv zu erarbeiten, Informationen zu strukturieren und zu wiederholen, wenig Fachjargon zu verwenden sowie eine realistische Einschätzung abzugeben, wann mit einem Effekt gerechnet werden kann.

2. Feedback: Es sollte sichergestellt werden, ob Informationen richtig verstanden wurden, da nur so eine korrekte Anwendung der Therapieoptionen im ­Alltag erfolgen kann. Im Vorfeld der Behandlung könnten folgende Fragen sinnvoll sein: „Haben Sie noch Fragen?“, „Sollen wir das mal so machen/ausprobieren?“, „Soll ich Ihnen diese Behandlung/­dieses Medikament verschreiben?“, „Welche Informationen benötigen Sie noch?“, „Soll ich das Vorgehen noch einmal kurz zusammenfassen?“

Im Zuge der weiteren Behandlung sind folgende Fragen sinnvoll: „Wie hat es mit der Entspannung geklappt?“, „Konnten Sie die Maßnahmen wie besprochen umsetzen?“, „Wo gab es Schwierigkeiten?“

3. Unterstützung: Zeitliche Begrenzungen bringen internet- und mobilbasierte Interventionen ins Spiel. Viele Apps dokumentieren und fördern ­gesundheitsrelevantes Verhalten (z. B. die kostenfreie DMKG-App [8]). Von den kostenpflichtigen Angeboten sind einige verordnungsfähig [9]. Hilfreich kann auch das Hinzuziehen psychologischer Psychotherapieexpertise (etwa Verhaltenstherapie) sein. Hierbei kann die Krankheitsbewältigung durch Initiierung und Aufrechterhaltung spezifischer Verhaltensweisen (z. B. regelmäßige Bewegung) gefördert werden, der Aufbau von Selbstregulation (z. B. Verbesserung der Motivation) und der Abbau von hemmenden Faktoren (z. B. ­Defizite in der Emotionswahrnehmung) nehmen hierbei eine wichtige Rolle ein.

Die Umsetzung von Therapieempfehlungen stellt hohe Anforderungen an die Selbstregulationsfähigkeit von Schmerzerkrankten. Mangelnde Adhärenz kann zur Chronifizierung von Schmerzen beitragen. Essenzielle Maßnahmen zur Förderung von Therapietreue sind ­Edukation sowie das Einholen von Feedback. Zur Unterstützung sollten digitale Tools und/oder eine Psychotherapie empfohlen werden.

Die Autorin

Dipl.-Psych. Anna-Lena Guth
Psychologische Psychotherapeutin
Spezielle Schmerzpsychotherapie
Supervisorin
Kopfschmerzzentrum Frankfurt

a.guth@kopfschmerz-frankfurt.de

Der Autor

Dr. phil. Thomas Dresler
Diplom-Psychologe
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Tübingen

thomas.dresler@med.uni-tuebingen.de

  1. WHO. Adherence to long-term therapies: evidence for action. Geneva: World Health Organization; 2003
  2. Linden M, Hautzinger M. Therapeutische Kompetenz und Adhärenz. In: Linden M, Hautzinger M, editors. Verhaltenstherapiemanual – Erwachsene. Springer Berlin Heidelberg 2022; p. 29–36
  3. Seng EK et al., Curr Pain Headache Rep 2015; 19: 24
  4. Ramsey RR et al., Headache 2014; 54: 795–816
  5. Minen MT et al., Headache 2020; 60: 441–56
  6. Klan T et al., MMW Fortschr Med 2023; 165: 61–4
  7. von Wachter M, Hendrischke A. Psychoedukation bei chronischen Schmerzen. Springer Berlin Heidelberg 2021
  8. Ruscheweyh R et al., J Headache Pain 2022; 23: 74
  9. www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Aufgaben/DiGA-und-DiPA/DiGA/_node.html
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Bildnachweis: privat

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