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Onkologie

Diagnostik und Therapie

Darmmikrobiom bei Krebs – Teil 4

Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt

Da bei onkologischen Patienten aufgrund von medikamentösen Therapien mit Zytostatika, Antibiotika etc. sowie Radiotherapien das Darmmikrobiom häufig beeinträchtigt ist, empfiehlt sich der Wiederaufbau einer gesunden Darmflora. Zumal belegt ist, welche Nachteile ein dysfunktionales Darmmikrobiom nach sich ziehen kann.

Zur Wiederherstellung einer ausgeglichenen Darmflora ist eine Darmsanierung geeignet, die ­üblicherweise mit einer Reinigung des Darmes startet. Diese erfolgt mithilfe spezieller Abführmittel oder Einläufe. Es können unter anderem Bitter- oder Glaubersalze oder medizinische Kohle verwendet werden. Anschließend wird die Darmflora mit Probiotika wiederaufgebaut. Damit eine Ansiedlung von Mikroorganismen im Darm bei onkologischen Patienten mit geschädigter intestinaler Mukosa überhaupt möglich ist, empfiehlt sich zunächst eine Kur mit Schleimhauttherapeutika. Diese enthalten keine lebenden Mikroorganismen, sondern mukosastärkende, antiinflammatorische sowie immunmodulierende Inhaltsstoffe zur Regeneration der entzündeten Darmschleimhaut. So werden u. a. Extrakte mit Stoffwechselprodukten (wie Aminosäuren) aus speziellen Bakterienstämmen, z. B. von Escherichia coli, oder natürliche Darmbakterien, z. B. Enterococcus faecalis und Escherichia coli, in inaktivierter Form in der Schleimhauttherapie eingesetzt. Bei entzündeter intestinaler Mukosa hat sich auch ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel aus Kaffeekohle, Kamille und Myrrhe bewährt. Unterstützt werden kann die Schleimhautregeneration mit Ingwer- oder grünem Tee.

Probiotika in der Praxis

Für den Wiederaufbau einer gesunden Darmflora sind fermentierte Lebensmittel wie Joghurt, Sauerkraut, Kefir oder Kimchi geeignet. Sie enthalten probiotische Milchsäurebakterien und sind kühl zu lagern. Allerdings enthält in Dosen und Gläsern abgepacktes Sauerkraut aus dem Supermarkt keine lebenden Milchsäurebakterien, da es in den meisten Fällen pasteurisiert wurde. Empfehlen Sie Ihren Patienten, selbst Lebensmittel zu fermentieren oder traditionell hergestellte Produkte zu kaufen. Zudem gibt es Probiotika in Pulver- oder Kapselform sowie als Tabletten oder Trinkampullen. Sie sind als mikrobiologische Arzneimittel oder probiotische Nahrungsergänzungsmittel verfügbar und enthalten lebende Bakterien- oder auch Hefestämme (z. B. Bifidobakterien, Laktobazillen, Escherichia-coli-Stämme oder Enterokokken). Bei Anwendung von probiotischen Pulvern müssen die kryokonservierten Mikroorganismen zumeist durch Rühren in Wasser aktiviert und mindestens eine Minute stehen gelassen werden, bevor die Suspension getrunken werden kann. Um den Anteil vitaler Probiotika zu erhöhen, sollten die Mikroorganismen in ausreichender Menge verabreicht werden. Von Vorteil sind bei einmal täglicher Gabe mindestens fünf Milliarden koloniebildende Einheiten (KE). Viele probiotische Nahrungsergänzungsmittel zur Darmsanierung enthalten mehrere unterschiedliche Phyla an Bakterien bzw. Hefen, da häufig eine generelle Abnahme der Artenvielfalt zur Dysbiose geführt hat. Zudem ist die Überlebensrate der oral verabreichten Mikroorganismen umso größer, je weniger sie Magen- und Gallensäure ausgesetzt sind. Daher kann die Einnahme in Abhängigkeit von den Mahlzeiten die Überlebensrate beeinflussen. Je nach Präparat sollten die Patienten ihr Probiotikum bis zu 30 Minuten vor oder direkt zu den Mahlzeiten einnehmen. Ungünstig wirkt sich die Einnahme nach dem Essen aus, da die Konzentration der Verdauungssäfte dann am höchsten ist. Besondere galenische Formulierungen können jedoch die Darmmikroorganismen vor der Magen- und Gallensäure schützen. Solche magen- und gallensaftresistenten Probiotika können unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden.

Gezielte Zufuhr von speziellen Ballaststoffen

Des Weiteren kann die Überlebensrate der zugeführten Darmmikroorganismen durch Zugabe von speziellen Ballaststoffen (Präbiotika) erhöht werden, da sie die Nahrung der Probiotika darstellen. Zur Darmsanierung werden z. B. Inulin, resistente Stärke, ­Galacto- bzw. Fructo-Oligosaccharide oder Lactulose eingesetzt. Präbiotisch wirksam sind Lebensmittel mit hohem Gehalt an löslichen Ballaststoffen. So enthalten z. B. Hülsenfrüchte, Weizen, Chicorée, ­Artischocke, Schwarzwurzel, Lauchgewächse oder Spargel reichlich Inulin und Oligofruktose. Daher sollten Sie Ihren Patienten für die Wiederherstellung einer gesunden Darmflora zu einer Umstellung auf eine faserreiche Ernährung mit viel Gemüse und Obst sowie einer Trinkmenge von mindestens zwei Litern täglich raten. Laut Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollte eine gesunde Ernährung täglich mindestens 30 Gramm Ballaststoffe enthalten. Oft werden für eine Darmsanierung auch Präparate eingesetzt, die Prä- und Probiotika miteinander kombinieren (Synbiotika). Häufig sind in den Produkten zudem Mikronährstoffe wie Vitamin C, D3 und/oder Zink zur Unterstützung einer gesunden Funktion des Immunsystems oder B-Vitamine zum Erhalt normaler Schleimhäute enthalten.

Mikronährstoffe und pflanzliche Polyphenole

Mikronährstoffe spielen eine wichtige Rolle für das Darmmikrobiom, denn Vitamine und Mineralstoffe regulieren den Energiestoffwechsel, das Wachstum und die Differenzierung von Zellen sowie die Immunfunktionen. Eine Vielzahl an Vitaminen werden von intestinalen Mikroorganismen synthetisiert. Dazu gehören u. a. die B-Vitamine sowie Vitamin K. Auf der anderen Seite profitiert das Mikrobiom von ausreichenden Mikronährstoffspiegeln. So beeinflusst Vitamin D3 das Darmmikrobiom positiv, indem es zur Vermehrung potenziell vorteilhafter Bakterienstämme beiträgt. Carotinoide wie Lutein können signifikant das Wachstum von Bifidobakterien und Laktobazillen fördern, was Bacteroides spp. und Clostridium spp. mit tendenziell gesundheitsschäd­lichen Effekten jedoch verhindern. Im gegenseitigen Wechselspiel kann die Zusammensetzung der Darmmikrobiota die Serum-Carotinoidspiegel beeinflussen.

Gegenseitige Wechselwirkungen bestehen auch ­zwischen pflanzlichen Polyphenolen und dem Darmmikrobiom. Es konnte gezeigt werden, dass diese Pflanzeninhaltsstoffe zu einem gesteigerten Vorkommen von vorteilhaften Darmbakterien führen. So hemmt das reichlich in Kapern, Liebstöckel, Zwiebeln, Tee oder Heidelbeeren enthaltene Quercetin z. B. das Wachstum von Bakterienspezies, die mit Adipositas assoziiert sind (Erysipelotrichaceae, ­Bacillus spp. und Eubacterium cylindroides). Anthocyane aus der Aronia, der Holunderbeere oder roten Trauben stimulieren signifikant das Wachstum von Bifidobakterien, Laktobazillen sowie Enterokokken und könnten demnach an der Selektion von Bakterienarten mit positivem Einfluss beteiligt sein. ­Demzufolge besitzen pflanzliche Polyphenole möglicherweise präbiotische Effekte und könnten das Wachstum von vorteilhaften Bakterien fördern, das von pathogenen Arten jedoch hemmen. Gleichzeitig können Darmmikrobiota die Umwandlung phenolischer Substanzen in kleinere Metabolite und somit deren Bioverfügbarkeit und Eigenschaften beeinflussen. So modulieren intestinale Mikroorganismen die Bioverfügbarkeit von oligomeren Proanthocyanidinen (OPC, z. B. in Traubenkernen enthalten), die lokal vorteilhafte Effekte auf intestinale Epithelzellen ausüben und vor entzündungsbedingten Erkrankungen einschließlich kolorektaler Karzinome schützen. Das aus dem Rhizom der Kurkuma gewonnene Curcumin ist ein weiteres Polyphenol mit gesundheitsförderlichen Eigenschaften. Es besitzt antiinflammatorische, antioxidative, schmerzlindernde und antineoplas­tische Eigenschaften. In einer placebokontrollierten Studie zur vierwöchigen Anwendung von Curcumin konnte gezeigt werden, dass die Anzahl der nützlichen Darmbakterien deutlich zunahm.

Omega-3-Fettsäuren stärken das Mikrobiom

Darüber hinaus können Omega-3-Fettsäuren das Darmmikrobiom positiv beeinflussen. So zeigte eine Analyse zu Daten von 876 Zwillingen, dass Omega-3- Fettsäuren in der Ernährung mit einer größeren Bakteriendiversität assoziiert waren, unabhängig von faser­reicher Nahrung.  In einer Studie zur Supplementation von Omega-3-Fettsäuren wurde die Zunahme von Bakteriengattungen, die antiinflammatorische und immunmodulierende kurzkettige Fettsäuren (short chain fatty acids, SCFA) produzieren, beobachtet.  Aufgrund ihrer positiven Effekte auf das Darmmikrobiom werden Omega-3-Fettsäuren präbiotische Eigenschaften zugeschrieben. Eine ausreichende Versorgung (mind. 1 g/Tag) ist daher empfehlenswert, zumal vor allem onkologische Patienten von weiteren gesundheitsförderlichen Effekten profitieren. So kann z. B. eine Ernährung reich an antiinflammatorischen Omega-3-Fettsäuren die Gesamtmortalität bei Patientinnen nach Brustkrebs senken.

Lebensstil und Ernährungsform

Für den Wiederaufbau einer gesunden Darmflora ist es wichtig, begleitend die Ernährung und den Lebensstil anzupassen. Denn bei vielen onkologischen Patienten ist das Darmmikrobiom nicht nur durch Radio- und/oder Pharmakotherapien beeinträchtigt. Dysbiosen können sich auch langfristig durch unausgewogene Ernährung und Bewegungsmangel entwickeln. So verringert die westliche fett- , fleisch- und zuckerbetonte Ernährungsweise die Zahl der Bakterienarten im Darm (Abb.). Hinzu kommen Lebensmittelzusatzstoffe, die die Darmgesundheit beeinträchtigen.  Der durch faserarme Ernährung bedingte Rückgang des Mikrobioms scheint jedoch reversibel durch Ernährungsum­stellung. Doch welche Form der Ernährung ist tatsächlich darmfreundlich? Nach aktuellem Stand spricht viel für die mediterrane Ernährung. Die traditionelle ­Mittelmeerküche ist reich an Gemüsen, Früchten, ­Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide sowie gesunden Fetten aus ­Olivenöl und Nüssen. Zudem ist Fisch als bedeutende Quelle für Omega-3-Fettsäuren ­typisch für die mediterrane Küche. Es wurde beobachtet, dass diese Ernährungsweise zur Prävention vieler Erkrankungen, z. B. von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, metabolischem Syndrom, kognitiven Einschränkungen und Depressionen, beitragen kann. Neben diesen vielfältigen gesundheitsförderlichen Effekten konnten auch positive Effekte auf die Darmflora festgestellt werden. Die mediterrane ­Ernährung erhöht zudem die Spiegel an antiinflammatorischen sowie immunmodulierenden SCFA. Im Rahmen des NU-AGE-Projektes wurde der Einfluss der mediterranen Ernährung auf das Darmmikrobiom bei älteren Patienten untersucht. Nach einem Jahr zeigten sich eine gesteigerte SCFA-Konzentration und ein positiver Effekt auf die Darmgesundheit.

Fazit:

Der Wiederaufbau einer gesunden Darmflora ­erfordert gerade bei onkologischen Patienten ein langfristiges Vorgehen. Dabei ist die Einnahme von Prä- und Probiotika über mindestens zwei bis drei Monate erforderlich. Zudem sollten die Patienten ihre Ernährung dauerhaft auf eine faserreiche Form umstellen, z. B. auf die mediterrane Ernährung. Nicht nur für die Darmgesundheit empfiehlt es sich, onkologische Patienten zu einem gesünderen Lebensstil zu motivieren, da sie von diversen positiven Effekten profitieren können.

Die Autorin

Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt
Wissenschaftliche
Autorin & Referentin
18439 Stralsund

info@phar-med.de
www.phar-med.de

Literatur bei der Autorin

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