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Allgemeinmedizin

Cluster-Kopfschmerz

Nicht häufig, aber wichtig

PD Dr. med. Ruth Ruscheweyh

Cluster-Kopfschmerz ist eine primäre Kopfschmerzart, die jeder Arzt kennen sollte. Warum? Cluster-Kopfschmerz-­Attacken sind extrem schmerzhaft, mit einer massiven Beeinträchtigung der Lebensqualität assoziiert, bis hin zum Suizid, und oft gut behandelbar. Cluster-Kopfschmerz ist fast so häufig wie Multiple Sklerose (0,1 % der Bevölkerung).

Ist einem das Krankheitsbild „Cluster-Kopfschmerz“ bekannt, gestaltet sich die Diagnosestellung sowie  die ­Abgrenzung von der viel häufigeren Migräne meist einfach (Tab.). Betroffen sind überwiegend Männer (ca. 3 : 1). Die Attacken treten i. d. R. auf derselben Seite des Kopfes auf. Die Dauer ist verglichen mit Migräneattacken kurz (unbehandelt 15 Minuten bis 3 Stunden, meistens 1–1,5 Stunden). Der Schmerz wird v. a. hinter dem Auge, periorbital und temporal empfunden, steigert sich innerhalb von Minuten zu oft extrem starker Intensität ­(Gefühl, mit dem Kopf gegen die Wand rennen zu müssen). Während der Attacke haben die Patienten (nur) auf der Seite des Schmerzes trigeminoautonome Zeichen (am häufigsten Augentränen, aber auch Augenrötung, ­Nasenlaufen oder nasale Kongestion, geschwollenes Augenlid sowie eine Miosis kommen vor). Zudem besteht eine Unruhe, oft ein Bewegungs­drang. ­Cluster-Kopfschmerzen mit Seitenwechsel der ­Attacken sind sehr selten (im Gegensatz zur Migräne, wo das typisch ist). Es können pro Tag mehrere ­Attacken vorkommen, auch nächtliche Attacken sind häufig, oft zu festen Uhrzeiten. Der häufigere episodische Cluster-Kopfschmerz tritt in Episoden („Clustern“) von meist mehreren ­Wochen Dauer auf, mit einer Attackenhäufigkeit von 0,5–8 Attacken/Tag, getrennt von Pausen, die Monate bis Jahre dauern können. Die Episoden treten oft im Frühjahr oder Herbst auf. Der chronische Cluster-Kopfschmerz ist durch ­Attacken für > 1 Jahr ohne eine mindestens drei­monatige Pause gekennzeichnet. Er kann sich aus dem episodischen Cluster-Kopfschmerz entwickeln. Sehr viele Cluster-Kopfschmerz-Patienten sind ­Raucher. Der Zusammenhang ist ursächlich nicht geklärt. ­Alkohol löst bei vielen Patienten in der ­Episode Cluster-Kopfschmerz-Attacken aus. Zur Diagnosestellung gehört eine unauffällige neurologische Untersuchung und eine MR-Bild­gebung des ­Schädels. Retroorbitale Prozesse, eine Sinusitis ­ethmoidalis und möglicherweise auch Hypophysentumoren können Cluster-Kopfschmerzen ­imitieren. Bei erstmaligen einseitigen Kopfschmerzen mit Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis) muss an eine Dissektion der A. carotis interna gedacht werden, starke retroorbitale Schmerzen können auch auf einen ­akuten Glaukomanfall hinweisen. In vielen Fällen wird sich eine neurologische Vorstellung zur Diagnosesicherung anbieten.

Attackentherapie


Zur Kupierung der akuten Attacke eignen sich Sauerstoff und schnell wirkende Triptane. Sauerstoff soll in hoher Dosis (12 l/min) über eine Non-Rebreather-Maske für 20 Minuten angewendet werden, dies kann zur häuslichen Anwendung verschrieben werden. Bei den Triptanen sind subkutane/nasale Formulierungen notwendig, da der Wirkeintritt bei den oralen Formen zu langsam ist. Infrage kommen Sumatriptan 3 mg oder 6 mg s.c. sowie Zolmitriptan 5 mg nasal, die meist innerhalb von 5–15 Minuten wirken.

Kurzzeitprophylaxe


Zur Überbrückung von kurzen Episoden oder des Zeitraums bis zur Wirkung eines klassischen Prophylaktikums kann ein Cortisonstoß eingesetzt werden, z. B. 100 mg Prednison für fünf Tage morgens, ausschleichend über weitere zehn Tage, unter Magenschutz. Vorübergehend kommt auch ein lang wirksames orales Triptan (z. B. Naratriptan oder Frova­triptan) zur Nacht infrage.

Langzeitprophylaxe


Für längere Episoden und chronische Cluster-Kopfschmerzen kommt die Langzeitprophylaxe infrage, mit dem Ziel, Häufigkeit und Intensität der Attacken zu reduzieren. Am besten wirksam ist Verapamil, das z. B. mit 2 x 60 mg retard begonnen werden kann und alle 3–4 Tage gesteigert wird bis zunächst 240–360 mg tgl., oft werden aber auch höhere ­Dosen benötigt (manchmal bis 960 mg tgl.). Engmaschige Kontrollen von Blutdruck, Puls und EKG sind in der Aufdosierungsphase notwendig. Zu achten ist insbesondere auf eine Bradykardie und einen AV-Block. Alternativ können Topiramat (bis 200 mg/Tag) und Lithium (Zielspiegel: 0,6–0,8 mmol/l) eingesetzt werden. Lithium hat eine enge therapeutische Breite, die Patienten müssen regelmäßig und reichlich trinken, Laborkontrollen sind v. a. am Anfang engmaschig erforderlich.
In therapierefraktären Fällen ist ein Off-Label-Versuch mit dem CGRP-Antikörper Galcanezumab zu erwägen (nach Einzelfallantrag). Auch Neurostimulationsverfahren können versucht werden (Vagus-Nerv-Stimulation, Stimulation des Ganglion sphenopalatinum, ­Okzipitalnerv-Stimulation). Bei den episodischen ­Formen soll das prophylaktische Medikament nach Ende der Episode wieder ausgeschlichen werden.
Mehr praxisrelevantes Wissen finden Fachkreise auch online im Migräne- und Kopfschmerz-Guide unter www.mk-guide.org, einem Projekt der DMKG-Initiative „Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen“. Dieser und weitere


Artikel sind aufrufbar unter www.der-privatarzt.de/themen-spezial-kopfschmerz.

DIE AUTORIN

PD Dr. med. Ruth Ruscheweyh
Zertifizierte
DMKG-Kopfschmerz­expertin
Neurologische Klinik und Poliklinik
Ludwig-Maximilians-
Universität München

ruth.ruscheweyh@med.uni-muenchen.de

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