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Brustkrebsmonat

Mammografie, Pathologie, Therapie

Mammakarzinom und der Einsatz Künstlicher Intelligenz

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

20.10.2023

Machine Learning und Künstliche Intelligenz haben das Potenzial, Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms noch weiter zu verbessern. Ob Mammografie, Pathologie oder Therapie: Die ersten Studiendaten liegen vor und sie sind vielversprechend.

Die Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde, seit der Chatbot ChatGPT Ende 2022 für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich wurde. Aber KI ist nicht gleich KI. Wenn heute von KI gesprochen wird, geht es fast immer um „Machine Learning“ (maschinelles Lernen, ML), und dort um tiefe künstliche neuronale Netze (Deep Learning, DL).

Künstliche Systeme lernen aus Beispielen und können nach einer sogenannten Trainingsphase diese nachfolgend verallgemeinern – das ist ML. Es wird also nicht „auswendig gelernt“, sondern es werden in den Datensätzen Muster und Regelmäßigkeiten erkannt – also Generierung von Wissen aus Erfahrung. Mithilfe von selbstlernenden Algorithmen erfolgt die praktische Umsetzung. Mögliche Anwendung in der Medizin sind automatisierte Diagnoseverfahren – wie in der Mammografie, dazu gleich mehr.

Zitat: eine trainierte KI erkennt in den Datensätzen Muster und Regelmäßigkeiten

Deep Learning ist ein fortgeschrittener Teilbereich des Machine Learnings und nutzt neuronale Netze, d. h., das menschliche Gehirn dient als Vorbild. Diese neuronalen Netze bestehen aus einer Eingangsschicht, einer Ausgangsschicht und mehreren verdeckten Schichten. Das Wissen des neuronalen Netzes wird in den Verbindungen zwischen den Neuronen gespeichert. Das vorhandene Wissen kann repetitiv mit weiteren Inhalten optimiert werden – das System lernt also dazu.

Letztlich ist die Maschine in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Und durch die Nutzung von ChatGPT wissen wir, dass die KI uns in vielen Dingen unterstützen kann. Wir haben aber auch gelernt, dass der Chatbot durchaus auch fabuliert und es mit den Fakten immer ganz genau nimmt. Das schränkt den praktischen Nutzen durchaus noch ein und bedingt – nicht nur in der Medizin – eine ethische Diskussion.

KI und Tumorboard Hand in Hand

Beim Krebskongress 2022 beschäftigte sich eine Session mit der Frage, wie Künstliche Intelligenz die onkologische Versorgung unterstützen kann [1]. Auf Basis von diagnostischen und genomischen Daten machen Computer Vorschläge, die dann im Tumorboard besprochen werden – etwa zur Frage Chemotherapie vs. Antihormontherapie.

Auch beim nächsten Schritt, der Kontrolle des Therapieansprechens im Zuge einer Systemtherapie, hat KI das Potenzial, die Behandler zu unterstützen. Durch eine gezielte Größenmessung bekannter Läsionen mit einem direkten Vergleich mit Voruntersuchungen könnte die Überwachung der Response, z. B. auf die neoadjuvante Therapie, vereinfacht werden [2].

Weit fortgeschritten ist der Einsatz von KI bereits in der Pathologie. Aufgaben zur quantitativen ­Analyse von Genexpressionen beispielsweise kann man sehr gut an eine KI mit morphometrischen Verfahren delegieren. Die Ergebnisse entsprechen mittlerweile denen der besten menschlichen ­Pathologen – und das System steht rund um die Uhr zur Verfügung.

Unterstützung beim Mammografiescreening

Auch beim Mammografiescreening geht es um die Erkennung von Mustern. Die korrekte Interpretation der mammografischen Bilder war bislang von der Erfahrung des Untersuchers abhängig [3]. ­Deshalb wurde auch hier versucht, den Bias durch den Einsatz von Algorithmen zu relativieren, und hier sind KI-Anwendungen mittlerweile schon weit fortgeschritten.

Ein immer wieder diskutiertes Thema sind die falsch-positiven Ergebnisse im Mammografiescreening. Diese können für die Patientin zu seelischer Belastung sowie zu körperlichen Belastungen durch die daraus folgende invasive Diagnostik führen. Auch Überdiagnosen, d. h. Karzinome, die nie klinisch relevant werden würden, werden als möglicher Nachteil des Screenings diskutiert [4].

Aktuelle Studien berichten von Algorithmen in retro­spektiven Datensätzen, die dem Leistungsniveau eines erfahrenen Radiologen gleichzusetzen sind. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass die KI-gestützten Systeme das Potenzial haben, die Rate an Intervallkarzinomen im Mammografiescreening zu reduzieren [5].

Zitat: KI gestütztes Mammografiescreening hat das Potenzial die Rate an Intervallkarzinomen zu reduzieren

Auch bei der Mammasonografie ist der Einsatz von KI längst Realität und betrifft derzeit hauptsächlich zwei Themengebiete: Detektion im Zuge der automatisierten Sonografie (ABUS, „automated breast ultrasound“ oder ABVS „automated breast volume scan“). Dazu gehört auch eine erste Einschätzung der Dignität eines Befundes. Der klinische Einsatz von ABUS wurde bis dato hauptsächlich im Screening-Setting untersucht, wird hier aber kontrovers diskutiert [4]. Neben dem Screening ist der Einsatz des ABUS im Zuge der Diagnostik möglich (z. B. Beurteilung des Therapieansprechens in der Neoadjuvanz).

ZITAT:

Die Innovationen der vergangenen Jahre haben die Erwartungen an die zukünftige Rolle der KI in der Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms nach oben schnellen lassen. Sie reichen von der automatischen Integration der Ergebnisse aller bildgebenden Modalitäten und Algorithmen bis hin zur selbstständigen Mammografiebefundung.

1 Kube C, Privatarzt Gynäkol 2023; 14: 25
2 Bennani-Baiti B, Baltzer PAT, Radiologe 2020; 60: 56–63
3 Elmore JG et al., Radiol 2009; 253: 641–51
4 Banys-Paluchowski M et al., Gynäkologie 2022; 55: 771–82
5 Byng D et al., Eur J Radiol 152: 110321

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