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Neurologie & Psychiatrie

Post-Zoster-Neuralgie

Akuter Zosterinfektion vorbeugen

PD Dr. med. Christian Geber

Die Post-Zoster-Neuralgie (PZN) ist die häufigste Komplikation einer Zostererkrankung. Bei dem chronischen, neuropathischen Schmerzsyndrom bestehen die Schmerzen drei Monate nach Auftreten der Hauteffloreszenzen fort. Der Prävention kommt eine große Bedeutung zu.

Herpes Zoster tritt vor allem bei älteren und/oder immungeschwächten Menschen auf. Das Erkrankungsrisiko steigt mit zunehmendem Lebensalter: Während die Inzidenz bei den unter 50-Jährigen unter 5,2 je 1.000 Personenjahre (PJ) liegt, steigt sie bei den über 80-Jährigen auf etwa 14 je 1.000 PJ an (s. Abb. 1). Frauen haben ein höheres Erkrankungsrisiko. Die Lebenszeitprävalenz beträgt weltweit 25–50 %. Parallel dazu steigt auch die Inzidenz der PZN ab dem 50. Lebensjahr deutlich an (s. Abb. 1). Die PZN tritt bei bis zu 20 % der Zosterpatienten auf. Herpes Zoster und insbesondere die PZN bedeuten neben einem beträchtlichen Verlust an Lebensqualität auch hohe sozioökonomische Kosten.


Unspezifisches Prodromalstadium

Herpes Zoster beruht auf einer Reaktivierung von in den Spinalganglien persistierenden Varizellenviren (VZVs). Die damit einhergehende Virusreplikation führt zur neuronalen Schädigung und trägt somit wesentlich zur Ausbildung einer PZN bei. Klinisch manifestiert sich die akute Herpes-Zoster-Infektion mit typischen unilateralen, dermatombezogenen Effloreszenzen. In etwa 80 % geht der Hautmanifestation ein unspezifisches Prodromalstadium voraus. Neben einem allgemeinen Krankheitsgefühl, Fieber und Kopfschmerzen können auch dermatombezogene Missempfindungen, Juckreiz und Schmerzen auftreten. Lokalisationsabhängig kann es dadurch zu Fehldiagnosen wie Cholezystitis, Herzinfarkt oder Glaukom führen. Das typische Exanthem mit gruppierten Bläschen tritt nach zwei bis drei Tagen auf. Die anfänglich mit klarer Flüssigkeit gefüllten Bläschen verkrusten innerhalb von sieben bis zehn Tagen und heilen innerhalb von zwei bis vier Wochen oft unter Narbenbildung sowie Pigmentveränderungen ab. Am häufigsten betroffen sind die Dermatome zwischen Th1 und L2 sowie in ca. 15 % der Fälle der 1. Trigeminusast (N. ophthalmicus). In Einzelfällen können die typischen Effloreszenzen ausbleiben (Zoster sine herpete), was die (Blick-)diagnostik erschwert und die in der Regel klinische Diagnosestellung verzögern kann.


Impfen ist Mittel der Wahl zur Prävention

Risikofaktoren für die Zosterreaktivierung und somit das Entstehen einer Post-Zoster-Neuralgie sind in Abbildung 2 dargestellt. So tragen ab dem 50. Lebensjahr auch ohne weitere immunsupprimierende Erkrankungen oder Therapien allein schon die Immunseneszenz und der zunehmende Abstand zur Primärinfektion mit Varizellen (“Windpocken”) zum steigenden Zoster-Risiko bei. Den wirksamsten Schutz vor einer PZN stellt die Prävention einer akuten Zosterinfektion mittels Impfung dar. Seit März 2018 steht ein adjuvantierter Sub­unit-Totimpfstoff zur Verfügung, für den auch eine Impfempfehlung der STIKO vorliegt. Die Indikation besteht für alle Personen ab 60 Jahren sowie indikationsspezifisch ab dem 50. Lebensjahr bei erhöhtem Risiko infolge einer Grundkrankheit oder bei angeborener bzw. erworbener Immundefizienz/Immunsuppression. Die Effektivität der Impfung beträgt ≥ 90 % bezogen auf die Zosterinfektion und ≥ 89 % bzgl. chronischer Schmerzen im Rahmen der PZN. Der in Deutschland ebenfalls zugelassene attenuierte Lebendimpfstoff wird aufgrund der eingeschränkten Wirksamkeit und seiner begrenzten Wirkdauer nicht als Standardimpfung empfohlen. Wenn eine akute Zosterinfektion aufgetreten ist, sind der frühe Beginn einer antiviralen Therapie –möglichst innerhalb von 72 Stunden nach Auftreten der Effloreszenzen – sowie eine ausreichende Analgesie in der Akutphase vorrangig. Ziel ist es, Dauer und Ausdehnung der Effloreszenzen zu begrenzen sowie einer Chronifizierung der Schmerzen vorzubeugen. Dies ist insofern von Bedeutung, da u. a. ein dermatomaler Schmerz in der Akutphase und das Vorliegen von mehr als 50 Effloreszenzen bzw. hämorrhagischen Effloreszenzen neben weiblichem Geschlecht sowie einer kranialen oder sakralen Lokalisation Risikofaktoren für die PZN darstellen. In dem schmerztherapeutischen Behandlungskonzept sollte bereits initial neben der Schmerzintensität auch die Qualität der Schmerzen berücksichtigt werden, da oft schon in der Akutphase neben einer ausgeprägten nozizeptiven Schmerzkomponente im Rahmen der Entzündungsreaktion („Wundschmerz“) eine akut-neuropathische Schmerzkomponente (akute Zosterneuralgie) vorliegt. Diese ist auf die axonale Ausbreitung der Varizella-Zoster-Viren und die resultierende neuronale Schädigung zurückzuführen. Charakteristisch für neuropathische Schmerzen sind Dauerschmerzen, die oftmals als brennend empfunden werden und sich in Ruhephasen oder in der Nacht verstärken, ebenso wie einschießende Schmerz­attacken („neuralgiform“). Neben diesen Spontanschmerzen werden häufig auch evozierte Schmerzen bei Berührung („dynamisch-mechanische Allodynie”, z. B. beim Reiben der Kleidung), durch Wärme oder Kälte berichtet. Diese verschiedenen Schmerzsensationen treten häufig kombiniert auf. In der klinisch-neurologischen Untersuch­ung ist das Nebeneinander von Sensibilitätsverlust (Hypästhesie/Hypalgesie) und Zeichen der Überempfindlichkeit (Allodynie, Hyperalgesie) charakteristisch. Hilfreich für die Therapiesteuerung ist deshalb neben der standardisierten Erfassung der Schmerz­intensität mittels visueller/numerischer Schmerzskalen auch das Screening auf eine neuropathische Schmerzkomponente. Hierfür stehen verschiedene Fragebögen zur Verfügung (z. B. PainDetect, DN-4). Diese ersetzen jedoch nicht die klinisch-neurologische Untersuchung. Empfohlen wird, die Therapie unter Berücksichtigung der initialen Schmerzstärke gemäß dem WHO-Stufenschema einzuleiten. Bei nicht ausreichender Wirkung von Stufe-I-Analgetika (NSAID, Paracetamol, Metamizol) bzw. bei bereits initial höherer Schmerz­intensität (> 4/10; VAS) sollten frühzeitig Koanalgetika (Antidepressiva, Antikonvulsiva) eingesetzt werden, da diese auch eine anti­neuropathische Schmerzkomponente aufweisen. Ergänzend können ggf. WHO-Stufe-II- und -III-Analgetika (Opioide) eindosiert werden. Bei der Gabe von Opioiden wird die frühzeitige bzw. prophylaktische Therapie typischer Nebenwirkungen wie Übelkeit und Obstipation empfohlen. Bei persistierenden Schmerzen trotz Schmerztherapie (vier Wochen nach Abheilung der Hautläsionen) ist die Mitbehandlung durch einen Schmerzmediziner angeraten.

Lokale und sytemische Therapien kombinieren

Bei der Therapie der PZN sind gemäß dem chronisch neuropathischen Charakter als realistische Therapieziele eine Schmerzreduktion (um ≥ 30 %), eine Verbesserung der Schlaf- und Lebensqualität, sowie der Erhalt der sozialen Teilhabe anzustreben und dem Patienten zu vermitteln. Da die Post-Zoster-Neuralgie eine Erkrankung des höheren Lebensalters ist, sind bei der Auswahl der medikamentösen Therapie Aspekte der Polypharmazie und damit verbundene medikamentöse Interaktionen ebenso zu berücksichtigen wie die verminderte renale und hepatische Elimination. Eine Orientierung für die medikamentöse Einstellung bietet die Tabelle, die sich an der aktuellen Leitlinie zur Behandlung neuropathischer Schmerzen orientiert. Aufgrund des umschriebenen Charakters der Schmerzen spielen lokale Therapiemöglichkeiten eine wichtige Rolle, da hier keine relevanten systemischen Nebenwirkungen zu erwarten sind. Zugelassen sind die topische Anwendung eines Lidocainpflasters (5 %) oder die hochdosierte Applikation eines Capsaicinpflasters (8 %). Bei der Anwendung capsaicinhaltiger Topika kommt es in der Regel zu einer Schmerzverstärkung während und bis wenige Tage nach der Anwendung. Durch Kühlung und bedarfsweise Gabe von Analgetika kann dem wirksam gegengesteuert werden. Eine vorherige Aufklärung hierüber fördert die Compliance. Der Effekt einer einmaligen Anwendung des Capsaicinpflasters hält bis zu drei Monaten. Bei Patienten mit kurzer Erkrankungsdauer (weniger als sechs Monaten) sowie einer Überempfindlichkeit im schmerzhaften Hautareal konnte ein besserer Therapieeffekt nachgewiesen werden. Die Wirkung von subkutanen Botulinumtoxin-Injektionen ist bei fokal neuropathischen Schmerzen (inkl. PZN) belegt, stellt aber einen Off-Label-Use dar und sollte daher nur nach sorgfältiger Indikationsstellung in spezialisierten Zentren erfolgen. Das individuelle Ansprechen auf die einzelnen Medikamente ist schwer vorhersehbar, sodass mehrere Therapieansätze und -kombinationen erforderlich sein können. Bei ambulant nicht ausreichend erzielbarer Schmerzreduktion, einhergehend mit hoher schmerz­­bedingter Beeinträchtigung der Lebensqualität und der sozialen Teilhabe, oder bei affektiver Beeinträchtigung ist eine (teil-)stationäre, interdisziplinäre, multimodale Schmerztherapie indiziert.

Der Autor

PD Dr. med. Christian Geber
Facharzt für Neurologie, Spezielle Schmerztherapie, Palliativmedizin
DRK Schmerz-Zentrum Mainz

christian.geber@drk-schmerz-zentrum.de

Literatur beim Autor

Bildnachweis: privat

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