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Abrechnung

Polypharmazie im Alter

Der Übermedikation durch intensive Patientengespräche entgegenwirken

Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Schlüter

Viele ältere, insbesondere multimorbide Patienten sollen oftmals eine Vielzahl an Medikamenten einnehmen. Dies birgt nicht nur das Risiko von Arzneimittelinteraktionen. Bei vielen Patienten besteht dann auch die Gefahr, dass sie manche Medikamente einfach weglassen bzw. vergessen oder gar mehrfach einnehmen.

Die regelmäßige tägliche Einnahme mehrerer ­Medikamente stellt Ärzte, insbesondere Hausärzte, vor eine große Herausforderung. Denn eine Polypharmazie (regelmäßige Einnahme von mehr als fünf Medikamenten) birgt deutlich erhöhte gesundheitliche Risiken. Ärzte suchen daher bei den verschiedenen Behandlungen immer öfter nach Wegen, die Vielfachmedikation zu vermeiden. Letztendlich lässt sich bei der Einnahme von mehr als fünf Medikamenten nicht mehr abschätzen, in welcher Weise die verschiedenen Substanzen interagieren und dadurch nicht nur gewollte, sondern auch ungewollte und unvorhergesehene Wirkungen zeigen.

Gerade an der Schnittstelle zwischen stationärer und hausärztlicher Behandlung muss vermehrt auf eine Polypharmazie geachtet werden. Patienten, vor allem ältere, die aus der Klinik entlassen werden, erhalten oft eine Vielzahl von Arzneimitteln. Nicht selten ist diesbezüglich in den Entlassbriefen der Kliniken zu lesen: „Hausmedikation weiter.“ Das führt dann dazu, dass die sich aus der stationären Behandlung ergebende Medikation zusätzlich verordnet wird. So ist es keine Seltenheit, wenn ältere Patienten, die beispielsweise wegen einer Fraktur stationär behandelt werden, mit 15–20 verschiedenen Medikamenten entlassen werden. In der ambulanten Weiterbehandlung sind dann neben dem Hausarzt noch entsprechende Fachärzte mit einbezogen.

Fallbeispiel

Verletzung mit komplexen Folgen

Ein 91-jähriger rüstiger Patient stürzt bei der Gartenarbeit auf eine Steinkante und zieht sich eine Rippen­serienfraktur zu. Er kommt nach drei Tagen stationärer Behandlung in Begleitung seiner Tochter in die Praxis. Im Entlassungsbrief sind insgesamt neun ­Diagnosen aufgelistet, die mit 16 Medikamenten behandelt werden sollen.

Statistisch betrachtet erhält im Schnitt ein großer Teil der älteren Patienten bei der Entlassung aus einer stationären Behandlung etwa 10–15 Medikamente verordnet. Das Problem nach der Entlassung ist die wechselseitige Abstimmung der weiterbehandelnden Ärzte. So kommt es nicht selten vor, dass ältere Patienten deutlich mehr als vier Wirkstoffe täglich einnehmen. Nach einer von der Universität Köln durchgeführten Studie schluckte die Gruppe der 70- bis 80-Jährigen im Durchschnitt 8,6 Tabletten am Tag, die über 80-Jährigen durchschnittlich 9,3 Tabletten.

Mit dem Patienten und vor allem mit seiner Tochter wird in einem ausführlichen Gespräch die Medikation besprochen. Die Vielzahl der angeordneten ­Medikamente war dem Patienten von vornherein nicht angenehm. Die sich daraus ergebende Abneigung führt natürlich auch und gerade bei den älteren Patienten dazu, dass die Medikamente unregelmäßig oder gar nicht eingenommen werden. In der Folge verliert der behandelnde (Haus-)Arzt den ­Überblick darüber, welche Medikamente tatsächlich in welcher Menge, wann eingenommen werden.

Abrechnung

Die körperliche Untersuchung ist mit der GO-Nr. 8 (Ganzkörperstatus) zu berechnen. Die umfangreiche Beratung des Patienten bezüglich seiner Medikamenteneinnahme unter Einbeziehung der Tochter dauerte etwa 25 Minuten. Dafür ist die Gebühr nach GO-Nr. 34 berechnungsfähig. Dabei ist, wie bei jeder anderen Gebühr auch, darauf zu achten, dass der geforderte Leistungsinhalt auch vollständig erbracht wurde. Hier lohnt es sich, die Leistungslegende genau zu studieren, um auch alle Leistungsinhalte tatsächlich erfüllt und dokumentiert zu haben. Im Zusammenhang mit dieser Gebühr kann es durchaus zu Nachfragen seitens der privaten Krankenversicherer kommen. Bei der GO-Nr. 34 geht es um:

• eine Erörterung und Beratung
• die Erstdiagnose oder eine erhebliche  Verschlimmerung
• eine lebensverändernde bzw.  lebensbedrohende Erkrankung

Aus verschiedenen pharmakologischen Untersuchungen ist bekannt, dass verschiedene Substanzen über dieselben Stoffwechselenzyme des Zytochromsystems wirken oder dieselben Transportproteine nutzen. Damit kann es zur Akkumulation kommen, was zu einer Steigerung der Wechsel­wirkungen führen kann. Die potenziellen Wechsel- oder Nebenwirkungen steigen jedoch nicht linear, sondern exponentiell an. In der Konsequenz lassen sich bei einem Patienten mit fünf verschiedenen Diagnosen die Therapieempfehlungen für die einzelnen Krankheiten nicht addieren. In diesen Fällen muss der behandelnde Arzt eine ­individuelle Priorisierung unter Berücksichtigung der zu behandelnden Krankheiten vornehmen Dies macht eine umfassende Erörterung notwendig, die eben nicht nur mit dem Patienten selbst zu führen ist, sondern auch mit den Angehörigen. In diesem Fall ist es die Tochter, die die Medikamente für den Vater auch richtet. Diese zum Teil recht (zeit-)aufwendige Beratung bzw. ­Erörterung der notwendigen Einnahmezuverlässigkeit lässt sich nach GOÄ über die verschiedenen Beratungsgebühren geltend machen. Im Zuge der Abrechnung der Gebühren nach den GO-Nrn. 3 und 34, sind die geforderten Zeitvorgaben zwingend einzuhalten.

Leistungslegende der Gebühr nach GO-Nr. 34

Erörterung (Dauer mindestens 20 Minuten) der Auswirkungen einer Krankheit auf die Lebensgestaltung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Feststellung oder erheblichen Verschlimmerung einer nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohenden Erkrankung, gegebenenfalls einschließlich Planung eines operativen Eingriffs und Abwägung seiner Konsequenzen und Risiken – einschließlich Beratung –, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Bezugspersonen.

Der Autor

Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Schlüter
Arzt für Allgemeinmedizin
Arzt für Naturheilverfahren
76684 Tiefenbach
schlueter@vital-arzt-praxis.de
www.vital-arzt-praxis.de

Dr. Dr. Peter Schlüter ist promo­vierter Naturwissenschaftler und ­Mediziner. Seit 1982 ist er als Arzt für Allgemein­medizin mit betriebs­­wirtschaftlich ­opti­mierter Praxis nieder­gelassen. Als Berater zu allen ­Fragen der Praxisorganisation, Praxis­manage­­ment und ­Abrechnung ist er seit 1987 tätig.

Literatur beim Autor

Bildnachweis: privat

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