Nicht selten werden Menschen mit generalisierten Schmerzen in der Hausarztpraxis vorstellig. Die Diagnosestellung erweist sich in der Regel als schwierig und bedarf differenzialdiagnostisches Vorgehen. Zielführend können hier die begleitenden Symptome sein.
Hauptsymptom der Fibromyalgie sind anhaltende Schmerzen von wechselnder Intensität und Lokalisation. Der Schmerz ist meist diffus und tritt vor allem im Bereich der Muskeln und Sehnen auf. Knochen und Gelenke sind oft nicht betroffen.
Solche Schmerzen sind öfter anzutreffen. Bei älteren Menschen sind sie häufig durch Polyarthrose, Polyarthritis oder Osteoporose bedingt.
Insofern sind für die differenzialdiagnostische Einordnung des „Fibromyalgie-Syndroms“ (FMS), neben den ausgedehnten Schmerzen des gesamten Körpers, weitere Symptome zu berücksichtigen. Dazu gehören vorwiegend Steifigkeits-, Schwere- oder Schwellungsgefühle in den Extremitäten. Weiterhin sind Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsschwäche, Depressionen, Verdauungsprobleme und Schlafstörungen häufige Begleitsymptome.
Die differenzialdiagnostische Abklärung stellt oftmals eine besondere Herausforderung dar – etwa weil beim Vorliegen der beschriebenen Symptomatik, neben degenerativen und rein statischen Störungen, auch an neoplastische Erkrankungen, Wachstumsstörungen, viszerale Erkrankungen, neurodystrophische WS-Veränderungen, hämatologische Erkrankungen, Osteoporose, Multiple Sklerose, Myopathien und entzündlich-rheumatische Erkrankungen zu denken ist.
Für die Diagnose „Fibromyalgie-Syndrom“ müssen alle diagnostisch relevanten Symptome über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten vorhanden sein. Die früher als Hauptkriterium für die Diagnosestellung genutzte Feststellung einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit bestimmter Druckpunkte, den „Tenderpoints“, ist heute nicht mehr erforderlich.
Die Ursache des Fibromyalgie-Syndroms ist noch weitgehend ungeklärt, wobei immer wieder auf das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren bei der Entstehung des Krankheitsbildes hingewiesen wird. Vor allem Stress, körperliche Fehlhaltung und körperliche wie auch seelische Überlastung stellen solche Faktoren dar.
Wirken sie länger ein, treten Schmerzzustände zuerst an einem isolierten Punkt – meist an der Wirbelsäule – auf. Das lokale Schmerzsyndrom weitet sich dann langsam fortschreitend im Verlauf von Jahren oder auch Jahrzehnten aus.
Diagnostik
Diagnostisch hilfreich können auch heute noch die druckdolenten Tenderpoints sein. Diese sind durch das „American College of Rheumatology“ definiert, typischerweise am Sehnen-Muskel-Übergang lokalisiert und über den ganzen Körper verteilt.
Treten zu den Schmerzzuständen noch vegetative Symptome wie Mundtrockenheit, hypotone Kreislaufdysregulation, feinschlägiger Tremor, Hyperhidrosis oder respiratorische Arrhythmie auf, so ist vom Vorliegen eines Fibromyalgie-Syndroms auszugehen.
Laborchemisch kann die Diagnose durch die Bestimmung von Serotonin, Noradrenalin, Substanz P und Hyaluronsäure unterstützt werden.
Der Fall
Neue Schmerzsymptomatik
Eine 51-jährige Sekretärin, übergewichtig (171 cm, 76 kg), die seit Jahren unter rezidivierenden Lumbo-Ischialgien leidet, verspürt seit etwa 6 Monaten eine zunehmende, sich über den ganzen Körper ausbreitende Schmerzsymptomatik. Morgens zeige sich bei ihr eine Bewegungseinschränkung der Gelenke (Gelenksteife), die sich im Laufe des Tages bessere. Auf Befragen gibt die Patientin an, dass ihre Schlafstörung zugenommen hätte. Das depressive Stimmungsbild der Patientin zeigt sich ebenfalls verstärkt.
Die körperliche Untersuchung (einschließlich neurologischem Status) weist auf eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung vorwiegend der großen Gelenke hin. Die Tenderpoints erwiesen sich in typischer Weise äußerst druckschmerzhaft, womit sich der Verdacht auf eine Fibromyalgie erhärtet. Nach Erörterung der Verdachtsdiagnose wird der Patientin zur kurzfristigen Schmerztherapie Paracetamol verabreicht und ein Termin für die Laboruntersuchung vereinbart.
Die Laboruntersuchungen (auf Serotonin im Speziallabor) ergeben eine beschleunigte BKS sowie eine leichte Leukozytose. Die Rheumafaktoren sind erhöht, Harnsäure und Kreatinin im Normbereich. Das Serotonin ist deutlich erniedrigt.
Die Ergebnisse werden mit der Patientin während des nächsten Besprechungstermins ausführlich erörtert und ein Therapiekonzept erstellt.
Neben der rein symptomatischen Schmerztherapie mittels Paracetamol bzw. NSAR ist für Patienten und Patientinnen mit Fibromyalgie-Syndrom eine Langzeitbehandlung unter Ausnutzung aller Möglichkeiten der physikalischen Therapie angezeigt. In erster Linie sollten sich die Betroffenen nicht nur bewegen, sondern vielmehr körperlich trainieren. Dabei ist es die Aufgabe des betreuenden Arztes bzw. der betreuenden Ärztin, die körperliche wie auch die kardiovaskuläre Fitness der Erkrankten gezielt zu steigern.
An physikalischen Behandlungsmaßnahmen sind Krankengymnastik, Schlingentischbehandlung, Ergotherapie und Wassergymnastik sinnvoll. Lokale Schmerzpunkte können erfolgreich mit Eisbehandlung oder auch mittels therapeutischer Lokalanästhesie (TLA) therapiert werden. Alle Formen von Wärme wie Heißluft, Mikrowellenbehandlung, Fango oder auch Thermalbäder lindern nicht nur die Schmerzsymptomatik, sondern dienen auch zur Vorbereitung auf gezielte Krankengymnastik oder das Bewegungstraining.
Bei der Abrechnung zu beachten
Für die Abrechnung gelten die Allgemeinen Bestimmungen B2, wonach die Leistungen nach den GO-Nrn. 1 und/oder 5 neben Leistungen nach den Abschnitten C bis O im Therapiefall nur einmal berechnungsfähig sind. Insofern wären für diesen Fall entweder Beratung und symptombezogene Untersuchung (GO-Nrn. 1 + 5) oder die Leistungen nach den GO-Nrn. 548 + 268 + 507 berechnungsfähig. Hier ist nun das betriebswirtschaftliche Ergebnis entscheidend: Die Leistungen nach den GO-Nrn. 1 + 5 ergeben zusammen 160 Punkte, die Leistungen nach den GO-Nrn. 548 + 268 + 507 ergeben 247 Punkte.
Erkrankte mit Fibromyalgie-Syndrom bedürfen einer kontinuierlichen Langzeitbetreuung. Dementsprechend kommen hier immer wieder die entsprechenden Erörterungs-/Betreuungsleistungen zur Abrechnung. Dabei ist zu bedenken, dass bei den Betroffenen bisweilen auch psychosomatische bzw. psychotherapeutische Gesprächstherapien notwendig werden, die entsprechend nach den GO-Nummern 804 und 849 GOÄ berechnet werden können. Für die notwendigen flankierenden Langzeitmaßnahmen ist einmal im Kalenderjahr die Gebühr nach GO-Nr. 15 abzurechnen.
Der Autor
Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Schlüter
Arzt für Allgemeinmedizin
Arzt für Naturheilverfahren
76684 Tiefenbach
schlueter@vital-arzt-praxis.de
www.vital-arzt-praxis.de
Dr. Dr. Peter Schlüter ist promovierter Naturwissenschaftler und Mediziner. Seit 1982 ist er als Arzt für Allgemeinmedizin mit betriebswirtschaftlich optimierter Praxis niedergelassen. Als Berater zu allen Fragen der Praxisorganisation, Praxismanagement und Abrechnung ist er seit 1987 tätig.