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Gynäkologie

Vulvovaginale Atrophie

Tabubereich Intimpflege

Dr. med. Vera Jakobs

15.4.2024

„Wie pflegen Sie eigentlich Ihren Intimbereich?“ So banal diese Frage an die Patientin mit chronischen Vulvovaginalproblemen klingen mag, so erhellend ist oft die Erkenntnis: Das Wissen zur eigenen hormonellen Situation und zur Intimpflege ist bei Patientinnen oft unterentwickelt. Dieser Beitrag gibt Tipps für die Praxis.

Gefürchtet im gynäkologischen Praxisalltag: die oft verzweifelte Patientin, „Dauergast“ in der Sprechstunde mit Symptomen wie Brennen, Jucken, Trockenheit und Schmerzen im Intimbereich. Geschlechtsverkehr ist nicht mehr möglich, die Partnerschaft dadurch nicht selten schwer belastet.

Die Diagnostik der vulvovaginalen Atrophie (VVA) beschränkt sich zunächst auf die sorgfältige Inspektion der Vulva und Vagina sowie die Fluordiagnostik. In fortgeschrittenen Fällen kommt es zur Schrumpfung und zu Synechien vornehmlich der kleinen Labien – differenzialdiagnostisch sollten u. a. ein Lichen sclerosus und insbesondere eine intraepitheliale Neoplasie ausgeschlossen werden.

Doch nicht nur peri- und postmenopausale Frauen sind betroffen, auch junge Frauen in ihrer sexuell aktiven Phase sind nicht selten schwer durch eine VVA belastet. Bei diesen Patientinnen gehören oft diverse Intimpflegeprodukte mit Konservierungs- und Duftstoffen, Seifen und Duschgel, parfümierte Feuchttücher, Genitalrasur und After-Shave-Produkte zum „Pflegealltag“.

Den Hauttyp beachten

Eine feinporige, trockene Haut führt insbesondere bei jungen Patientinnen auch im Genitalbereich zu Beschwerden. Umgekehrt ist nach eigenen Beobachtungen bei fettigem Hauttyp die Entstehung einer VVA deutlich seltener zu verzeichnen.

Auch bei jüngeren Frauen können bei entsprechender Disposition – ähnlich wie im Klimakterium – Hautdicke und Elastizität im Vulvovaginalbereich deutlich abnehmen. Der gefühlten „Scheidentrockenheit“ bei VVA liegt ein verdünntes und damit schmerzempfindliches Vulvovaginalepithel zugrunde – die mangelnde Feuchtigkeit entsteht somit sekundär. Diese Kausalität hat für den (hormonellen) Therapieansatz eine große Bedeutung.

Der Rückzug von sexuellen Aktivitäten belastet die betroffenen Patientinnen schwer und ist nicht selten Grund für Schuldgefühle, Versagensängste und Partnerschaftskonflikte. Zudem sind „Intimprobleme“ leider nach wie vor in allen Altersgruppen ein Tabuthema und werden oft nicht selbst von der Patientin angesprochen oder nur unter größtem Leidensdruck berichtet. Sicherlich ist die Dunkelziffer der umgangenen frauenärztlichen Vorsorgeuntersuchungen hoch, da die Untersuchung bei Patientinnen mit VVA als sehr schmerzhaft empfunden wird und bei Verengung des Introitus oft gar nicht mehr durchführbar ist.

Im Mittelpunkt: die Pflegeroutine

Auch wenn die Zeit im Praxisalltag kostbar ist – ein kurzes Gespräch mit der Patientin ist wichtig. So fühlt sie sich ernst genommen und erlebt, dass sie mit ihrem Problem nicht allein ist, eine Entlastung und wesentliche Basis für eine gute Compliance. ­V­oraussetzung für alle weiteren Therapieansätze ist die Aufklärung über eine möglichst schonende Intimpflege: keine Waschzusätze, nur lauwarmes Wasser, reinigen mit möglichst geringer mechanischer Reizung (z. B. mit einer Intimdusche, die im Drogeriemarkt erhältlich ist). Tägliche Fettpflege und vaginale Cremeapplikation (z. B. Milchsäure und ­Hamamelis in Kombination) sind unverzichtbar. Ein Vergleich mit der meist selbstverständlichen täglichen Fettpflege des Gesichts veranschaulicht die Tabuisierung.

Estriol als Mittel der Wahl

Bei vielen Patientinnen mit VVA sind die Symptome schon so weit fortgeschritten, dass eine Lokaltherapie mit Estriol zügig eingeleitet werden sollte. Ich empfehle gerne Estriolpräparate in Cremeform, verfügbar sind auch Vaginaltabletten und -ovula. In den ersten 3 Therapiewochen empfiehlt sich die tägliche Anwendung zur Nacht. Danach wird die Behandlung 2- bis 3-mal pro Woche weitergeführt, allerdings im täglichen Wechsel mit einem fetthaltigen vaginalen Pflegeprodukt.

Manche Vaginaltherapeutika verursachen ohne eine vorbereitende Estriolbehandlung ein unangenehmes Brennen. Darüber sollte die Patientin aufgeklärt werden, und Präparate auf Wasserbasis (darunter auch Gleitgele) meiden, bis eine deutliche Besserung eingetreten ist. Für die Anwendungsdauer der Lokaltherapie mit Estriol gibt es keine Begrenzung. Die Patientin sollte darauf hingewiesen werden, dass der Therapieeffekt bei Absetzen der E3-Applikation sofort nachlässt. Erst eine dauerhafte Behandlung kann zu einer kontinuierlichen Verbesserung der ­Lebensqualität beitragen.

Wermutstropfen Beipackzettel

Manche der im Beipackzettel aufgeführten Risiken sind nach heutigem Kenntnisstand nicht mehr haltbar. Das sollte jeder Patientin eindringlich vermittelt werden, da das Lesen des Beipackzettels allein zu Hause eine erfahrungsgemäß starke Wirkung hinterlässt. Ein kurzer „Teaser“ wie „Estriol dürfen auch Patientinnen mit Brustkrebs anwenden“ hilft da sehr.

Die Patientin sollte darauf hingewiesen werden, sich bei vaginalen Blutungen kurzfristig wieder vorzustellen. Auch unter niedrig dosierter Hormonsubstitution mit Estradiol kann eine therapiebedürftige VVA vorhanden sein. Eine zusätzliche lokale Estriolbehandlung ist in diesem Falle sinnvoll.

  • Bei vulvovaginalen Beschwerden Intimpflege ansprechen.
  • Ggf. ein Pflegekonzept (Wasser und Fett­pflege) als Handout mitgeben.
  • Reichen Pflegekonzepte nicht aus oder ist die VVA stärker ausgeprägt, ist Estriol indiziert.
  • Auch junge Patientinnen sollten bei VVA mit Estriol behandelt werden.
  • Eine VVA kann auch bei hormonsubstituierten ­Patientinnen auftreten.
  • Die Estrioltherapie kann zeitlich unbegrenzt fortgeführt werden (2- bis 3-mal pro Woche).

Die Autorin

Dr. med. Vera Jakobs
Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
54296 Trier

verajakobs@gmail.com

Literatur bei der Autorin

Bildnachweis: privat

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