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Fokus Naturmedizin

Traditionelle Chinesische Medizin

Qigong bei Frauenleiden: präventiv und therapeutisch wirksam

Barbara Hauter

24.6.2022

Qigong ist in Europa eher als Präventivmethode bekannt und weniger für den therapeutischen Einsatz. Dabei kann Qigong gerade im gynäkologischen und geburtshilflichen Bereich hilfreich wirken. Wir geben einen Überblick und Beispiele für Qigong-Rezepte auf Basis der chinesischen Diagnostik.

Qigong ist bekannt als eine nach einem bestimmten System langsam ausgeführte Bewegungsübung. Diese Übungen sind – neben Akupunktur, Arzneitherapie, Diätetik und Tuina – eine der fünf Säulen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und gelten in China als Methode der Gesunderhaltung und als eine anerkannte therapeutische Maßnahme. Auch in den USA und Kanada ist Qigong eine akzeptierte Methode der integrativen Medizin. In Europa dagegen fristet Qigong als Therapieform noch ein Nischendasein. Es ist eher als Präventivmethode bekannt und im Bereich Entspannung von den Krankenkassen bezuschusst. Dabei kann Qigong gerade im gynäkologischen und geburtshilflichen Bereich hilfreich wirken.

Moderner Name für alte Wissenschaft

Die Wurzeln des Qigong reichen tausende Jahre weit zurück in die Bereiche von Spiritualität, Medizin und Kampfkunst. In alten Schriften finden sich unterschiedliche Bezeichnungen wie Yang Sheng (Lebenspflege), Tu Na (Abgeben von Altem und Aufnehmen von Neuem) oder Dao Yin (Leiten und Dehnen). Der Name Qigong wurde erst in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts eingeführt. Übersetzt heißt er Üben mit dem Qi, der Lebensenergie. Ziel des Übens ist das Erreichen eines harmonischen Fließens der Lebensenergie als Voraussetzung für Gesundheit und Wohlbefinden.

Es gibt sehr viele Stile und Formen von Qigong, Einzelformen und umfassende Übungssysteme, traditionelle und moderne Übungen. Bekannt sind zum Beispiel die „Acht Brokate“ als bewegte Übungsfolge. Hier vorgestellt werden soll das Nei Yang Gong (innen nährendes Qigong), da es spezielle Übungen für Frauen anbietet. Nei Yang Gong lässt sich historisch bis in die Ming-Dynastie (16. Jh.) verfolgen. Traditionell wurde es nur innerhalb der Familie oder von Meistern zu einzelnen Meisterschülern durch mündliche Unterweisung weitergegeben.

Aktuell ist Liu Ya Fei die Traditionshalterin dieser Übungsmethode, die sie von ihrem Vater Liu Gui Zhen erlernt hat. Er überarbeitete das System in den 1950er-Jahren für therapeutische Zwecke und gründete die chinesische Qigong Klinik in Beidaihe, 300 km östlich von Peking. In der Klinik wird zu der Wirkung von Qigong in Form von Beobachtungsstudien auch geforscht. Doppelblindstudien nach westlichem Standard stehen noch aus. Inzwischen wird Nei Yang Gong in über 30 Ländern unterrichtet. In Deutschland bildet unter anderem die DÄGfA (Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur) Ärzte zu Nei Yang Gong-Lehrern aus.

Nei Yang Gong: universell einsetzbar

Das Nei Yang Gong umfasst außer bewegten Übungen in verschiedenen Schwierigkeitsstufen zusätzlich stille, meditative Übungen ohne sichtbare äußere Bewegungen und Selbstmassage. Es gilt als ganzheitlich wirksames medizinisches Qigong und bietet ein breites Angebot an Möglichkeiten. Je nach Auswahl der Übungen ist es daher auch einsetzbar für Patienten mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen wie Schwäche oder chronische Erkrankungen. Das innere, stille Üben wirkt nährend für die inneren Organe, das Nervensystem und das Gehirn.

Im bewegten Qigong steht das Training von Bändern, Muskeln und Sehnen im Vordergrund. Die Grundlage für die präventive und therapeutische Wirkung des Qigong ist das Zusammenspiel von Körperhaltung oder Körperbewegung mit Atmung und Vorstellungskraft, die drei Regulierungen genannt. Der Effekt von Qigong wird in der chinesischen oder westlichen Medizin unterschiedlich erklärt. Nach der chinesischen Medizin geht es um das Öffnen und Durchlässigmachen der Leitbahnen, der Meridiane, die bestimmten Funktionskreisen und Organen zugeordnet sind und in denen nach östlicher Vorstellung die Lebensenergie fließt.

Durch die Arbeit mit dem Qi wird ein Ausgleich von Yin und Yang angestrebt und Körper und Geist harmonisiert. Aber auch nach westlicher Sichtweise sind die Übungen des Qigong gesunderhaltend. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass durch das Üben nicht nur der Körper gekräftigt und entspannt wird. Es kommt zudem zu einer Regulation des vegetativen Nervensystems und zu einer Stärkung des Immunsystems. Aus Sicht der TCM sind bei gynäkologischen Erkrankungen wie Krebs, hormonell bedingte Zyklusstörungen, Schmerzen, starke Blutungen, Ausbleiben der Regel, aber auch Infertilität vor allem die chinesischen Funktionskreise Leber und Niere betroffen (Cave: Damit sind nicht die Organe nach westlicher Sichtweise gemeint). Niere steht übergeordnet für die Lebenszyklen einer Frau, wie Menarche und Menopause, und ist von großer Bedeutung für die Fertilität. Leber sorgt für einen regulären Ablauf der Menstruation, indem sie den Qi und Blutfluss reguliert. Darüber hinaus spielen die Sonderleitbahnen Ren Mai (das Konzeptions­gefäß – Repräsentant des Yin) und Chong Mai (das Durchdringungsgefäß – Repräsentant des Bluts) eine wesentliche Rolle. Die Nei Yang Gong-Übungsform für Frauen heißt Nü-Zi-Qigong (Frauen-Qigong). Es wurde für die Therapie von gynäkologischen oder geburtshilflichen Störungen entwickelt und besteht aus Selbstmassagen und Wirbelsäulenbewegungen. Präventiv befördert regelmäßig ausgeführtes Frauen-Qigong ein sanftes Hindurchgehen durch die weiblichen Lebensabschnitte Menarche, Schwangerschaft und Menopause.

Einfache Übungen, die dabei zur Selbstmassage unterrichtet werden, sind z. B. beidhändig ausgeführte Kreise über das Dan Tian, den Unterbauch, die nach chinesischer Vorstellung Blut- und Qi-Fluss fördern und so beispielsweise gegen Menopausebeschwerden wie Schwitzen und Schlafstörungen helfen. Einer Patientin, die nachts schweißgebadet aufwacht, können stille Übungen mitgegeben werden. Ein Beispiel wäre, im Bett liegen zu bleiben, sich gedanklich innerlich zu öffnen und dann die Energie in Gedanken abzusenken.

Eine schlaffördernde Übung ist z. B. das ganz langsame Massieren der Fußsohle vor dem Einschlafen. Der Wechsel, in der westlichen Medizin als Hormonveränderung gesehen, ist in der chinesischen Medizin eine Umregulierung. Das monatliche Ventil der Blutung fällt weg, es kommt zu einem Stau, der unter anderem die Hitzewallungen verursacht. Nach Blutungsende werden daher absenkende, beruhigende bewegte Übungen empfohlen. „Dabei hat nach chinesischer Sicht das Blut-Bewahren eine positive Wirkung: Die Frau kann die Energie zum Herzen schicken und dadurch weise werden“, so Dr. med. Anna Mietzner (Berlin).

Von guten Erfolgen mit Brustkrebspatientinnen ­berichtet Dr. med. Petra Wüller (Leipzig). Ergänzend zur schulmedizinischen Therapie können mit Qigong Nebenwirkungen deutlich reduziert werden. Mit stärkenden stillen Übungen wird die basale Energie aufgebaut und so dem Fatiguesyndrom entgegengewirkt [1]. Eine sanfte Brustmassage ohne Berührung fördert die Vorstellung, dass das Kranke ausgeleitet und das Immunsystem unterstützt wird, um so einem Rezidiv vorzubeugen. „Im Qigong werden immer die beiden Aspekte gesehen: Ausleiten und Stärken“, so Dr. Wüller.

Der Idealfall ist ihrer Meinung nach ein Therapiebeginn schon vor der Tumor-OP und eine perso­­nalisierte Auswahl der Übungen, abhängig vom Zustand der Frau und ihrer schulmedizinischen ­Behandlung. „Die Patientinnen kommen immer mit der Frage: Was kann ich tun? Sie wollen vor allem selbst aktiv werden und fühlen sich durch das ­Qigong-Üben weniger fremdbestimmt.“ Neben der messbaren Verminderung von Fatigue und Übelkeit und einer deutlichen Stimmungsaufhellung gibt Qigong den Patientinnen das Gefühl, Kontrolle über ihre Situation zu haben.

Physiologische Wirkungen des Qigong

Die Expertin

Dr. med. Petra Wüller
Fachärztin für Augenheilkunde, Leipzig, behandelt unter anderem Brustkrebs­patientinnen mit Akupunktur und Qigong. Gemeinsam unterrichten sie für die DÄGfA Ärztinnen und Ärzte in Nei Yang Gong.

Die Expertin

Dr. med. Anna Mietzner
Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin, behandelt seit den 1980er-Jahren mit Akupunktur und chinesischer Arzneitherapie und betreibt seit 1988 Qigong.
Sie ist Mitbegründerin des Nei Yang Gong Zentrums Berlin. www.nei-yang-gong.de

1 Larkey LK et al., Ann Behav Med 2015; 49: 165–176
2 Literatur: Liu Yafei. Innen Nährendes Qigong – Nei Yang Gong

Bildnachweis: Pingwin (gettyimages); privat

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