Kochsalz (NaCl) kann den Blutdruck erhöhen. Natriumhydrogencarbonat (NaHCO3) hat sich in der Therapie der chronisch-metabolischen Azidose (cmA) bewährt. Doch warum birgt diese Natriumverbindung – wie Studien belegen – eher kein Risiko eines Bluthochdrucks?
Im Mittelalter mit Gold aufgewogen, ist Kochsalz (NaCl) heute ein billiges Alltagsprodukt und in den Produkten der Lebensmittelindustrie überall mit drin. Die Deutschen konsumieren mehr NaCl als die WHO mit 5 g (~ 2,0 g Natrium) täglich empfiehlt [1]. Laut des Deutschen Erwachsenen Gesundheitssurveys (DEGS) sind es bei Frauen durchschnittlich 8,4 g und bei Männern um 10,0 g Kochsalz pro Tag. Dabei ist die verborgene Menge in Fertigprodukten eingerechnet. Ein Gramm Kochsalz entspricht ca. 0,4 g Natrium, beziehungsweise ein Gramm Natrium sind etwa 2,5 g Kochsalz.
Wird bei einer täglich kochsalzreichen Ernährung die zugeführte Menge NaCl nicht komplett ausgeschieden, steigt der NaCl-Gehalt im Blut, im Extrazellularraum (EZV) und schließlich in den Salzspeichern des Körpers (Haut, Bindegewebe, Muskeln). In der Folge kann sich Bluthochdruck entwickeln. Zudem erhöht Salz das Risiko für Gefäßverkalkungen [2].
Einige gesunde Menschen gelten als „salzsensitiv“. Besonders betroffen sind Übergewichtige und Menschen mit Diabetes mellitus. Die ethnische Zugehörigkeit spielt auch eine gewisse Rolle. Anomalien im renalen epithelialen Ionentransport haben in der Pathogenese des Bluthochdrucks eine wichtige Bedeutung. Die Salzsensitivität ist ein Maß dafür, wie stark der Blutdruck auf das Element Natrium im Kochsalz reagiert. „Salzsensitive“ Menschen können einen Natriumüberschuss nicht so gut über die Nieren ausscheiden. Sie lagern Natrium ein und ihr Blutdruck steigt. „Salzresistente“ Menschen scheiden hingegen einen Natriumüberschuss besser über die Nieren aus und ihr Blutdruck steigt kaum an [2].
Damit stellt sich die Frage, ob die Therapie der chronisch-metabolischen Azidose (cmA) mit Natriumbicarbonat (NaHCO3) ebenso wie zu viel NaCl blutdruckerhöhend wirken kann. Ein Gramm Bicarbonat enthält 0,273 g Natrium.
Die Antwort: Der Blutdruckanstieg als Reaktion auf eine hohe Natriumzufuhr resultiert hauptsächlich daraus, dass Natrium als Halogenidsalz aufgenommen wird. Natriumbicarbonat und andere nicht halogenierte Natrium-Salze haben deshalb prinzipiell keine Auswirkungen auf den Blutdruck [3].
Und bei ausschließlicher Aufnahme des Natriumbicarbonats über den Dünndarm entsteht kein NaCl. Eine orale Langzeitsupplementation von NaHCO3 in magensaftresistenter Form ist daher faktisch Blutdruck-neutral [3] und lässt sich gut mit Antihypertensiva kombinieren [4]. Nur bei stark „salzsensitiven“ Menschen kann es zu Blutdruckerhöhungen kommen.
Studienlage bestätigt Sicherheit
Beispielsweise beobachtete man unter NaHCO3, wenn auch bei Hämodialysepatienten bzw. -patientinnen, zwar einen Anstieg des systolischen, aber nicht des diastolischen Blutdrucks [5]. Die SoBic(Sodium-Bicarbonate)-Studie ist dieser Frage erstmals mittels 24-h-Blutdruckmessungen bei 47 chronisch nierenkranken Personen mit behandelter Hypertonie nachgegangen [6]. Nach 8 Wochen Beobachtungszeit war eine nicht signifikante Blutdruckerhöhung von 3,0 mmHg systolisch und 1,3 mmHg diastolisch pro Einnahme von 100 mg NaHCO3/kg Körpergewicht/Tag festzustellen. Nachfolgende Messungen zeigten aber eine Abnahme des Blutdrucks, selbst bei noch höher eingenommenen Mengen von Bicarbonat. Das belegte, dass kein direkter Zusammenhang zwischen Bicarbonat-Einnahme und Blutdruckerhöhung besteht [7,8]. Eine Metaanalyse, die ausschließlich Studien ab 2016 einschloss, fand eine Abnahme des systolischen und diastolischen Blutdrucks unter Bicarbonat-Therapie [9].
Ebenso interessant ist eine Studie von 2014. Die Autoren und Autorinnen stellten fest, dass die Behandlung der metabolischen Azidose bei Menschen mit chronischer Nierenerkrankung im Stadium 3 mit Obst und Gemüse oder oralem Bicarbonat das Angiotensinogen im Urin reduziert und die glomeruläre Filtrationsrate schützt [10].
Die 2022 publizierte AlcalUN(Alkalinization by Urologists & Nephrologists)-Studie untersuchte den Einfluss auf das extrazelluläre Volumen während einer höheren Natriumaufnahme durch die Behandlung mit Bicarbonat [11]. Eingeschlossen waren 156 Erwachsene, die eine über einen Monat dauernde orale Alkalisierung durch NaHCO3-haltige bzw. nicht NaHCO3-haltige Präparate erhalten hatten. Der Anstieg des EZV wurde anhand der Zunahme an Körpermasse, des Blutdrucks und/oder neu aufgetretener Ödeme bei der ersten Nachuntersuchung beurteilt. Alle hatten niedrige systolische Blutdruckwerte. Die Kontrolle hinsichtlich des Auftretens von Ödemen als ein Zeichen der Zunahme des EZV erbrachte, dass die chronische orale Alkalisierung mit Natriumbicarbonat nicht mit einem Anstieg des EZV verbunden war. Auf diese Weise wurde durch Erfassen des zusätzlichen Parameters EZV letztlich die Aussage anderer Publikationen bekräftigt.
Warum magensaftresistentes Bicarbonat?
Die Vorteile der Dünndarmlöslichkeit eines magensaftresistenten Bicarbonat-Präparats liegen in fehlender Kochsalzbildung als Halogenid und praktisch fehlender Auswirkung auf den Blutdruck. Es entsteht weder Kohlendioxid im Magen noch treten Aufstoßen, Reflux, Meteorismus oder eine kompensatorische Hypersekretion von Magensäure (Acid-Rebound) auf. Der Magensaft wird nicht neutralisiert. Die Bakterizidie der Magensäure und die Vitamin-B12-Verwertung bleiben erhalten. Die fettspaltenden alkalischen Darmenzyme im Duodenum und Dünndarm werden in ihrer Funktion begünstigt.
Der Autor
Dr. med. Dr. PH Herbert Stradtmann
Arzt für Innere Medizin/Nephrologie,
Hypertensiologe-DHL® und Rehabilitationswesen
Im Wölftegrund 27
34537 Bad Wildungen
Bildnachweis: privat