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Allgemeinmedizin

Multidisziplinär für die Patienten

ESC Leitlinien-Update 2025

Dr. rer. nat. Boris Fischer

10.12.2025

Beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) wurden mehrere Leitlinien aktualisiert und vorgestellt. Zusätzlich wurde mit der Leitlinie zu „Mentaler Gesundheit bei kardiovaskulären Erkrankungen” noch eine neue Guideline eingeführt. Multidisziplinäres Vorgehen steht im Fokus.

Insgesamt 5 Aktualisierungen bzw. Neuerstellungen wurden beim ESC-Kongress 2025 in Madrid vorgestellt. Hier die wichtigsten Neuerungen:

Management Myokarditis und Perikarditis

In die bestehende Perikarditis-Leitlinie wurde die Myokarditis neu aufgenommen, da beide Erkrankungen in der Praxis meist nicht isoliert auftreten. In diesem Sinne wurde als neue Kategorie das inflammatorische myoperikardiale Syndrom (Inflammatory Myopericardial Syndrom, IMPS) eingeführt. Das IMPS ist als Anfangsdiagnose gedacht, die verfeinert werden muss und schließlich zu einer individualisierten Therapie führen soll. Nach der Dauer wird eine akute, eine subakute und eine chronische Form unterschieden. Das IMPS kann wiederholt auftreten (recurrent) oder ausheilen, mit oder ohne Restsymptomatik. Zusätzlich hervorgehoben werden neue Erkenntnisse zum genetischen Hintergrund und die Verbindung zu angeborenen Kardiomyopathien.

In der Diagnostik werden neue Möglichkeiten der multimodalen Bildgebung des Kardio-MRTs berücksichtigt. Bei Verdacht auf IMPS bei Erkrankten mit niedrigem oder mittlerem Risiko wird eine Diagnostik über das Kardio-MRT empfohlen, bei hohem Risiko zusätzlich durch eine endomyokardiale Biopsie. Weiterhin werden Kategorien festgelegt, welche Patienten und Patientinnen eine genetische Testung erhalten sollten.

Für Diagnostik und Therapie fordert die Leitlinie die Bildung multidisziplinärer IMPS-Teams, die aber je nach Krankheitsbild individuell zusammengesetzt sein sollen. Als neue Therapieoption bei wiederholten Entzündungen wurden die Anti-Interleukin(IL)-1-­Therapeutika mit aufgenommen. Die Leitlinie empfiehlt einen Verzicht auf körperliche Belastung, bis der Patient bzw. die Patientin mindestens einen Monat symptomfrei ist.

Schwangerschaft bei CVD

Der Schwerpunkt dieser Aktualisierung gilt der Risikoeinteilung und der Risikovermeidung. Zur nuancierten Risikobeurteilung wurde die modifizierte mWHO2.0-Klassifikation eingeführt. Die Klassen I (geringstes Risiko) bis IV (höchstes Risiko) entsprechen der Definition nach mWHO1 aus der Leitlinie von 2018, sind aber jetzt durch zusätzliche Kriterien deutlich verfeinert worden. Zusätzlich sollte auch die CANPREG-II-Einteilung verwendet werden. Als wichtigste Punkte zur Risikominimierung werden die Stärkung des multidisziplinären „Pregnancy Heart Teams” genannt, das sich entsprechend der Risiken der Patientin individuell zusammensetzen sollte. Ein Pregnacy Heart Team sollte für alle Patientinnen mit Risikoklasse > II gebildet werden.

Neue Daten der Register ROPAC (Registry of Pregnancy and Cardiac Disease) und PPCM (Peripartum Cardiomyopathy) zeigen die wachsende Bedeutung der mWHO2.0-Gruppe-IV-Patientinnen, hier vor allem durch Klappenerkrankungen, Kardiomyopathien und primäre Arrhythmien. Hier wird auch besonders auf Antikoagulation bei mechanischen Klappenersatz der Mutter eingegangen.

Herzklappenerkrankungen (VHD)

Auch bei dieser ESC-Leitlinie wird die Bildung eines multidisziplinären Experten-„Heart Teams” betont. Personen mit komplexen Erkrankungen sollten bevorzugt in großen, spezialisierten Zentren (Heart Valve Centers) behandelt werden. Die Leitlinie liefert Definitionen sowohl zu den „komplexen Erkrankungen” als auch die Anforderungen an die Kliniken.

Diagnostik und Imaging werden als integrativer Ansatz beschrieben mit Bezug auf neue Methoden der 3D-Echokardiografie, kardiale Computertomografie-Angiografie (CCTA) oder MRT.

Für jede Klappenerkrankung wurde ein Algorithmus erstellt, durch den die Diagnostik und schließlich der Schweregrad der Erkrankung bestimmt werden kann, sowohl für die Erstdiagnose als auch während des „Follow-Ups”. Neue Risikogruppen wurden definiert: Krebs und Bestrahlungstherapie, kardiogener Schock und geschlechtsspezifische Unterschiede bei Klappenerkrankungen.

Neue Empfehlung betreffen weiterhin die (nicht-kardiale) perioperative Antikoagulationstherapie bei VHD-Patienten und -Patientinnen sowie bei Schwangerschaft. Ein weitere Fokus sind multiple Klappenerkrankungen und Dysfunktion bei Klappenersatz.

Dyslipidämie

Im vorliegenden fokussierten Update der Leitlinie wurde zur Beurteilung des kardiovaskulären Risikos die SCORE(Systematic Coronary Risk Evaluation)-Klassifikation durch SCORE2 bzw. SCORE2-OP (Older Persons) ersetzt. Hiermit kann das Risiko nicht nur zusätzlich bei älteren Erkrankten abgeschätzt werden, es kann auch unterschieden werden bezüglich des Risikos für tödliche und nicht-tödliche Ereignisse. Dadurch wurden die einzelnen Risikokategorien aktualisiert, wobei auch auf neue Daten zum Imaging eingegangen wurde.

Weitere Empfehlungen beziehen sich auf „Risk modifiers (RM)”. Die Liste der betrachteten RM wurde aktualisiert. Als neue Biomarker wurde hsCRP und Lp(a) mitaufgenommen. RM sollen das ermittelte Risiko individuell anpassen und somit die Therapie verbessern. Weitere Empfehlungen betreffen den Beginn einer Lipidsenkungstherapie in Bezug auf die unterschiedlichen Risikoklassen.

Mentale Gesundheit und CVD

Auch ein „Consensus Statement” zur Wechselwirkung zwischen mentaler Gesundheit und kardiovaskulären Erkrankungen (CVD) wurde vorgestellt. Die Zusammenhänge, wie sich der Grad der mentalen Gesundheit auf Entstehung und Verlauf einer kardiovaskulären Erkrankung auswirken kann, bzw. umgekehrt, werden der Evidenz entsprechend analysiert. Depression, Angstzustände und die posttraumatische Belastungsstörung werden hier besonders hervorgehoben, es wird aber ebenso auf soziale (z. B. Einsamkeit) oder sozioökonomische Faktoren wie Arbeitslosigkeit eingegangen. Das Statement beschreibt, wie negative Auswirkungen minimiert oder verhindert werden können. Auch hier wird ein integrativer Ansatz empfohlen. Besonders hervorgehoben wird die Bedeutung der Gesundheit der Pflegenden. Verschiedene Maßnahmen, sowohl auf Ebene der einzelnen medizinischen Zentren als auch auf nationaler Ebene, wurden vorgestellt, ebenso wie Evidenzlücken und zukünftiger Forschungsbedarf.

Bei allen Aktualisierungen steht ein multidisziplinärer Ansatz im Mittelpunkt, um alle nötigen Fachrichtungen mit im Boot zu haben. Welche Fachrichtungen genau benötigt werden, richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen des Patienten bzw. der Patientin. Komplizierte Erkrankungen sollten bevorzugt an Zentren mit entsprechender Erfahrung erfolgen.

https://www.escardio.org/Guidelines

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