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Allgemeinmedizin

Infektionskrankheit der Leber

Therapie bei chronischer Hepatitis B

Dr. med. Bianca Bach

25.3.2024

Zweck der Behandlung bei chronischer Hepatitis B ist bislang, die Virusvermehrung zu unterdrücken, Leberwerte zu normalisieren und Komplikationen zu verhindern. Moderne Medikamente können das. Was meist nicht verschwindet, ist das HBs-Antigen (HBsAg). Dafür braucht es neue Ansätze.

Noch gibt es für chronisch an Hepatitis B Erkrankte nur 2 Behandlungsoptionen: subkutan einmal pro Woche über maximal 48 Wochen gespritztes pegyliertes Interferon-α (PEG-IFN), das wegen der Nebenwirkungen nur für wenige infrage kommt, oder Nukleosid/Nukleotid-Analoga (NA) oral. Letztere bedeuten oft eine lebenslange Therapie. Denn was sich die Behandelnden für ihre Patienten und Patientinnen eigentlich wünschen – die ­funktionelle Heilung –, gelingt nur selten: Erst das Verschwinden von HBsAg, mit oder ohne Serokonversion, zeigt an, dass das Immunsystem die HBV-Infektion unter Kontrolle hat. Solange HBsAg noch da ist, ist es zu früh, die Medikamente abzusetzen. Während eine akute Hepatitis B wegen der hohen Spontanheilungsrate in der Regel keine antivirale Therapie erfordert, kommt diese bei chronischer Hepatitis B spätestens dann infrage, wenn 3 Dinge zusammentreffen:

  • Virusreplikation mit HBV-DNA ≥ 2 000 IE/ml,
  • entzündliche Aktivität mit wiederholter Erhöhung der Alanin-Aminotransferase (ALT) und
  • Alters- oder Komorbiditäten-bedingtes erhöhtes Risiko für eine Leberzirrhose oder ein ­hepatozelluläres Karzinom (HCC) [1].

Unabhängig vom Ausmaß der Virämie empfehlen die Leitlinien eine Therapie für HBV-DNA-Positive mit ­Folgeschäden: Leberzirrhose, HCC oder extrahe­pa­tische Komplikationen, wie eine HBV-assoziierte ­Polyarteriitis oder Nephropathie. Außer bei Child-A-­Zirrhose kommen hier nur NA infrage. Eine Gefährdung Dritter, etwa im Berufskontext oder bei Schwangeren zum Schutz des Ungeborenen, kann ebenfalls Therapieanlass sein. Tenofovirdisoproxil (TDF), Lamivudin (LAM) oder Telbivudin (TBV) sind bei Schwangeren nicht kontraindiziert. Auch Alkohol- oder Drogenkonsum sind kein Hindernis für eine NA-Therapie [1].

Ziele der Therapie sind, Komplikationen zu verhindern, abzumildern, zurückzubilden, und die Erkrankten davor zu bewahren, vorzeitig zu sterben. Mitunter geht es darum, die Infektiosität zu senken oder eine HBV-Reaktivierung zu vermeiden, etwa unter Biologika-Therapie. Pragmatisch orientieren sich Ärztinnen und Ärzte bei der Therapie an der Suppression der Viruslast und Normalisierung der Transaminasen. Bei positivem HBeAg kann die Serokonversion zu Anti-HBe ein Fernziel sein.

Nichts für alle Erkrankten: pegyliertes Interferon-α

PEG-IFN ist unabhängig vom HBeAg-Status bei ­Erwachsenen mit kompensierter Lebererkrankung, nachweislicher Virusreplikation, ALT-Erhöhung und histologisch gesicherter Leberentzündung oder ­-fibrose zugelassen, außerdem bei HBeAg-positiven Kindern ab 3 Jahren ohne Leberzirrhose, mit Virusreplikation und dauerhaft erhöhter ALT [2].

Da nur 20–30 % der Behandelten ansprechen und zudem mit grippeähnlichen Nebenwirkungen, psychiatrischen Symptomen oder Zytopenien zu rechnen ist, kommt PEG-IFN nur bei wenigen, meist jüngeren Personen infrage, bei denen ein gutes Therapieansprechen zu erwarten ist. Prädiktoren sind deutlich erhöhte Transaminasen, eine Viruslast < 1 000 000 IE/ml und HBV-Genotyp A.

Ob PEG-IFN funktioniert, zeigt sich binnen 3 Monaten am HBsAg. Fällt es nicht um ≥ 20 % und auf < 20 000 IE/ml, sollte auf NA umgestellt werden [3].

Nach Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für ­Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) ist zu prüfen, ob PEG-IFN ­möglich und sinnvoll ist. Psychiatrisch Vorerkrankte, Personen mit Autoimmunerkrankungen oder ­Leberzirrhose Child B/C und Schwangere dürfen kein IFN bekommen [1].

Standard: Entecavir oder Tenofovir

Die meisten Hepatitis-B-Patientinnen und -Patienten erhalten NA. Sie hemmen die HBV-Polymerase und damit die Virusreplikation. Die Leitlinie empfiehlt Entecavir (ETV), TDF oder das neuere Tenofoviralafenamid (TAF) [1]. Sie haben eine hohe antivirale Wirksamkeit. Anders als etwa bei LAM kommen ­Resistenzen praktisch kaum vor. Sprechen die Erkrankten unzureichend an, ist es eher ein Adhärenzproblem [3]. LAM, Adefovir (ADV) oder das in Deutschland vom Markt genommene TBV sind zur Primärtherapie nicht mehr vorgesehen [1].

Unter Tenofovirdisoproxil sind nachlassende Nierenfunktion und Knochendichteverlust als wichtigste NA-Langzeit-Nebenwirkungen häufiger als unter Entecavir. Tenofoviralafenamid ist hier günstiger, weil es wegen einer höheren Leberspezifität deutlich niedriger dosiert werden kann als TDF und ­mindestens genauso gut wirkt. Noch ist es nicht als Generikum verfügbar, weshalb Ärztinnen und Ärzte eher auf ETV umstellen [3].

Moderne NA werden meist gut vertragen, unterdrücken binnen 5 Jahren bei über 90 bis zu 100 % der nicht vorbehandelten Patientinnen und Patienten effektiv die Viruslast und normalisieren die Transaminasen [1]. Langfristig können sich Leberfibrose oder -zirrhose zurückbilden. Möglicherweise beugt TDF einem HCC besser vor als ETV [4]. Daten hierzu aus unterschiedlichen Kohorten sind jedoch widersprüchlich, und die meisten stammen aus Asien.

Lebenslang NA und doch keine funktionelle Heilung

Was die NA-Therapie problematisch macht, ist, dass sie in der Regel über mehrere Jahre fortzusetzen ist und speziell bei HBeAg-negativen Patienten und ­Patientinnen oft in eine lebenslange Dauer­therapie mündet. Absetzen triggert oft Rebound­effekte, vereinzelt auch Rezidive mit akutem Leberversagen [3]. Hinzu kommt, dass trotz des guten Ansprechens die HBsAg-Verlust- und -Serokonversionsraten gering sind [1].

Tatsächlich scheint sogar das Absetzen einer langjährigen NA-Therapie unter bestimmten Voraussetzungen der bisher einzige Weg zu sein, um funktionelle Heilung in relevantem Maß zu erzielen. Das belegt für Deutschland die randomisierte kontrollierte Absetzstudie STOP-NUC mit 166 HBeAg-negativen Hepatitis-B-Betroffenen, die unter NA seit mindestens 4 Jahren HBV-DNA-Werte < 172 IE/ml (< 1 000 Viruskopien/ml) hatten. Während über 96 Wochen Nachbeobachtung bei niemandem unter fortgesetzter NA-Therapie HBsAg verschwand, gelang dies nach Therapiebeendigung bei 10 %. Bei niedrigen HBsAg-Spiegeln < 1 000 IE/ml zum Absetz-Zeitpunkt wurden sogar 28 % der Betroffenen ihr HBsAg los. Obwohl alle nach Therapiestopp wieder nachweisbare HBV-DNA-Spiegel entwickelten, blieben 41 % davon anhaltend klinisch in Remission. Nur 14 % mussten erneut behandelt werden, niemand erlitt eine Leberdekompensation. Womöglich kommt es zu einer Art Autovakzinierung: Unter Therapie erholt sich das zuvor erschöpfte Immunsystem so weit, dass es die Infektion schließlich selbst beherrschen kann [5].

Für eine Therapiebeendigung sind bestimmte ­Kriterien zu beachten (Tab.). Es bedarf guter Aufklärung und engmaschiger Nachkontrollen von Transaminasen und Viruslast. Steigen die Transaminasen auf das 5-Fache des oberen Normwerts, ist eine erneute Therapie indiziert [3].

Neue Wege zur funktionellen Heilung

PEG-IFN und NA primär zu kombinieren wird mangels hinreichender Evidenz ebenso wenig empfohlen wie das Hinzufügen von PEG-IFN zu NA oder ein Wechsel von NA auf PEG-IFN [1].

Auf der Suche nach neuen Therapieoptionen dominieren 2 Grundprinzipien: Direkt antiviral wirksame Agenzien (DAA) unterbinden gezielt einzelne Schritte im Lebens- und Vermehrungszyklus von HBV. Hierzu zählen Eintrittsinhibitoren wie Bulevirtid, Kapsid-Assemblierungs-Modulatoren (CAM), HBsAg-Sekretionsinhibitoren und Inhibitoren der Virusexpression – sei es in Form sogenannter small interfering RNA (siRNA) oder von Antisense-Oligonukleotiden, wie Bepirovirsen.

Die zweite Gruppe wirkt auf das Immunsystem. So aktivieren etwa Toll-like-Rezeptoragonisten, wie Selgantolimod oder Vesatolimod, das angeborene Immunsystem, während therapeutische Vakzine mit Virusbestandteilen oder Checkpointinhibitoren, wie der in China bereits bei chronischer Hepatitis B zugelassene Programmed-death-Ligand-1(PD-L1)-Antikörper Envafolimab, das adaptive Immunsystem gegen das Virus scharf machen [3].

Noch hat sich keines der neuen DAA als ausreichend stark erwiesen, allein in relevantem Maße funktionelle Heilung herbeizuführen. Forschende setzen daher auf Kombinationen [3]. So wurden etwa in der internationalen randomisierten kontrollierten ­Phase-IIb-Studie REEF-I NA mit dem siRNA-Präparat JNJ-3989, dem CAM Bersacapavir oder beiden kombiniert. Primärer Endpunkt war der Anteil der Betroffenen mit NA-Stopp-Kriterien zu Woche 48:

  • ALT unterhalb des 3-Fachen des oberen ­Normwerts
  • HBV-DNA unter der Quantifizierbarkeitsgrenze
  • HBeAg negativ
  • HbsAg < 10 IE/ml

Mit 19 % am besten gelang dies mit der Kombination aus NA plus 200 mg/Tag siRNA. Bei Triple-Therapie waren es nur 9 %, in der Kontrollgruppe mit NA plus Placebo nur 2 % [6].

Noch mehr versprechen sich Hepatologen von der Kombination aus DAA und neuen immunbasierten Therapien. Die Idee dazu: Durch Absenkung der HBsAg-Spiegel mittels DAA den Weg zu bereiten, um das zuvor wegen der hohen Antigenlast überforderte Immunsystem zu aktivieren [3].

Impfung weiter beste Gegenmaßnahme

Eine definitive Heilung gilt vorerst als unwahrscheinlich. Sie würde voraussetzen, dass es auch gelänge, die cccDNA (covalently closed circular DNA) des Virus im Hepatozytenkern und die ins Wirtsgenom integrierte Virus-DNA wieder loszuwerden.

Wichtig ist, sich klarzumachen, dass das Risiko einer HBV-Reaktivierung unter Immunsuppression auch nach funktioneller Heilung bestehen bleibt. Auch deshalb hat die Impfprävention – vor allem bei gefährdeten Personen – weiter Vorrang. Dazu zählen etwa Neugeborene HBsAg-positiver Mütter und andere Personen mit engem Kontakt zu HBsAg-Positiven, Personal in medizinischen Einrichtungen, bei der Polizei oder im Strafvollzug, Gefängnis­insassen, Personen mit multiplen Sexualpartnern, Menschen mit Drogengebrauch, Immundefizienz, chronischen Lebererkrankungen, Dialysepatienten und Menschen, die in Regionen mit hoher HBV-Prävalenz ­leben oder dorthin reisen [7].

  1. Cornberg M et al., Z Gastroenterol 2021; 59: 691–776
  2. www.rote-liste.de, Stand: 05.02.2024
  3. Neumann-Haefelin C et al., Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2022; 65: 238–45
  4. Tang K et al., Medicine (Baltimore) 2023; 102: e32894
  5. van Bömmel F et al., J Hepatol 2023; 78: 926–36
  6. Yuen MF et al., Lancet Gastroenterol Hepatol 2023; 8: 790–802
  7. RKI, Epidemiologisches Bulletin 2024; 4: 11
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