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Allgemeinmedizin

Strukturierte Therapie

Disease-Management-Programm bei Adipositas

Dr. med. Tobias Wiesner

31.3.2022

Disease-Management-Programme sind seit 2002 in der Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen etabliert. Übergeordnetes Ziel dieser Programme ist die Verbesserung der Lebensqualität von chronisch Erkrankten durch eine strukturierte Therapie wie auch die Verbesserung der ärztlichen Behandlung.

Die Disease-Management-Programme (DMP) ­enthalten Vorgaben und Empfehlungen zu regelmäßigen Arztterminen mit Beratungsgesprächen, definierten Untersuchungen, aber auch Wissensvermittlung durch strukturierte Schulungen und werden in Zusammenarbeit zwischen Ärzten und gesetzlichen Krankenkassen angeboten. In Deutschland sind derzeit DMP für folgende chronische Erkrankungen verfügbar: Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Brustkrebs, Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 sowie koronare Herzkrankheit und chronische Herzinsuffizienz. In Kürze werden auch für Patienten mit Adipositas, Depression und chronischem Rückenschmerz entsprechende DMP verfügbar sein. In Summe werden zurzeit so etwa sieben Millionen Menschen betreut.

Die DMP haben einen wichtigen patientenorientierten Ansatz: es sollen Beschwerden der chronischen Erkrankung gelindert werden, das Fortschreiten aufgehalten, Komplikationen, Folgeschäden oder Begleiterkrankungen weitestgehend verhindert werden. Darüber hinaus soll die Lebensqualität verbessert und durch die strukturierte Behandlung der Umgang mit der Erkrankung erleichtert werden, dafür stehen auch systematisierte Schulungsmodule zur Verfügung. Eine weitere Aufgabe der DMP ist es, Rahmenbedingungen für interdisziplinäre und sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu schaffen, sodass Behandlungsschritte aufeinander abgestimmt erfolgen und Doppeluntersuchungen vermieden werden.

Wie bei jeder chronischen Erkrankung ist nun auch bei der komplexen Erkrankung Adipositas dieses multidisziplinäre und sektorenübergreifende Management gefordert. Daher schätzt das Bundesgesundheits­ministerium in seiner Stellungnahme im Jahr 2020 ein DMP Adipositas als „sinnvoll und zielführend […] für die Versorgung von Versicherten mit krankhaftem Übergewicht“ ein.

Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) sieht im DMP Adipositas das Potenzial, die defizitäre Versorgungssituation von Menschen mit Adipositas in Deutschland nachhaltig zu verbessern, durch eine dauerhafte, strukturierte, qualitätsgesicherte, multimodale und transsektorale Versorgung.

Mit Daten aus dem Jahr 2014 wird im DAK-Versorgungsreport Adipositas die durch Übergewicht verursachte Krankheitslast kalkuliert. Parameter sind hierbei verlorene Lebensjahre durch vorzeitigen Tod (YLL, years of life lost), Lebensjahre mit eingeschränkter Lebensqualität (DALY, disability-adjusted life years) und verlorene Lebensjahre durch krankheitsassoziierte Behinderung (YLD, years of life lost due to disability). Im Fokus stehen Krankheiten wie Brustkrebs, Darmkrebs, Arthrose, ischämische Herzerkrankungen, hypertensive Herzerkrankungen, Schlaganfall und Diabetes mellitus (Tab.). Die vorbenannten Parameter zeigen nun, dass im Mittel rund die Hälfte der verlorenen Lebensjahre durch vorzeitigen Tod an den genannten Krankheiten durch Adipositas verursacht ist (DALY = 15,2 %, YLL = 51,7 %, YLD = 48,3 %). Interessant ist die Kalkulation in dieser Arbeit, wie sich eine regelrechte medizinische Versorgung der Adipositas (Ernährungsberatung/-therapie, multimodales Programm/chirurgische Therapie) auf Krankheitslast, vorzeitige Todesfälle und die Kostensituation bei diesen sieben Krankheiten auswirken würde. Die theoretische Annahme der Behandlungsquote lag bei 15 % und 20 %. Eine strukturierte Betreuung würde zu einem Rückgang der Menschen mit Adipositas führen: um 24 % (-3,9 Mio., von 16,14 auf 12,22 Mio.) bzw. 33 % (-5,36 Mio., von 16,14 auf 10,78 Mio.), dabei käme es zu einem Rückgang der durch Adipositas bedingten Krankheits- und Sterbefälle um 34,9 % und 32,2 % (Behandlungsquote 15 %) bzw. 45,6 % und 43,2 % (Behandlungsquote 20 %). Das bedeutet, dass die durch Adipositas bedingten Krankheits- und Sterbefälle stärker zurück gehen als die Zahl der von Adipositas Betroffenen.

FAZIT: Ein strukturiertes Behandlungsprogramm wie das DMP Adipositas reflektiert das Wissen, dass Adipositas eben nicht ursächlich einer Hyperphagie entspringt, sondern mutlifaktorielle Ursachen und somit auch Therapieoptionen hat. Somit sollte es beitragen, langfristig Komorbiditäten der Adipositas und deren hohe Kosten für das Gesundheitswesen zu vermeiden oder zu reduzieren.

Der Autor

Dr. med. Tobias Wiesner
Praxis für Endokrinologie
Schwerpunktpraxis Diabetes mellitus
Hausärztliche Versorgung

tobias.wiesner@stoffwechselmedizin-leipzig.de

Literatur beim Autor
Bildnachweis: privat

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