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Allgemeinmedizin

Semaglutid und Liraglutid

Neue Wege beim Therapiemanagement der Adipositas

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

20.1.2023

Ziel einer Adipositastherapie ist die Gewichtsreduktion, denn der Body-Mass-Index (BMI) beeinflusst kardiovaskuläre Risikofaktoren, metabolische Parameter und die Entwicklung von Begleiterkrankungen. In den S3-Leitlinien wird Semaglutid als ein Baustein empfohlen, der das Körpergewicht nachhaltig reduziert.

Bei Adipositas gibt es Behandlungsoptionen, aber auch Versorgungslücken, sagte Prof. Dr. med. Jens Aberle (Hamburg). So werde der Therapiealgorithmus der aktuell überarbeiteten S3-Leitlinie nicht umgesetzt: Die Ernährungstherapie ist noch immer keine Regelversorgung, die bariatrische Chirurgie stark reglementiert und die begleitende Arzneimitteltherapie wird ausgeschlossen. Auch als Erkrankung ist Adipositas nicht anerkannt, wie aus dem „Lifestyle-Paragrafen“ (SGB V, Artikel 1, § 34) ersichtlich wird. Einzige Regelleistung der Basistherapie ist die begleitende digitale Gesundheitsanwendung. Zwar hat diese die gleiche Effektstärke wie die Ernährungstherapie, sie ist jedoch nicht nachhaltig, da es 95 % der Anwender nicht schaffen, das Gewicht langfristig um mehr als 10 % zu reduzieren.

Weniger Gewicht wirkt jedoch präventiv, denn jedes Kilogramm beeinflusst die Risikoparameter für Herz und Kreislauf, vor allem HbA1C, Triglyceride und Blutdruck. Sogar eine Diabetesremission ist möglich, wenn Adipöse mindestens 10 % Gewicht verlieren.

Sollte die an sich erfolgreiche bariatrische Chirurgie versagen, was nach fünf Jahren bei 10–15 % der ­Patienten der Fall ist, biete sich die Therapie mit Sema­glutid an. Gemäß Leitlinien kann eine Pharmakotherapie bei einem BMI über 28 plus Risikofaktoren oder Komorbiditäten sowie einem BMI über 30 unter bestimmten Voraussetzungen eingesetzt werden.

Langfristige metabolische Effekte

Die Glucagon-like-Peptide-1(GLP-1)-Rezeptoragonisten Liraglutid und Semaglutid erhöhen die Sekretion und Empfindlichkeit von Insulin und reduzieren die Ausschüttung von Glukagon, berichtete Dr. med. Markus Menzen (Bonn). Mit Liraglutid 3 mg wurde in der Erhaltungstherpie (160 Wochen) bei 2 254 adipösen Patienten ein durchschnittlicher Gewichtsverlust von 6,2 % erzielt (Placebo 1,9 %), wobei fast die Hälfte der Patienten mehr als 5 % Gewicht verloren hatte, so Menzen.

Mit Semaglutid 2,4 mg werden gleichmäßigere Plasmawerte erreicht, wobei die Substanz einmal wöchentlich subkutan verabreicht wird. Wie auch Liraglu­tid reguliert Semaglutid den Appetit, indem Hunger und das Verlangen nach Nahrung reduziert werden, gleichzeitig erhöht sich das Sättigungsgefühl. Bei 72 meist männlichen Personen im Alter von durchschnittlich 42,8 Jahren und einem durchschnittlichen ­Gewicht von 105,5 kg hatte sich in Woche 20 das Körpergewicht im Schnitt um 10,4 kg unter Semaglutid 2,4 mg reduziert (Placebo 0,4 kg), was einer relativen Gewichtsabnahme um 9,9 % entsprach [1].

In der Langzeittherapie über zwei Jahre verringerte sich das Körpergewicht im Mittel klinisch bedeutsam um 15,2 % vs. 2,6 % unter Placebo, wie bei 304 adipösen Patienten mit einem mittleren Anfangsgewicht von 106 kg gezeigt wurde (Abb.) [2].

Auch metabolische Effekte wurden sichtbar: HbA1C, Nüchternplasmaglucose und Triglyceride nahmen ab, ebenso Taillenumfang, Blutdruck und C-reaktives Protein. Es kam ferner zu einer Verschiebung des glykämischen Status: Von den Teilnehmern mit Prädiabetes zu Studienbeginn erhielten 50,7 % Semaglutid, wonach 79,7 % von ihnen in Woche 104 eine Normo­glykämie aufwiesen. Von den 42,1 % der Probanden mit Prädiabetes, die Placebo bekamen, erreichten 37 % im gleichen Zeitraum eine Normoglykämie [2].

Adipositas als Risiko nicht unterschätzen

Um auf die Bedeutung der KHK-Risikofaktoren hinzuweisen, fragt man Patienten am besten nach der Gewichtsentwicklung, so Dr. med. Engin Osmanoglou (Berlin). Übergewicht beeinflusst das Risiko für Adipositas, Typ-2-Diabetes, verschiedene Tumorerkrankungen, die Lebenserwartung und Mortalität. Verringert sich das Gewicht bei Adipösen dagegen um 5–10 %, wirkt das auch auf die Komorbiditäten, bei Typ-2-Diabetes sind das am häufigsten Nierenerkrankungen, diabetischer Fuß, Retinopathie und Herzinsuffizienz.

Allerdings wird nur ein Drittel der Patienten auf eine medikamentöse Therapie angesprochen. Dabei vermitteln GLP-1-Rezeptoranaloga vielfältige positive Effekte: lokal auf das Endothel und systemisch auf Herz, Fettgewebe, Gehirn und Pankreas. So senkt Semaglutid Entzündungsprozesse sowie das C-reaktive Protein und reduziert Plaqueläsionen, und zwar unabhängig vom Gewicht. Für die Praxis bedeutet das: Therapieoptionen aufzeigen und die Patienten langfristig begleiten, da die Rezidivrate hoch ist.

Die Autorin

Dr. rer. nat. Christine Reinecke
70378 Stuttgart

dres.reinecke@t-online.de
www.hello-biology.com

Dr. Christine Reinecke ist promovierte Diplom-Biologin und ­seit über 25 Jahren freiberufliche Autorin zahlreicher Publikationen der Naturheilkunde, Medizin und Pharmazie

  1. Friedrichsen M et al., Diabetes Obes Metab 2021; 23: 754–762
  2. Garvey WT et al., Nat Med 2022; 28: 2083–2091

Symposium „Adipositastherapie heute – neue Wege für Behandlung und Komorbiditätenmanagement“ anlässlich des Adipositaskongresses (Veranstalter: Novo Nordisk Pharma GmbH), Oktober 2022

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