- Anzeige -
Dermatologie

Onychomykose

Leitlinien-Update

Steffen Robens

9.3.2022

Die letzte Aktualisierung der Leitlinie für die Onychomykose stammte von 2006. Seitdem hat sich viel getan. Prof. Dr. med. Pietro Nenoff, Mitautor der für 2022 erwarteten Aktualisierung, erklärt in einem Interview, was sich geändert hat und welche Aspekte bei Diagnostik und Therapie unbedingt beachtet werden müssen.

PAD: In welchen Bereichen wurden wesentliche Veränderungen vorgenommen?

Prof. Dr. med. Pietro Nenoff: Wir haben jetzt ein sehr ausführliches Kapitel zu den verursachenden Pilzen. Das sind an erster Stelle die Dermatophyten. Wir sehen weltweit einen Trend hin zu Nicht-Dermatophyten (NDM), die immer häufiger als Ursache für Onychomykosen identifiziert werden. Auch gibt es nun eine ausführliche, tabellarische Darstellung von verschiedenen Dermatophyten, Schimmel- und Hefepilzen. Wir wollen den Kollegen so mehr Orientierung anbieten. Denn nicht jeder Erreger ist tatsächlich ein Infektionserreger, manche führen nur zu einer Besiedlung. Außerdem haben wir einiges zur Pathogenese der Onychomykose ergänzt.

Welche diagnostischen Empfehlungen gibt es in der neuen Leitlinie?

Wir haben einen besonderen Fokus auf eine moderne mykologische Diagnostik des Nagelpilzes gelegt. Besonders in den letzten drei Jahren hat sich da viel getan. In der Praxis gibt es das Problem, dass wir rein klinisch eine Onychomykose sehen, die sich in der klassischen Diagnostik aber nicht bestätigt. Dann kann ich auf moderne, molekulardiagnostische Methoden zurückgreifen und die Pilz-DNA per Polymerase-Kettenreaktion (PCR) nachweisen. Die Empfindlichkeit dieser Methoden ist um 15–30% höher als sie es bei Kultur und Nativpräparat ist. Es gibt die klassische PCR, aber auch die Real-Time-PCR (RT-PCR), die man heute kommerziell als Testkit erwerben kann. Außerdem gibt es den sogenannten Microarray. Das ist eine Kombination aus PCR und Hybridisierung. Bei der Hybridisierung werden zwei zueinander komplementäre Nukleinsäurestränge aneinandergelagert. So können spezifische Gen­sequenzen nachgewiesen werden. Beide Methoden sind sehr sensitiv und spezifisch. So kann ich nicht nur Dermatophyten, sondern auch Hefepilze und einzelne Schimmelpilze nachweisen.

Die PCR-Diagnostik ist in Deutschland nicht sehr verbreitet. Warum nicht?

Der Einheitliche Bemessungsmaßstab (EBM) sieht für gesetzlich versicherte Patienten in Deutschland keine molekulare Diagnostik für Pilzinfektionen vor. Bei Privatpatienten und Selbstzahlern dagegen ist es abrechenbar. Das kostet zwischen 130 und 200 Euro. Wir weisen alles von SARS-CoV-2 bis Syphilis per PCR nach. Es gibt keinen Grund, diese Technik nicht für die Diagnostik von Pilzen zu benutzen.

Ist es so wichtig, den genauen Erreger zu kennen?

Die meisten Dermatophyten sind obligat pathogen. Wenn ich etwas anderes nachweise, muss ich immer kritisch fragen: Ist das der Grund für die Infektion? Oder handelt es sich nur um eine Besiedlung? Entscheidend ist, die Diagnose der Onychomykose zu sichern und von Nagelerkrankungen anderer Genese abzugrenzen. Etwa 50% der Nagelveränderungen, die wie eine Onychomykose aussehen, sind keine. Und diese Diagnosen werden nicht nur von Fachfremden gestellt, sondern leider auch von Dermatologen. Es macht sich nicht jeder die Mühe, eine adäquate Diagnostik durchzuführen. Der Nutzen für den Patienten ist groß, aber der pekuniäre Nutzen für den Behandler ist es nicht. Für uns als Dermatologen muss aber der Anspruch gelten, die Diagnose Onychomykose sicher stellen, bevor behandelt wird. Nagellack empfehlen kann jeder.

Was ändert sich für die Therapie?

Die Therapie der Onychomykose ist ungleich komplizierter als noch vor zehn Jahren. Es stehen mit Terbinafin, Itraconazol und Fluconazol drei sichere Wirkstoffe zur Verfügung, die bei Kindern zwar auch angewendet werden können, aber teilweise nicht zugelassen sind. Wir haben genau aufgeführt, welches Medikament in welcher Dosierung wie lange gegeben werden kann. Die Kollegen werden in der Leitlinie eine gute Orientierung finden.

Gibt es neue Empfehlungen zur Medikation?

Das Mittel der Wahl bleibt vorerst Terbinafin. Gemäß Empfehlung wird eine Tablette täglich über zwölf Wochen eingenommen. Als Alternative zu Terbinafin haben wir Itraconazol und Fluconazol in die Leitlinie aufgenommen. Als topischen Nagellack empfehlen wir Amorolfin und Ciclopirox.

Wurde die Tietz‘sche Methode in die Empfehlungen mit aufgenommen?

Bei den deutschen Dermatologen ist die Behandlung mit Terbinafin nach der Tietz‘schen Methode weit verbreitet. Dabei wird nach einer Aufsättigungsphase nur noch eine Tablette pro Woche eingenommen. Weil diese Methode so verbreitet ist, haben wir dazu Stellung bezogen. Es gibt aber keine Studien dazu. Die Evidenz schätzen wir folglich als gering ein. Mit Blick auf die Erfahrung unserer Kollegen haben wir es als Expertenmeinung aufgenommen.

Inwiefern berücksichtigt die Leitlinie das Problemfeld Resistenzen?

Wir haben dem ein eigenes Kapitel gewidmet. Wir müssen heute damit rechnen, dass nicht mehr alle Dermatophyten so empfindlich gegen Antimykotika wie Terbinafin sind, wie sie es vor zehn Jahren waren. In dem Kapitel geht es um die mykologische Vorgehensweise bei einer Terbinafin-Resistenz und natürlich die Frage, welche Alternativen wir im Falle einer Nichtwirksamkeit haben. Das ist ein modernes, aber komplexes Verfahren. Als Alternative bei einer Terbinafin-Resistenz können wir etwa auf Itraconazol zurückgreifen.

Was sollten Ärzte in Bezug auf die Behandlung unbedingt beachten?

Wichtig ist der klinische Aspekt der Diagnosesicherung. Und das geht nur über eine mikrobiologische/mykologische Diagnostik, die heute eben auch mole­kularbiologisch sein sollte. In Bezug auf die Therapieschemata hat sich viel getan. Da gab es immer schon kontinuierliche und Puls-Therapien. Jetzt gibt es eben auch die auf Langzeit ausgelegte intermittierende Low-Dose-Behandlung, sowohl mit Terbinafin als auch mit Itraconazol. Und da muss man Erfahrungen sammeln, sollte sich aber auch bewusst sein, dass das keine zugelassenen Therapieformen sind. Auch die Themen Umgebungssanierung und Prophylaxe sind wichtige Punkte. Eine Onychomykose kann ohne Prävention wiederkehren. Diesen Aspekt sollten Dermatologen vorhersehen und ihm entgegenwirken.

Der Experte

Prof. Dr. med. Pietro Nenoff
Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten
Laborarzt mit Schwerpunkt
Allergologie und Andrologie

nenoff@mykologie-experten.de

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt