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Allgemeinmedizin

Schmetterlingserythem

Vielversprechende innovative Ansätze bei der Therapie des systemischen Lupus erythematodes

Dr. med. Bianca Bach

23.9.2022

Elf Jahre hat es gedauert, bis nach Belimumab mit Anifrolumab im Februar 2022 ein neuer Wirkstoff für Lupus-Patienten die Zulassung erhalten hat. Wahrscheinlich kommt noch in diesem Jahr Voclosporin bei Lupus-Nephritis hinzu. Dort ist inzwischen auch Belimumab zugelassen. Der Bedarf an neuen Optionen ist groß.

 Bei der Behandlung von systemischem Lupus erythematodes (SLE) geht es um mehr, als Symptome zu lindern. Krankheits- und therapiebedingte Komplikationen und Organschäden bestimmen die Prognose. Ihnen entgegenzuwirken ist ein wesentliches Therapieziel. Die Remissionsraten sind nach wie vor moderat, und bei jungen Frauen rangiert der SLE unter den führenden Todesursachen [1].

Grundsätzlich Glukokortikoide einsparen!

Eine Basistherapie mit Hydroxychloroquin (HCQ) ist immer angeraten und in der gewichtsadaptierten rheumatologischen Dosierung gut verträglich. Auch verbessert HCQ das bei SLE erhöhte kardiovaskuläre Risikoprofil.

Glukokortikoide (GC) sollte man nur mit klarem Ziel vor Augen verordnen und die Wirksamkeit daran messen. Ist das Ziel erreicht, oder wirken GC bei einer Manifestation nicht, schleicht man sie langsam möglichst ganz aus. Lassen sich nicht ≤ 5 mg/Tag Prednisolon erreichen, ist es besser, die übrige immunsuppressive Therapie anzupassen. Beschwerden ohne Bezug zur Krankheitsaktivität, wie fibromyalgieforme Schmerzen, Fatigue oder Depressionen, sind keine GC-Indikation. Es macht Sinn, GC bei jeder Vorstellung eines Patienten zu hinterfragen und die Therapiestrategie mit ihm abzustimmen [2].

Milde Verläufe mit reiner Haut-, Muskel- und Gelenkbeteiligung lassen sich meist gut beherrschen. Bei Serositiden oder Blutbildveränderungen ist in der Regel eine Immunsuppression mit Azathioprin erforderlich. Auch Methotrexat und Calcineurininhibitoren, wie Ciclosporin A (CsA) und off-label Tacrolimus (TAC), kommen bei SLE zum Einsatz. Bei schwerem Verlauf, vor allem bei Lupus-Nephritis (LN), braucht man neben hoch dosierten GC Cyclophosphamid oder Mycophenolsäure/Mycophenolatmofetil (MMF), um die Entzündung einzudämmen. MMF ist off-label, aber bei LN verordnungsfähig. In der Induktionstherapie wären 3 g/Tag ideal, viele Patienten vertragen aber allenfalls 2 g/Tag. Infektionen sind unter MMF und Cyclophosphamid ähnlich häufig.

Ansätze: B-Zellen und Interferon-Signalwege

Der gegen den B-Lymphozyten-Stimulator (BLyS) gerichtete Antikörper Belimumab (BEL) ist bei ­Erwachsenen als Zusatztherapie bei unter Standardtherapie aktivem, Autoantikörper-positivem SLE zugelassen. Er reduziert langfristig Krankheitsaktivität, Schubrate und GC-Bedarf und zögert Organschäden hinaus [3,4]. Inzwischen ist er auf Basis der Studie BLISS-LN auch als Zusatztherapie bei aktiver LN zugelassen [5]. Besonders profitieren Menschen mit proliferativer LN und einem Urin-Eiweiß/Kreatinin-Quotienten
< 3 g/g nicht aber solche mit stärkerer Proteinurie oder subepithelialen Ablagerungen [6].Der Typ-1-Interferon(IFN)-Rezeptor-Antikörper ­Anifrolumab vermindert als neues Wirkprinzip die Signalwirkung von Typ-1-IFN, einem Schlüsselzytokin bei SLE. Zugelassen ist es zusätzlich zur Standardtherapie bei moderatem bis schwerem, aktivem Autoantikörper-positivem SLE.

Die entscheidende Zulassungsstudie war TULIP-2 (Treatment of Uncontrolled Lupus via the Interferon Pathway). Hier erhielten 362 Patienten als Basis GC, HCQ oder Immunsuppressiva und dazu 300 mg Anifrolumab i. v. alle vier Wochen oder Placebo. Den primären Endpunkt, ein BICLA-Ansprechen (British Isles Lupus Assessment Group-based Composite Lupus Assessment, Abb.), erreichten nach 52 Wochen 47,8 % und 31,5 %. Auch beim SLE-Responder-Index(SRI)-4­-Ansprechen (Abb.) war der Unterschied mit 55,5 % und 37,3 % signifikant. Insgesamt sprachen laborchemisch aktivere Patienten und solche mit hoher IFN-Gensignatur besonders gut an. Vor allem besserten sich die Hautbefunde. GC zu reduzieren, gelang deutlich besser als unter Placebo: 51,1 % versus 30,2 % kamen anhaltend auf < 7,5 mg/Tag. Häufigste­­ Anifrolumab-Nebenwirkungen waren obere Atemwegsinfekte in 21,7 % und Herpes zoster in 7,2 % der Fälle. Anifrolumab scheint auch günstig auf die Niere zu wirken, Patienten mit aktiver LN waren aber aus der Studie ausgeschlossen [7].

Voclosporin vermindert die Proteinurie

Vielversprechend bei LN, vor allem zur raschen Verminderung der Proteinurie, ist Voclosporin. Pharmakokinetik und Sicherheitsprofil des Ciclosporin-Analagons sind günstiger als bei CsA und TAC, es bedarf keiner Spiegelkontrollen. In den USA hat es die Zulassung, in Europa ist sie beantragt. In der Phase-III-Studie AURORA-1 mit 357 Patienten mit aktiver LN unter MMF und GC sprachen innerhalb eines Jahres mit 41 % versus 23 % unter Placebo signifikant mehr Patienten komplett renal an. Im Median nach 84 und 169 Tagen, signifikant schneller als unter Placebo, sank bei 25 % bzw. 50 % die Proteinurie auf ≤ 0,5 mg/mg. GC konnten rasch reduziert werden. Das Sicherheitsprofil war mit Placebo vergleichbar [8].

Insgesamt sind in der SLE-Therapie viele Substanzen gescheitert, zuletzt auch Baricitinib. Allein die Auswahl und Rekrutierung geeigneter Studienpopulationen ist eine Herausforderung, zumal die seltene Autoimmunerkrankung sehr heterogen ist. Hinzukommen Schubdefinitionen und die Wahl der Aktivitäts- und Outcome-Parameter. Dass etwa Rituximab (RTX) trotz wiederholt erfolgreichen Einsatzes bei refraktärem SLE in der Phase-II/III-Studie EXPLORER insgesamt nicht besser abschnitt als Placebo, wurde unter anderem auch den strikten Outcome-Kriterien zugeschrieben [9,10].

B-Zell-gerichtete Therapien bedürfen einer ausreichend langen Studiendauer. Das wurde etwa bei dem schon in der Hämatologie zugelassenen Anti-CD20-Antikörper Obinutuzumab deutlich. An der Phase-II-Studie NOBILITY nahmen 125 Patienten mit proliferativer LN und Standardtherapie mit MMF und GC teil. Während zum primären Endpunkt in Woche 52 keine signifikanten Unterschiede auffielen, ergaben sich bis Woche 104 gegenüber Placebo signifikante Verbesserungen bei komplettem renalem Ansprechen, eGFR, Eiweiß/-Kreatinin-Quotient, Anti-dsDNS-Antikörpern und Komplement C3 und C4 [11]. Die Phase-III-­Ergebnisse werden mit Spannung erwartet.

Was die Pipeline noch hergibt

Mit Antikörpern gegen CD19 und CD38 wird ein noch breiteres Spektrum von B- und vor allem auch Plasmazellen anvisiert. So besserte der Anti-CD38-Antikörper Daratumumab bei zwei lebensbedrohlich erkrankten Patientinnen mit Lupus-Nephritis bzw. schwerer hämolytischer Anämie deutlich die Krankheitsaktivität sowie Anämie und Immunthrombozytopenie [12]. Erste erfolgreiche Fallberichte gibt es zu einer gegen CD19 gerichteten ­chimeric antigen receptor-modified-T(CAR-T)-Zell-Therapie [13]. Weitere Ansätze mit SRI-4-Ansprechen in Phase II sind etwa Litifilimab (BIIB059), ein Antikörper gegen BDCA2 (blood dendritic cell antigen 2), der offenbar besonders gut auf Arthritiden wirkt, sowie Iberdomid [14,15]. Letzteres fördert den Abbau wichtiger Transkriptionsfaktoren, wirkt kombiniert auf B-Zellen und IFN-α-Signalwege, vermindert die Antikörperbildung und bessert die Funktion regulatorischer T-Zellen (Mehr dazu im Journal Club).

IgG1-Fusionsproteine, die die Wirkung der Zytokine BLyS und APRIL (A Proliferation-Inducing Ligand) an B-Zellen und somit deren Stimulation vermindern, sind ebenfalls im Rennen. Allerdings hatten schwere Hypogammaglobulinämien mit zwei fatalen Pneumonien unter der wirksamen 150-mg-Dosis zur vorzeitigen Beendigung des entsprechenden Arms in einer Phase-III-Studie mit Atacicept (APRIL-SLE) ­geführt [16]. Telitacicept, ein ähnliches Medikament, wurde indes in China zugelassen. Untersucht werden ferner die Co-Stimulationsblockade via CD40 mit Dapirolizumab und der therapeutische Einsatz von Interleukin-2 (Aldesleukin).

Neben neuen Wirkstoffen spielen womöglich künftig auch Multitarget-Therapien mit Add-on-Biologika oder Kombinationen, etwa von MMF mit Calcineurininhibitoren, eine größere Rolle. Es gibt positive Fallserien zur Kombination von Cyclophosphamid mit RTX sowie Untersuchungen zu RTX plus BEL, mit allerdings teils widersprüchlichen Ergebnissen. In BEAT-LUPUS mit 52 therapierefraktären SLE-Patienten senkte eine Anschlussbehandlung mit BEL nach RTX innerhalb eines Jahres signifikant dsDNS-­­AK-Titer und Schubrisiko [17].

Lupusforschung ist anspruchsvoll. Trotz intensiver Forschung sind viele zunächst als aussichtsreich erachtete Therapien gescheitert. Mit der Zulassungserweiterung von Belimumab für die Lupus-Nephritis (LN), der Zulassung von Anifrolumab und der erwarteten Zulassung für Voclosporin bei LN hat sich jüngst viel getan. B-Zellen und IFN-Signalwege stehen weiter im Forschungsfokus, auch Multitarget-Ansätze werden untersucht. Gerade für Menschen mit refraktärem Verlauf werden neue Optionen händeringend gesucht, um die immer noch hohe Krankheitslast und Sterblichkeit zu minimieren.

Der Autor

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christian Wüster
Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Osteologe DVO
Ärztlicher Leiter des Hormon- und Stoffwechselzentrums Prof. Wüster MVZ GmbH Mainz

christian@wuster.de

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  2. Fischer-Betz R et al., Z Rheumatol 2021; 80: 332–338
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Bildnachweis: privat

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