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Allgemeinmedizin

SARS-CoV-2

COVID-19 erhöht Risiko für Typ-2-Diabetes

Prof. Dr. med. Wolfgang Rathmann

3.6.2022

Schon länger bestand der Verdacht, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 die Entstehung von Typ-2-Diabetes fördern könnte und dies als weitere Spätfolge der Erkrankung zu werten sei. Eine groß angelegte retrospektive Kohortenstudie sollte darüber Aufschluss geben.

SARS-CoV-2 kann Studien zufolge auch das menschliche Pankreas angreifen. Eine Infektion mit dem Virus reduziert die Anzahl von Insulin sekretierenden Granula in den Betazellen – zudem wurde eine verminderte Glucose-stimulierte Insulinsekretion beobachtet. Vermutlich schädigt SARS-CoV-2 Betazellen, indem es proinflammatorische Zytokine triggert, was noch monatelang nach der Infektion andauern kann. Proinflammatorische Verläufe, die zu chronischen geringgradigen Inflammationen in adipösem Gewebe führen, spielen indes eine wichtige Rolle in der Pathogenese von Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes. Und tatsächlich wurde von COVID-19-Patienten berichtet, die plötzlich eine Hyperglykämie und Insulinresistenz aufwiesen, obwohl sie zuvor keinen Diabetes mellitus hatten. Unklar war aber noch, ob diese metabolischen Veränderungen vorübergehend auftreten oder COVID-19-Erkrankte mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung und Manifestation von Typ-2-Diabetes leben müssen.

Dieser Fragestellung gingen Forschende des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) im Zuge einer retrospektiven Kohortenstudie nach [1]. Ziel war es, die Inzidenz von Typ-2-Diabetes bei Personen zu evaluieren, die eine SARS-CoV-2-Infektion mit milden Symptomen durchlitten hatten. Für die Kontrollgruppe wurden Personen mit einer akuten, in der Regel durch Viren verursachten, Infektion der oberen Atemwege (AURI) in die Untersuchung eingeschlossen. Die Kohortenstudie umfasste ein Panel von 1 171 Allgemeinarzt- und internistischen Praxen in ganz Deutschland, in denen 8,8 Millionen erwachsene Patienten zwischen 1. März 2020 und 31. Januar 2021 behandelt wurden. Individuen, die zuvor schon COVID-19 durchlitten oder eine Diabetes-mellitus-Diagnose erhalten hatten, waren ausgeschlossen. Ebenso Patienten, die Kortikosteroide einnahmen. Das Follow-up dauerte bis 31. Juli 2021.

Letztlich konnten die Daten von 35 865 Personen mit COVID-19 für die Analyse herangezogen werden. Die beiden Kohorten wurden bezüglich Geschlecht, Alter, Krankenversicherung, Monat der COVID-19- oder AURI-Diagnose und Komorbiditäten (Adipositas, Hypertonie, hoher Cholesterinspiegel, Herzinfarkt, Schlaganfall) gematcht. Nicht steroidale Antirheumatika nutzten beide Gruppe gleich. Povidon-Jod wurde aufgrund seiner viruziden Eigenschaften öfter in der COVID-19-Gruppe verschrieben, wohingegen die AURI-Gruppe mehr Antibiotika erhalten hatte.

Kein signifikant erhöhtes Risiko für andere Diabetes-Formen

Das Auftreten von Typ-2-Diabetes und andere Diabetes-Formen war im Personenkreis mit COVID-19 numerisch höher als in der Kontrollgruppe, jedoch nur für Typ-2-Diabetes statistisch signifikant. Die COVID-19-Gruppe zeigte über den gesamten Beobachtungszeitraum ein häufigeres Auftreten von Typ-2-Diabetes. Die Inzidenz betrug bei ihnen 15,8 pro 1 000 Personen pro Jahr im Vergleich zu 12,3 pro 1 000 Personen pro Jahr in der AURI-Gruppe. Die statistische Auswertung ergab ein Inzidenzratenverhältnis (IRR) von 1,28 (95%-Konfidenzintervall [KI] 1,05–1,57) – das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, war in der COVID-19-Gruppe gegenüber der AURI-Gruppe also um 28 % höher.

Diese Beobachtungen stimmen überein mit den Ergebnissen einer retrospektiven Kohortenstudie aus Großbritannien [2]. Diese analysierte die Daten von 47 780 COVID-19-Patienten, die schwerer erkrankt waren, eine höhere Viruslast sowie eine stärkere Aktivierung des Immunsystems aufwiesen. Hier betrug die Inzidenz für neu auftretenden Typ-2-Diabetes 29 pro 1 000 Personenjahre. Daraus folgt eine IRR von 1,5 (95%-KI 1,4–1,6).

FAZIT: Menschen mit COVID-19 haben ein signifikant höheres Risiko Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln als Personen mit einer akuten Infektion der oberen Atemwege. Für andere Diabetes-Formen zeigt diese Korrelation keine statistische Signifikanz. Sinnvoll wäre, wenn Menschen nach überstandener COVID-19 auf Warnzeichen wie Müdigkeit, häufiges Wasserlassen und vermehrten Durst achten und die Symptome zeitnah abklären lassen.

Der Autor

Prof. Dr. med. Wolfgang Rathmann
Stellvertretender Direktor
Institut für Biometrie und Epidemiologie
Deutsches Diabetes-Zentrum
40225 Düsseldorf

rathmann@ddz.de

Rathmann W et al., Diabetologia 2022; https://doi.org/10.1007/s00125-022-05670-0
Ayoubkhani D et al., BMJ 2021; https://doi.org/10.1136/bmj.n693

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