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Allgemeinmedizin

Refluxbeschwerden

Leitlinie GERD - neu verpackt oder Paradigmenwechsel

Prof. Dr. med. Joachim Labenz

31.1.2023

In Ländern mit hohem Lebensstandard steigt die Prävalenz der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) rasant. In der Therapie nehmen Protonenpumpen-Inhibitoren bisher einen hohen Stellenwert ein, den die Aktualisierung der Leitlinie relativiert und auch andere Medikamente empfiehlt.

 Refluxbeschwerden (Sodbrennen, saures Aufstoßen, Regurgitation) sind eine Volkskrankheit. Häufig wird angenommen, dass Refluxbeschwerden Folge einer Refluxkrankheit sind und die Terminologie legt dies auch nahe. Dabei wird ausgeblendet, dass Refluxbeschwerden viszerale Symptome sind – nicht spezifisch für Trigger, Organe oder Lokalisationen.

In der neuen S2k-Leitlinie „Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis“ wird diese Feststellung dem Therapiekapitel vorangestellt, verbunden mit der Aufforderung, zwischen Refluxbeschwerden mit und ohne gesicherte Refluxkrankheit zu unterscheiden. Im Management stellen sich daher Fragen, ob und ggf. wann muss man endoskopieren bzw. die Diagnose einer GERD erzwingen (Abb. 1).

GERD-Diagnose schwieriger als gedacht

Die GERD ist definiert als belästigende Symptome und/oder Läsionen als Folge von Rückfluss von ­Mageninhalt in die Speiseröhre. Im Regelfall wurde und wird auf diesen Nachweis verzichtet und stattdessen Surrogat-Parameter wie die Symptome oder eine zumeist leichte Refluxösophagitis als Beleg für die Krankheit herangezogen. Heute wissen wir – und so sagt es die Leitlinie auch explizit –, dass diese Parameter mit Ausnahme einer schweren Refluxösophagitis (Los Angeles Grad C/D), einer peptischen Striktur oder eines histologisch gesicherten Langsegment-Barrett-Ösophagus die sichere Diagnose nicht erlauben. Das bedeutet in ca. 90 % der Fälle ist zur definitiven Sicherung der Diagnose einer GERD eine Kombination aus Endoskopie und Histologie, Impedanz-pH-Metrie und ggf. hochauflösende Manometrie (neuer diagnostischer Goldstandard) erforderlich.

Therapie – wann, wen wie behandeln?

Refluxbeschwerden

Allgemeinmaßnahmen sollen heute an die erste Stelle der Therapie rücken, nicht weil sie „umsonst“ sind, sondern weil sie so gut wirken. Als gesichert gelten

  • Gewichtsreduktion (auch für Normgewichtige!),
  • Lifestyle-Maßnahmen (z. B. mediterrane Kost, mehrere kleine statt wenige große Mahlzeiten, keine Spätmahlzeiten, bicarbonatreiches Heilwasser),
  • Schlafposition (Linksseitenlage wichtiger als schiefe Ebene),
  • Zwerchfelltraining (Bauchatmung statt Brustatmung).

Bei konsequenter Umsetzung einer gesunden Lebensweise erreicht man Therapieeffekte in der Größenordnung einer Gabe von Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI).

Bei unzureichendem Effekt wird im nächsten Schritt eine medikamentöse Therapie empfohlen. PPI in Standarddosis bleiben eine Option, die Leitlinie erlaubt aber durchaus andere Medikamente (z. B. Alginate, Antazida, H2-Rezeptorblocker). Entscheidend ist an dieser Stelle nur, dass eine aus Patientensicht adäquate Symptomkontrolle gelingt.

Refluxkrankheit

Ist die Diagnose einer GERD gesichert, wird in der Akutphase ein PPI weiterhin empfohlen, für Patienten mit NERD (non-erosive reflux disease) in der niedrigen Standarddosis (20 mg Omeprazol-Äquivalent) über vier Wochen und bei Refluxösophagitis in der hohen Standarddosis (40 mg Omeprazol-Äquivalent) über acht Wochen.

Nach der Akuttherapie sollte der PPI abgesetzt werden, Ausnahme ist die schwere Refluxösophagitis (Los Angeles Grad C und D) und die peptische Striktur. Diese Patienten benötigen a priori eine Dauertherapie. Bei allen anderen Manifestationen sollte eine Therapieform gewählt werden, die zur zufriedenstellenden Kontrolle der Refluxsymptome genügt (s. o.), dies kann, muss aber nicht ein PPI sein. Eine Übertherapie gilt es zu vermeiden.

PPI-refraktäre Refluxbeschwerden

Sprechen Refluxbeschwerden auch auf eine Doppeldosis PPI (beste Option: 2 x 40 mg Esomeprazol) korrekt eingenommen (30 Minuten vor dem Frühstück und vor dem Abendessen) nicht an, sollte die PPI-Therapie beendet und nach drei bis vier Wochen eine spezialisierte Diagnostik (Endoskopie, Impedanz-pH-Metrie, hochauflösende Manometrie) durchgeführt werden. Hiermit gelingt es, die Ursache des PPI-Versagens zu identifizieren und die entsprechenden Therapieoptionen zu ergreifen (Abb. 2).

Barrett-Ösophagus

Der histologisch nachgewiesene Barrett-Ösophagus soll auch weiterhin überwacht werden. Die Behandlungsregeln folgen den oben skizzierten. Eine überzeugende wissenschaftliche Evidenz für eine Karzinomprävention (medikamentös, operativ) gibt es bis heute nicht, sodass auch keine Therapie des asymptomatischen Barrett-Patienten empfohlen wird.

Extraösophageale Symptome

Viele Symptome (Husten, Asthma, laryngeale Symp­tome, Erosionen des Zahnschmelzes u. a. m.) werden seit Jahrzehnten mit der GERD assoziiert. Nüchtern betrachtet gibt es für eine Untergruppe von Patienten mit refraktärem Husten und typischen Refluxsymptomen sowie für Patienten mit schwer kontrollierbarem Asthma (insbesondere nachts) Hinweise auf einen PPI-Effekt. Wahrscheinlich ist der Reflux selbst wichtiger als die Säure. Daten zur Operation liegen nur sehr begrenzt vor und lassen keine abschließende Beurteilung zu. Wegen der großen Zahl der Patienten, einem nicht zu unterschätzenden Placeboeffekt und schließlich auch in Ermangelung qualifizierter Diagnostik-Angebote empfehlen wir auch in der neuen Leitlinie primär eine intensive PPI-Therapie (Doppeldosis) für bis zu zwölf Wochen. Patienten, die darauf nicht ansprechen und auch typische Refluxsymptome haben, sollten dann einer hochqualifizierten Diagnostik (s. o.) zugeführt werden.

Antireflux-Intervention

Endoskopische Eingriffe (Endoplicatio) sind weiterhin experimentell und kommen nur für eine kleine Untergruppe ausgewählter Patienten in Betracht. Die Fundoplicatio ist weiterhin das Standardverfahren. Entscheidend für Erfolg und Komplikationen ist die chirurgische Expertise, sodass dieser Eingriff am besten nur in entsprechend qualifizierten Kliniken durchgeführt werden sollte. Es gibt neue Operationsverfahren, deren Stellenwert noch nicht abschließend beurteilt werden kann und deshalb bevorzugt im Zuge von z. B. Registerstudien von erfahrenen Refluxchirurgen durchgeführt werden sollten.

Gesicherte Indikation für eine Antirefluxoperation ist das Versagen einer konservativen Therapie bei ­gesicherter GERD. Darüber hinaus kommen Patienten mit GERD in Betracht, die eine chronische, PPI-abhängige GERD (mindestens ein Jahr) haben mit gesicherter Schädigung der Antirefluxbarriere (z. B. Hiatushernie) und bei denen etwaige Kontraindikationen ausgeschlossen wurden. In dieser Situation mit gutem Effekt einer konservativen Therapie muss die Indikation streng gestellt werden vor dem Hintergrund möglicher Risiken. Relevante Einflussfaktoren sind das Alter des Patienten, Komorbiditäten und Hospitalvolumen der Antirefluxeingriffe (in Skandinavien liegt diese Grenze bei 47 Eingriffen pro Jahr).

Eosinophile Ösophagitis

Es ist die zweithäufigste Erkrankung des Ösophagus. Dysphagie, oftmals nicht spontan geschildert, und Brennen hinter dem Brustbein sind im Erwachsenenalter die häufigsten Symptome. Das daran denken ist der erste und wichtigste Schritt in der Diagnostik. Endoskopie mit sechs Biopsien entlang der Speiseröhre sichern die Diagnose. Für die Akut- und Langzeittherapie hat sich das topische Steroid Budesonid in Form einer Schmelztablette bewährt. In Einzelfällen kommen auch PPI (off-label) und aufwendige Eliminationsdiäten in Betracht. Bei bereits fixierten Stenosen empfiehl sich eine endoskopische Dilatation. Zukünftig wird auch eine Behandlung mit Biologika (Dupilumab) eine Option sein.

Die neue Leitlinie führt zu einer Reihe von Paradigmenwechseln: 1. Unterscheide Refluxbeschwerden mit und ohne gesicherte Refluxkrankheit. 2. Das Therapieziel für 95 % der Patienten ist die Symptomkontrolle – Heilung von Läsionen und Prävention von Neoplasien rücken in den Hintergrund. 3. Die Diagnose einer GERD ist oftmals schwierig – zuverlässig gelingt sie mit Endoskopie, Impedanz-pH-Metrie und hochauflösender Manometrie.

Der Autor

Prof. Dr. med. Joachim Labenz
Direktor Innere Medizin
Medizinischer Direktor
Diakonie Klinikum Siegen,
Jung-Stilling Krankenhaus

joachim.labenz@diakonie-sw.de

Literatur beim Autor

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