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Recht

Rechtliche Tipps

Verkauf unwirksamer Mittel +++ Kündigung wegen WhatsApp-Inhalten +++ Eltern und Impfentscheidung

Andrea Schannath

30.11.2023

Aus der Praxis, für die Praxis – Rechtsanwältin Andrea Schannath, Justiziarin des Virchowbundes, beantwortet ausgewählte Fragen.

Gefängnisstrafe für Verkauf von wirkungslosen Krebsmitteln?

Frau Dr. K. aus Passau schildert uns folgende Problematik:

„An unserem Ärztestammtisch erzählte ein Kollege, dass ein Heilpraktiker ein völlig wirkungsloses Krebsmittel an schwer kranke Patienten verkauft habe. Er wurde angezeigt. Welche Strafe droht ihm?“

Frau Schannath: „In einem ähnlichen Fall hat das Landgericht Ingolstadt am 16.06.2023 (Az.: 1KLs 42 J 9059/19) eine Heilpraktikerin und den Anbieter des Mittels zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Heilpraktikerin bekam wegen Betrugs und weiterer Straftaten eine 3-jährige Haftstrafe, den Anbieter verurteilte die Strafkammer zu insgesamt 6 Jahren und 9 Monaten. Es ist als erwiesen anzusehen, dass die Heilpraktikerin und der Anbieter in rund einem Dutzend Fällen gewerbsmäßig betrogen und gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen haben. Außerdem müssen die Angeklagten die Verkaufserlöse zurückzahlen: der Anbieter 73.000 Euro, die Heilpraktikerin 42.000 Euro. Den deutlichen Unterschied in den Strafmaßen begründete der Vorsitzende damit, dass der Anbieter als ‚Initiator des betrügerischen Geschäfts‘ die Heilpraktikerin ‚in seine Vertriebsstruktur eingebunden hat‘. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Heilpraktikerin ihre Heilpraktikerzulassung ‚zwingend‘ verlieren werde, sollte das Urteil rechtskräftig werden. Zulasten beider Angeklagter sei zu werten, dass die Taten ‚eine ganz erhebliche Schäbigkeit‘ offenbarten. Beide hätten die Verzweiflung ‚vom Schicksal geschlagener Menschen‘ ausgenutzt – ‚aus reinem Gewinnstreben‘.“

Kündigung wegen Äußerungen in einer WhatsApp-Chatgruppe?

Frau Dr. L. aus Berlin wendet sich mit dieser Frage an uns:

„Eine Mitarbeiterin unseres MVZ gehört seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Mitarbeitern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder sind ‚langjährig befreundet‘, zwei miteinander verwandt. Wie ich jetzt erfahren habe, äußerte sich die Mitarbeiterin neben rein privaten Themen – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise u. a. über uns Praxisinhaber und Arbeitskollegen. Kann ich die Mitarbeiterin jetzt fristlos kündigen?“

Frau Schannath: „Ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexis­tischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 24.08.2023 (Az.: 2 AZR 17/23) entschieden und damit der Entscheidung des Beru­f­ungsgerichts widersprochen. Nach Ansicht der Richter des BAG hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Arbeitnehmers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint. Eine Vertraulichkeits­erwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben. Daher ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben, darzulegen, warum er erwarten konnte, dass seine Äuß­e­r­ungen vertraulich behandelt werden.“

Übertragung der Impfentscheidung ohne STIKO-Empfehlung auf einen Elternteil zulässig?

Herr Dr. Z. aus Neuss hat folgendes Problem:

„Die getrenntlebenden Eltern eines 6-jährigen Kindes, das bei mir in Behandlung ist, streiten sich über die Impfung des Kindes. Der Vater möchte das Kind unter anderem gegen Rotaviren, Haemophilus influenzae Typ b (Hib) und Pneumokokken erneut impfen lassen. Die Mutter ist dagegen. Der Vater hat jetzt beim Amtsgericht beantragt, ihm die Entscheidungsbefugnis über die Impfung zu übertragen. Hat dies Aussicht auf Erfolg?“

Frau Schannath: „Ist die Impfung eines Kindes nicht mehr von der Empfehlung der STIKO als Regelimpfung umfasst, findet keine Übertragung der Impfentscheidung auf einen Elternteil statt. Dies gilt etwa bei einer Nachholimpfung gegen Rotaviren, Hib und Pneumokokken. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. am 11.07.2023 (Az.: 6 UF 53/23) entschieden. Bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Schutzimpfungen auf einen Elternteil werde grundsätzlich maßgeblich darauf abgestellt, dass ein Elternteil Impfungen offen gegenübersteht und seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert.“

Die Expertin

Andrea Schannath
Rechtsanwältin und Justiziarin des VirchowBunds
Chausseestr. 119 b
10367 Berlin
Tel.: +49 (0)30 - 288 774 125

Der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands berät seine ­Mitglieder in ­Niederlassung und ­Anstellung in allen Rechts­­bereichen, insbesondere im Berufs-, Arbeits-, Miet- und Gesellschaftsrecht.

Bildnachweis: thenatchdl (iStockphoto); privat

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