- Anzeige -
Recht

Lipohyperplasia dolorosa

Weg zur bedarfsgerechten Versorgung

Ruth Leitenmaier

13.5.2023

Erst in den vergangenen Jahren ist die Erkrankung Lipohyperplasia dolorosa (LiDo) in den Medien vermehrt in Erscheinung getreten. Immer wieder wird suggeriert, dass insbesondere die Kosten für die operative Therapie ausnahmslos übernommen werden. Problem gelöst? Die tatsächliche Situation gestaltet sich anders.

Im Hinblick auf die konservative Therapie haben sich zwar die Bedingungen für die Verordnung der manuellen Lymphdrainage (MLD) verbessert, da diese für GKV-Versicherte nicht mehr in das Budget fällt, sondern bis einschließlich 31.12.2024 als besonderer Versorgungsbedarf anzusehen ist. Allerdings werden Kompressions-Wechselversorgungen und Geräte zur intermittierenden pneumatischen Kompressionstherapie (IPK) zunehmend Gegenstand von Widerspruchs- und Klageverfahren.

Kostenübernahme auch bei LiDo Grad 1 und 2 unter engen Voraussetzungen möglich.

Hinsichtlich der operativen Therapie bei Lipohyperplasia dolorosa (LiDo) hat sich in den Jahren seit 2020 sehr viel getan. Betroffene im Stadium III profitieren vom Beschluss des G-BA vom 19.09.2019 und können sich ohne Antragstellung ambulant und stationär behandeln lassen, sofern sie die konservative Therapie seit mindestens sechs Monaten durchgeführt haben, der Behandler die geforderte Qualifikation (insbesondere über 50 bereits vor Erlass der Richtlinie durchgeführte Liposuktionen bei LiDo) aufweist und ihr BMI unter 35 kg/m² liegt. Bei einem BMI zwischen 35 und 49 kg/m² ist eine adä­quate Adipositas-Therapie nachzuweisen, die nicht zwingend in einer bariatrischen Operation besteht.

Bei einem BMI von mehr als 40 kg/m² „soll“ die Liposuktion bei LiDo nicht durchgeführt werden, dies beinhaltet jedoch lediglich die Vorgabe, dass eine fundierte Risikoabwägung bereits im Befundbericht vorzunehmen ist, den die Betroffenen bei der Krankenkasse einreichen werden [1].

Kostenübernahme schon früher möglich

Die Neufassung der §§ 39, 137c SGB V im Rahmen des EIRD eröffnet Kostenübernahmemöglichkeiten auch für LiDo-Patienten in den Stadien I und II [2]. Dies gilt jedoch nur für die stationäre Krankenhausbehandlung. War noch in den BSG-Urteilen vom 24.04.2018 [3] keine stationäre Behandlung zulasten der GKV mehr denkbar, ist nunmehr unter engen Voraussetzungen ein individueller Heilversuch zulässig [4].

Dies setzt neben der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit eine schwerwiegende Erkrankung voraus, welche die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigt, sowie die Nichtverfügbarkeit einer anderen Standardmethode. Das Potenzial der Liposuktion bei LiDo, eine erforderliche Behandlungsalternative darzustellen, ist aufgrund der Erprobungsrichtlinie des G-BA gegeben. Die anderen beiden Merkmale führen seit Mitte 2022 zu zahlreichen Zurückverweisungen durch das BSG an die Landessozialgerichte. Das Jahr 2023 dürfte insofern ­einige neue Erkenntnisse bieten.

Beihilfe und private Krankenversicherung nehmen zwischenzeitlich häufig im Hinblick auf das Vorliegen der medizinischen Indikation – unter Berücksichtigung der bundes- und landesrechtlichen Beihilfevorschriften sowie des jeweiligen Versicherungstarifs – Bezug auf die Vorgaben der gesetzlichen Krankenversicherung.

Arbeitsunfähigkeit und Grad der Behinderung

Eine Arbeitsunfähigkeit nach einer Liposuktion bei Patienten mit LiDo fällt zwar unter die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (sozialversicherungsrechtliche Abgrenzung), schwieriger gestaltet sich der Sachverhalt jedoch in arbeitsrechtlicher Hinsicht. Denn Arbeitsunfähigkeit im arbeitsrechtlichen ­Sinne liegt vor, wenn der betreffende Arbeitnehmer objektiv nicht oder nur unter der Gefahr einer gesundheitlichen Verschlechterung fähig ist, die ihm nach dem Arbeitsvertrag obliegende Arbeit zu verrichten. Nur wenn dies zutrifft, kann ein Anspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) entstehen. Es reicht jedoch auch aus, wenn sich der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers in absehbarer, naher Zeit bis hin zur Arbeitsunfähigkeit verschlechtern würde [5].

LiDo-Patienten können außerdem beim Vorliegen von Beeinträchtigungen in der Teilhabe im Sinne des SGB IX einen Grad der Behinderung (GdB) beantragen. Für die Erlangung eines Schwerbehindertengrades reichen regelmäßig allein die Beeinträchtigungen aufgrund von LiDo nicht aus. Bei der Antragstellung ist zusätzlich an die Erteilung des Merkzeichens G zu denken (Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit), in seltenen Fällen an aG (außergewöhnliche Gehbehinderung).

Finanzielle Aspekte

Einkommensschwache LiDo-Patienten können Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe (PKH) beantragen. Für berufstätige Patienten besteht die Möglichkeit der steuerlichen Geltendmachung insbesondere von OP-Kosten als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EstG). Hier ist umstritten, ob ein amtsärztliches Attest (Bescheinigung für steuerliche Zwecke im ­Sinne des § 64 EStDV) erforderlich ist [6].

Die GOÄ stellt bekanntermaßen den wissenschaftlichen Fortschritt nicht mehr angemessen dar. Insofern sind der Abschluss einer Honorarvereinbarung gemäß § 2 GOÄ und eine adäquate wirtschaftliche Aufklärung erforderlich.

Für Inhaber einer konzessionierten Privatklinik im Sinne des § 30 GewO können sich in Annäherung an die Rechtsfigur des totalen Krankenhausvertrags andere Abrechnungsmöglichkeiten ergeben [7].

Die Autorin

Ruth Leitenmaier
Fachanwältin für Sozialrecht
Schwerpunkt: LiDo und Adipositas, Sozial- und Medizinrecht
92334 Berching

info@kanzlei-leitenmaier.de
Tel.: +49 (0)8460 / 541

1 Lymphologischer Informationsdienst, Hg., LYMPHE & Gesundheit 2019; 4: 6
2 Gesetz zur Errichtung des Implantateregisters Deutschland und weiteren Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch v. 12.12.2019, in Kraft getreten ab 01.01.2020
3 BSG-Urteile v. 24.04.2018, Az. B 1 KR 29/17 R, B 1 KR 10/17 R
4 BSG-Urteil v. 25.03.2021, Az. B 1 KR 25/20 R
5 Umkehrschluss aus Urteil AG FFM, Az. 4 Ca 8647/99
6 Anhängiges BFH-Verfahren VI R 39/20 (Urteil voraussichtlich Ende 2023), Vorinstanz: Sächs. FG, Urteil v. 10.09.2020, Az. 3 K 1498/18
7 LG Köln, Urteil v. 15.02.2022, Az. 3 O 231/19

Bildnachweis: privat

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt