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Praxisoranisation

Räumlichkeiten und Abläufe

Minimalismus in der Arztpraxis – Weniger ist mehr

Theresia Wölker

22.10.2025

Minimalismus ist längst kein reines Lifestyle-Thema mehr. Auch im medizinischen Umfeld gewinnt das Prinzip des bewussten Weglassens zunehmend an Bedeutung. Reduzierte Gestaltung und schlanke Prozesse schaffen eine ästhetisch ansprechende Praxis und wirken sich auf Effizienz und die Arbeitsbelastung des Teams aus.

Im Sinne des modernen „Lean Managements“ ist die Arztpraxis so aufzustellen, dass alle wirtschaftlichen Aktivitäten zielorientiert ausgerichtet werden, unnötige Tätigkeiten entfallen, Verschwendung reduziert wird und damit Kosten vermieden oder gar abgebaut werden.

Soweit der äußerlich erkennbare Nutzen eines funktionierenden Qualitätsmanagement-Systems in einer anspruchsvoll geführten Facharztpraxis. Im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung stellt sich die Frage, ob auch das „Lebensprinzip Minimalismus“ dazu beitragen könnte, Business Excellence anzustreben und sicherzustellen.

Definition „Minimalismus“

Der Begriff „Minimalismus“ wird in verschiedenen Zusammenhängen verwendet. Laut Duden ist es die bewusste Beschränkung auf ein Minimum, auf das Nötigste. Es gibt Minimalismus in der Kunst, in der Architektur usw. Und, es gibt Minimalismus auch als Lebensstil, auch am Arbeitsplatz.

Die Japanerin Marie Kondo wurde 2019 international bekannt durch ihre spezielle und radikale Aufräummethode „KonMari“. Zuvor schon war der Begriff „Danshari“ durch die Autorin Hideko Yamashita in Japan populär geworden: mit dem Fokus auf das Wesentliche und dem Verzicht von Überflüssigem. Das japanische „Entrümpeln“ ist eine Aneinanderreihung von drei Wörtern, die im Sinne „trennen“ bedeuten:

  • (dan) – Abschneiden: unwichtige Dinge nicht in das eigene Leben lassen.
  • (sha) – Wegwerfen: regelmäßig nicht benötigte Dinge weggeben/entsorgen.
  • (ri) – Loslassen: sich von der Anhaftung an Dinge befreien und lernen, sich auf das Wichtige im Leben zu konzentrieren.

Wenn dem Danshari auch heute der beengte Wohnraum in Japan zugrunde liegt, ist Minimalismus ein traditionelles Charakteristikum, welches hilft, ­nicht durch Unnötiges vom Wesentlichen abzulenken.

Auch in der Philosophie des skandinavischen Minimalismus geht es darum, unnötige Elemente wegzulassen und sich auf das Wichtige zu konzentrieren.

Der skandinavische Stil ist unaufgeregt, schlicht und funktional. All das sind Eigenschaften, die man auch dem Minimalismus zuschreibt. Egal ob in puncto Kleidung oder bei der Einrichtung, die Skandinavier leben nach dem Motto „weniger ist mehr“. Es geht auch um ein positives Lebensgefühl (weniger Ballast, mehr kleine Alltagsfreuden), von den Dänen als „Hygge“ bezeichnet.

Minimalismus ist auch ein äußeres Zeichen von Balance – also weder zu viel, noch zu wenig – sondern genau richtig. Das Gegenteil von Pracht und Überfluss.

Beim chinesischen „Feng Shui“ stehen neben der idealen Raumgestaltung Ordnung und Sauberkeit im Fokus. Ziel ist die Harmonisierung des Menschen mit seiner Umgebung, die durch die besondere Gestaltung der Wohn- und Lebensräume erreicht werden soll. Auch das Zukunftsinstitut kennzeichnet den Megatrend Minimalismus „als einen Lebensstil des Postkapitalismus“, der sich momentan rasant entwickelt. Die wachsende Gruppe der Minimalisten könnte wegweisend für eine Ökonomie der Zukunft sein.

„Das Aussortieren des Unwesentlichen ist der Kern aller Lebensweisheit.“ Laozi, chinesischer Philosoph, 6. Jahrhundert v. Chr.

Vorteile einer minimalistischen Arztpraxis

Jeder Praxisinhaber hat seine persönlichen Vorlieben, wie Praxisräume eingerichtet werden. Im Laufe der Jahre können sich Dinge und Gegenstände ansammeln, die Platz rauben und die Ästhetik stören. Doch jedem sollte klar sein: Eine Praxis vermittelt den wichtigen ersten Eindruck über ihre Architektur und Gestaltung. Überfüllte Regale, überladene Wände oder unübersichtliche Ablagesysteme wirken da nicht nur unruhig, sondern auch unprofessionell. Eine minimalistische Einrichtung schafft dagegen Ruhe, Transparenz und Orientierung.

Studien zeigen, dass visuelle Reize Stresslevel beeinflussen. Eine reduzierte Umgebung kann Angst und Unruhe senken – insbesondere in Wartebereichen. Klare Linien und funktionale Möbel vermitteln Kompetenz und Struktur und weniger Gegenstände bedeuten weniger Staubfänger und erleichtern die Reinigung.

Im Minimalismus dreht sich alles um Reinheit und Ruhe, auch in Räumlichkeiten, die diese ausstrahlen. Ruhe deshalb, weil sie Professionalität vermittelt und weil man zusätzliche Ablenkung und negative Räume durch unnötigen Krimskrams vermeidet.

Zudem gilt „Ballast belastet“! Zu viele Gegenstände und unaufgeräumte Arbeitsplätze können zu Gefühlen von Überforderung und Unruhe führen, weil das Gehirn ständig mit der Verarbeitung von visuellen und mentalen Ablenkungen beschäftigt ist. Die Folgen sind klar: Unsere kognitive Leistungsfähigkeit leidet und wir fühlen uns schneller gestresst. Äußere Ordnung im Alltag ist daher ein wichtiger Schlüssel zum Stressabbau beim gesamten Praxisteam. Klarheit und Struktur lassen aufatmen, sie schaffen innere Gelassenheit und unterstützen das allgemeine Wohlbefinden. Das schätzen auch die Patientinnen: das stilvoll Schöne und ein geordnetes Außen.

Im Internet kann man als Unterstützung professionelle „Ordnungs-Coaches“ buchen, die „ultimative Ausmist-Tipps“ geben und mit dem Aufräumen auch Klarheit, Leichtigkeit und Freiheit versprechen. Ein Blick auf die Stunden- oder Tagessätze kann dann aber schnell davon überzeugen, dass man das gleiche Ergebnis als Praxisteam auch ohne Guru schaffen kann.

Minimalismus als Kulturprinzip

Minimalismus in der Praxis ist mehr als eine Design- oder Prozessentscheidung – es ist eine Haltung. Teams, die bewusst entscheiden, welche Strukturen, Abläufe und Materialien wirklich notwendig und welche ohne Qualitätsverlust verzichtbar sind, entwickeln eine Kultur der Achtsamkeit und Effizienz.

Die folgenden Empfehlungen können Ihnen dabei die Umsetzung erleichtern:

  • Einmal jährlich interne „Minimalismus-Tage“ durchführen, am besten im Zuge eines kleinen Team­events: Das Team überprüft Räume, Abläufe und Dokumentationen auf Überflüssiges.
  • Feedback der Patientinnen gezielt einholen, z. B. zu Wartezimmergestaltung oder Terminorganisation.
  • Regelmäßig Fortbildungen zu Lean Management, Prozessoptimierung und digitaler Praxisführung besuchen.

Der Minimalismus als Lebensphilosophie entstand als eine Art Gegenbewegung zum Konsumrausch und Materialismus. Er gründet auf der Erkenntnis, dass ein Leben nur mit den absolut notwendigen materiellen Gütern, glücklicher und insgesamt zufriedener machen kann.

Einige Grundsätze des Minimalismus lassen sich auch im praktischen Qualitätsmanagement einer Facharztpraxis nutzen. Im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung (entspricht dem methodischen QM-Prinzip „Kai-Zen“ = „Veränderung zum Besseren“) zielt diese Philosophie darauf ab, ein Unternehmen täglich besser zu machen: durch die Kraft vieler kleiner Schritte.

Minimalismus kann helfen, sich von unnötigem Ballast zu befreien und zielorientiert für unbedingte äußere Ordnung und klare Strukturen zu sorgen.

Wenn das Leben zu voll ist, hilft es, sich gedanklich darauf zu fokussieren, den Alltag zu vereinfachen und sich von unnötigen Dingen zu befreien.

Richtig aufräumen, ausmisten und endlich Raum für das Wesentliche schaffen ist ein Prozess, der die Arbeitsumgebung nicht nur deutlich schöner macht, sondern Herz und Seele aufatmen lässt. Denn nicht nur Patientinnen, sondern vor allem die Praxisteams sollten sich über viele Jahre hinweg in ihren Arbeitsräumen wohlfühlen und jeden Morgen die Praxis mit einem guten Gefühl betreten.

Die Autorin

Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, ­Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)

www.theresia-woelker.de

Bildnachweis: Tetiana Petrova (gettyimages)

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