Im Auftrag der Incyte Biosciences Germany GmbH haben wir geprüft, ob private Krankenversicherungen zur Erstattung der Arzneimittelkosten einer zulassungskonformen Verordnung von Opzelura® zur Behandlung von nichtsegmentaler Vitiligo mit Beteiligung des Gesichts bei Erwachsenen und Jugendlichen im Alter ab 12 Jahren verpflichtet sind. Diese Frage ist zu bejahen.
Nach § 192 Abs. 1 VVG müssen private Krankenversicherungen „Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit … erstatten“. Konkretisiert wird diese Vorgabe in den Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 2009, Stand: Juni 2024). Dort werden hinsichtlich der Arzneimittel die ärztliche Verordnung und der Bezug über eine Apotheke zur Voraussetzung der Leistungspflicht gemacht (§ 4 Abs. 3 MB/KK). § 4 Abs. 6 Satz 1 MB/KK erstreckt den Leistungsanspruch sodann auf Arzneitherapien, „die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind“.
Vitiligo ist eine Krankheit
Unter „Krankheit“ ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anormaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand zu verstehen, der eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt (z. B. BGH, Urteil vom 17.02.2016 – IV ZR 353/14 m. w. N.).
Bei der Vitiligo fehlen aufgrund autoimmunologischer Prozesse Melanozyten, sodass eine Normabweichung vorliegt. Auch wenn sich die Krankheit äußerlich manifestiert, hat dies nicht lediglich untergeordnete kosmetische Bedeutung. Jedenfalls bei Vorliegen einer – von der Zulassung von Opzelura® vorausgesetzten – Gesichtsbeteiligung liegt eine nicht ganz unerhebliche Störung des Körperzustands vor, sodass der Krankheitsbegriff nicht nur im Sinne der gesetzlichen, sondern auch im Sinne der privaten Krankenversicherung erfüllt ist.
Medizinisch notwendige und von der Schulmedizin anerkannte Heilbehandlung
Nach der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 29.03.2017 – IV ZR 533/15) ist eine Heilbehandlung medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Vertretbar ist die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung, wenn sie sowohl in begründeter und nachvollziehbarer wie fundierter Vorgehensweise das zugrunde liegende Leiden diagnostisch hinreichend erfasst und eine ihm adäquate, geeignete Therapie anwendet.
Die Behandlung von nichtsegmentaler Vitiligo mit Beteiligung des Gesichts bei Erwachsenen und Jugendlichen im Alter ab 12 Jahren mit Opzelura® ist eine arzneimittelrechtlich zugelassene und damit von der zuständigen Behörde als wirksam und sicher qualifizierte Behandlung der Vitiligo. Es ist daher im Sinne der Rechtsprechung zumindest „vertretbar“, sie als im Sinne von § 1 MB/KK medizinisch notwendig anzusehen.
Als zugelassene Therapie der Vitiligo gilt die zulassungskonforme Verordnung von Opzelura® zudem auch als im Sinne von § 4 Abs. 6 Satz 1 MB/KK von der Schulmedizin überwiegend anerkannt.
Keine Ausnahme von PKV-Leistungspflicht
Nach § 192 Abs. 2 VVG und § 5 Abs. 2 MB/KK ist die private Krankenversicherung insoweit nicht zur Leistung verpflichtet, als die Aufwendungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen. Geklärt ist insoweit, dass sich die Beurteilung, ob ein Missverhältnis besteht, am Marktpreis für die tatsächlich erbrachte Leistung orientiert (BGH, Urteil vom 22.04.2015 – IV ZR 419/13). Da den privaten Krankenversicherungen für Opzelura® nur genau die gleichen Kosten entstehen wie bei einer Verordnung zulasten gesetzlicher Krankenkassen, beschränkt § 192 Abs. 2 VVG nicht die Leistungspflicht privater Krankenversicherungen.
Weitere Ausnahmen von der Leistungspflicht – etwa wegen sog. Lifestyle-Indikationen – gibt es im Recht der privaten Krankenversicherung nicht. Eine Leistungsverweigerung lässt sich also auch nicht auf vermeintlichen „Lifestyle“ stützen – abgesehen davon, dass die medikamentöse Einwirkung auf das krankhafte Autoimmungeschehen der Vitiligo mit Gesichtsbeteiligung nicht Lifestyle, sondern Krankenbehandlung ist.
OPZELURA® 15 mg/g Creme
Wirkstoff: Ruxolitinib (als Phosphat). Bevor Sie Opzelura® verschreiben, lesen Sie bitte die vollständige Fachinformation (Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels). Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Ein Gramm der Creme enthält 15 mg Ruxolitinib (als Phosphat). Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Propylenglykol (E1520) 150 mg/g der Creme, Cetylalkohol (Ph.Eur.) 30 mg/g der Creme, Stearylalkohol (Ph.Eur.) 17,5 mg/g der Creme, Methyl-4-hydroxybenzoat (E218) 1 mg/g der Creme, Propyl-4-hydroxybenzoat (Ph.Eur.) 0,5 mg/g der Creme, Butylhydroxytoluol (als Antioxidationsmittel in weißem Vaselin) (E321). Weitere sonstige Bestandteile: Dimethicon (E900), Natriumedetat (Ph.Eur.) (E385), Glycerolstearate SE, Macrogol, mittelkettige Triglyceride, dünnflüssiges Paraffin (E905), weißes Vaselin (E905), Phenoxyethanol (Ph.Eur.), Polysorbat 20 (E432), gereinigtes Wasser, Xanthangummi (E415). Anwendungsgebiete: Opzelura® wird angewendet zur Behandlung von nichtsegmentaler Vitiligo mit Beteiligung des Gesichts bei Erwachsenen und Jugendlichen im Alter ab 12 Jahren. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Schwangerschaft und Stillzeit. Nebenwirkungen: Häufige Nebenwirkungen (≥ 1/100, < 1/10): Akne an der Applikationsstelle. Verkaufsabgrenzung: Deutschland: Verschreibungspflichtig. Österreich: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Pharmakotherapeutische Gruppe: Andere Dermatika, Mittel zur Behandlung der atopischen Dermatitis, exklusive Corticosteroide, ATC-Code: D11AH09. Inhaber der Zulassung/pharmazeutischer Unternehmer: Incyte Biosciences Distribution B.V., Paasheuvelweg 25, 1105 BP Amsterdam, Niederlande. Weitere Informationen: Ausführliche Informationen zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen sowie Dosierung und Art/Dauer der Anwendung entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation (Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels). Stand: 05/2023
DE/OPZL/P/25/0049
Impressum
Bericht: Dr. iur. Gerhard Nitz I Redaktion und Konzept: Dr. med. Christine Adderson-Kisser
MiM Verlagsgesellschaft mbH (Neu-Isenburg)
Mit freundlicher Unterstützung der Incyte Biosciences Germany GmbH (München)
Bildnachweis: ABCDESIGN (Adobe Stock)