Chronische Erkrankungen in der Gastroenterologie manifestieren sich oft schon im Kindesalter, betreffen die Patienten und Patientinnen aber lebenslang. Die Symptome sind häufig unspezifisch oder stellen sich anders dar als bei Erwachsenen, was die Diagnosestellung erschwert.
Störungen des Immunsystems spielen in der pädiatrischen Gastroenterologie eine wichtige Rolle. Im Folgenden werden 3 Beispiele beschrieben:
Gluten-sensitive Zöliakie
Die Aufnahme von Gluten oder ähnlichen Prolaminen (Speicherproteine aus Getreidesamen) führt, meist bei einer genetischer Prädisposition (humane Leukozyten Antigene HLA-DQ2/DQ8), zu einer Immunreaktion mit Bildung von Auto-Antikörpern gegen Transglutaminase (TGA) 2 und Endomysium. Die Therapie besteht entsprechend in einer lebenslangen streng-glutenfreien Diät. Wie bei vielen immunvermittelten Erkrankungen zeigt sich in Europa und den westlichen Industrienationen eine stark ansteigende Prävalenz. Meist findet die Serokonversion im Alter von 2 bis 3 Jahren statt. Somit waren die meisten Erwachsenen, bei denen eine Zöliakie diagnostiziert wurde, schon im Vorschulalter erkrankt.
Neben der Genetik gelten als weitere Risikofaktoren frühe gastrointestinale Infektionen (z. B. durch Rotaviren) sowie eine hohe Glutenzufuhr. Mädchen haben ein höheres Erkrankungsrisiko als Jungen. Der Geburtsweg und ob das Kind gestillt wurde oder nicht, spielen laut Studienlage keine Rolle.
Histopathologisch findet sich eine Enteropathie mit Zottenatrophie und Entzündung. Prof. Dr. med. Sibylle Koletzko (München) betonte aber, dass die Symptomatik den gesamten Menschen betreffe. Wachstumsretardierungen und verspäteter Eintritt in die Pubertät gehörten genauso zur Klinik der Zöliakie wie Kardiomyopathien, Koagulopathien oder eine Dermatitis herpetiformis. Erhöhte Transaminasen zeigten eine Leberbeteiligung an.
Die enterale Zottenatrophie führe bei Kindern vor allem zu Abdominalschmerz, oft mit plötzlichem Gewichtsverlust oder Malabsorption. Allerdings werde der histopathologische Befund nicht mehr als Referenz für die Schwere der Erkrankung gesehen. Zwar korreliere der TGA-Antikörpertiter mit der Zottenschädigung, allerdings nicht mit den Symptomen der Zöliakie. Auch eine genetische Untersuchung diene heutzutage nur noch der Ausschlussdiagnose, so Koletzko, da viele Personen trotz Prädisposition nicht erkranken. Stattdessen werde bei Kindern die Diagnose anhand einer positiven Serologie auf TGA-IgA Auto-Antiköper gestellt, zusammen mit der Histopathologie einer Gewebsbiopsie. Zusätzlich sollte immer der Gesamt-IgA bestimmt werden, da 3–4 % der Patienten und Patientinnen einen selektiven IgA-Mangel aufweisen würden. Bei einem sehr hohem Auto-Antikörpertiter (> 10-fach erhöht) könne auf die Endoskopie verzichtet werden, wenn in einer weiteren Blutprobe Auto-Antikörper gegen Endomysium-Proteine (Endomysin) nachgewiesen würden. Die Diagnose solle durch Kinder-Gastroenterologen gestellt werden, da sich die Befundlage selten eindeutig darstelle. Zur Dokumentation der Diagnose diene ein spezieller Zöliakie-Pass.
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Während der Morbus Crohn (MC) transmural alle Bereiche des Magen-Darm-Trakts befallen kann, aber nur segmental auftritt, bleibt bei der Colitis ulcerosa (CU) die Entzündung auf das Kolon beschränkt, mit kontinuierlichem Befall und betrifft vor allem die Mucosa. Typisch für MC sind Komplikationen wie Abszesse, Strikturen oder Fisteln. Ist eine klare Differenzierung nicht möglich, wird das als Colitis intermediata bezeichnet. Meist wird die Diagnose ab einem Alter von 6 Jahren gestellt, treten Symptome schon deutlich früher auf, definiert dies eine „Very Early Onset Inflammatory Bowel Disease“ mit schlechter Prognose.
Ähnlich wie bei der Zöliakie steigt die Prävalenz hierzulande an. Laut Prof. Dr. med. Klaus-Michael Keller (Wiesbaden) spielen Mikrobiom, Epigenetik und Genetik als prädisponierende Faktoren eine wichtige Rolle. Eine Vaginalgeburt sowie Stillen werden als protektiv gesehen. Ein Kaiserschnitt oder Antibiotikagaben in der frühen Kindheit (Instabilität der Darmflora in der frühen Kindheit) gelten als Risikofaktor.
Hauptsymptom bei CU sind blutige Diarrhöen, während bei MC eher unspezifische Symptome wie Leistungsknick, Fieber oder Gewichtsverlust dominieren. Die „klassische Trias“ von MC (Bauchschmerzen, Diarrhö und Gewichtsabnahme) verliert allerdings zunehmend an Bedeutung. Diagnostisch werde häufig die Bestimmung von Calprotectin im Stuhl als Marker für eine Entzündung eingesetzt, ist aber laut Keller nicht spezifisch für eine CED und der Cut-Off-Wert obendrein altersabhängig. Bei Kindern sollten auch gastrointestinale Infektionen ausgeschlossen werden. Die Bestimmung spezifischer Antikörper (Saccharomyces-cerevisiae-Antikörper [ASCA] bei MC oder perinucleäre antineutrophile zytoplasmatische Antikörper [pANCA] bei CU) könnten nicht immer nachgewiesen werden. Die Verdachtsdiagnose müsse durch Biopsieentnahme bestätigt werden. Bei MC sollte zusätzlich radiologisch nach vorhandenen Fisteln gesucht werden.
„Predictors of poor outcome“ sind jeweils ein hoher PCDAI oder PUCAI (Pediatric Crohn’s Disease/Ulcerative Colitis Activity Index), bei MC ein langstreckiger Initialbefall und frühe Komplikation und bei CU frühe Hospitalisierung oder Steriodbedarf.
Hinsichtlich der Therapie ist zu bedenken, dass viele monoklonale Antikörper aus der Erwachsenen-Therapie bei Kindern noch nicht zugelassen sind und nur „off-label“ verwendet werden können.
Reizdarmsyndrom (RDS) im Kindesalter
Die Symptome dieser funktionalen Darmerkrankung sind sehr heterogen, eine eindeutige organische Ursache könne jedoch nicht gefunden werden. Trotzdem ist die Lebensqualität oft stark beeinträchtigt, sagte Dr. med. Simone Kathemann (Essen). Eine gestörte enterale Barrierefunktion führe über eine Immunaktivierung letztlich zur viszeralen Hypersensitivität und Bauchschmerz. Risikofaktoren seien frühe enterale Infekte, Antibiotikatherapien und psychische Faktoren. Auch dem Mikrobiom komme eine wichtige Rolle zu.
Entscheidend für die Diagnostik ist die Anamnese. Es sollte ein Symptom-Tagebuch geführt werden, um einen möglichen Zusammenhang mit Nahrungsmitteln oder psychischem Stress aufzudecken. Ausgeschlossen werden sollten die Zöliakie und die funktionelle Obstipation (der Abdominalschmerz bessert sich hier nach der Defäkation). Die Therapie ziele auf eine Kombination aus Psyche, Ernährung, Mikrobiom und Medikation. Entscheidend sei die Beratung. Daten zu Probiotika aus Erwachsenenstudien seien nicht immer auf Kinder übertragbar und Medikamente sollten nur im Einzelfall eingesetzt werden.
Vortrag „Pädiatrie meets Gastroenterologie“ anlässlich einer Online-Fortbildung (Veranstalter: streamedup! GmbH), Juli 2025