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Allgemeinmedizin

Obstipation

Therapie trotz vieler Optionen schwieriger als gedacht

Prof. Dr. med. Thomas Frieling

Die chronische Obstipation geht mit einem hohen Leidensdruck einher. Neben dem Ausschluss einer organischen Ursache ist zwischen einem trägen Darm und einer Entleerungsstörung zu differenzieren. Je nach Art als auch Schweregrad der Obstipation stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung.

Mit einer Prävalenz von 5–15 % stellt die chronische Obstipation ein häufiges Krankheitsbild[1] dar, das im Alter an Bedeutung zunimmt.[2] Sie kann zur deutlichen Verminderung der Lebensqualität, bei älteren Menschen zu Anorexie und/oder einer verminderten Fähigkeit zur sozialen Teilnahme sowie zu hohen Kosten im Gesundheitswesen führen. So suchten obstipierte Patientinnen im Laufe eines Jahres im Durchschnitt 2,7-mal ihren Hausarzt aufgrund ihrer Beschwerden auf; etwa 10 % davon mehr als fünfmal. Als besonders belastend werden harte Stühle (54 %) und Pressen (53 %), Bauchschmerzen (37 %) sowie eine unregelmäßige Stuhlfrequenz (36 %) empfunden.[3]

Risikofaktoren und Mythen

Alter, weibliches Geschlecht, ungesunder Lebensstil und ein niedriger sozioökonomischer Status zählen zu den Risikofaktoren einer Obstipation. Darüber hinaus ist die chronische Obstipation mit zahlreichen Mythen assoziiert (Autointoxikation bei Stuhlverhalt, Einfluss von Darmlänge [Dolichokolon], Hormonen, Ballaststoff-Flüssigkeitszufuhr, Lebensstil), für die bisher keine wissenschaftlichen Belege vorliegen. Die chronische Obstipation wird wesentlich durch die subjektive Beeinträchtigung (Pressen, ­Gefühl der inkompletten Entleerung, Gefühl der anorektalen Obstruktion/Blockade) und weniger durch objektive Parameter (Stuhlfrequenz < 3 Stühle/Woche) bestimmt. Der Übergang vom physiologischen Zustand zur Erkrankung ist also fließend.

Pathophysiologie

Die chronische Obstipation kann durch einen trägen Darm (Passageverlangsamung, „slow transit constipation“), eine Entleerungsstörung („outlet obstruction“) oder eine Kombination von beiden bedingt sein. Die Stuhlentleerungsstörung kann anhand funktioneller (z. B. Beckenbodendyssynergie) oder morphologischer (z. B. Beckenbodensenkung, rektoanaler Prolaps) Veränderungen dargestellt werden. Die Pathophysiologie der Passagestörung ist häufig Folge von neuromuskulären oder neurosekretorischen Störungen, die mit sensomotorischen Veränderungen einhergehen.

Symptome und Diagnostik

Fehlender Stuhldrang findet sich in der Regel beim trägen Darm, während das Gefühl der unvollstän­digen Stuhlentleerung typisch für die Entleerungsstörung ist. Zusätzlich können Meteorismus, Flatulenz, Völlegefühl, Inappetenz und Bauchschmerzen vorliegen. Entscheidend zur Differenzierung der beiden Obstipationsformen ist die frühe Diagnose durch genaue Anamnese inklusive Medikamentenanalyse, ggf. mit Anlage eines Stuhl- bzw. Ernährungstagebuches und die klinische Untersuchung mit rektal-digitaler Untersuchung. Während bei der Transitstörung nur im Einzelfall eine weiterführende Diagnostik (oroanaler Transit, Hinton-Test) angezeigt ist, sollte bei Verdacht auf Stuhlentleerungsstörungen immer eine proktologische Untersuchung erfolgen. Im Einzelfall kann diese Basisuntersuchung um eine anorektale Manometrie, Defäkografie, Defäko-MRT bzw. Ballonexpulsionstest ergänzt werden.

Vielfältige therapeutische Maßnahmen

Als Basistherapie eignen sich Allgemeinmaßnahmen wie gesunde Lebensweise inklusive ausreichender körperlicher Aktivität, Reduktion des Übergewichts und Vermeidung von Stress sowie eine gesunde und ausgewogene Ernährung mit Zufuhr von Ballaststoffen und ausreichend Flüssigkeit. Lösliche, nicht blähende Ballaststoffe (z. B. Flohsamen), salinische, osmotische Laxantien bzw. Makrogole sind etabliert und bewährt. Sorbit bzw. Sorbitol gelten als vergleichbare, aber preiswertere Alternativen zur Lactulose. Bei der Auswahl der osmotischen Laxantien sollten Makrogole bevorzugt werden, die aber erst nach mehreren Tagen ihre stuhlfördernde Wirkung erzielen. Stimulierende Laxantien (Bisacodyl, Natriumpicosulfat, Sennapräparate) gehören zu den am häufigsten verwendeten und potentesten Abführmitteln. Sie sind sicher und eine Begrenzung des Einnahmezeitraums ist unbegründet. Interessante Reservemedikamente sind das Prokinetikum Prucaloprid und das für das obstipierte Reizdarmsyndrom zugelassene sekretionsfördernde Linaclotid. Bei refraktärer opiatinduzierter Obstipation können gezielte („targeted“) ­periphere Opioid-Antagonisten wie Methylnaltrexon, Oxycodon mit Naloxon, Alvimopan oder Naloxegol eingesetzt werden.

Bei Stuhlentleerungsstörungen können Toilettentraining, Klysmen, kohlendioxidbildende Zäpfchen bzw. Biofeedback angeboten werden. Auch die ­Kolonlavage hat weiterhin ihren Stellenwert. Demgegenüber können die Bauchdecken-Kolonmassage und Akupunktur nicht als Standard­therapie empfohlen werden.

Trotz der verschiedensten therapeutischen Möglichkeiten sind viele Patienten mit der Behandlung unzufrieden und mehr als 60 % der Ärzte beklagen unzureichende medikamentöse Therapieoptionen.[3]

Im Einzelfall ist eine interdisziplinäre Beurteilung, möglichst in einem Kontinenz- bzw. Beckenbodenzentrum, erforderlich. Hier können die chirurgischen Optionen bei Stuhlentleerungsstörungen (u. a. Beckenbodenplastik, Rektopexie, transanale Staplermukosektomie nach STARR, Sakralnervenstimulation) diskutiert werden. Vor resezierenden Verfahren (Proktektomie, Sigmaresektion, Kolektomie, Proktokolektomie, Reduktionsrektoplastien) bei Megarektum, -kolon bzw. Sigma elongatum ist zu warnen.

Der Autor

Prof. Dr. med. Thomas Frieling
Chefarzt
Medizinische Klinik II
Helios Klinikum Krefeld

thomas.frieling@helios-gesundheit.de

[1] Andresen V, Enck P, Frieling T et al., Z Gastroenterol 2013; 51: 651–672
[2] Frieling T, Z Gastroenterol 2011; 49: 47–53
[3] Müller-Lissner S, Pehl C, Z Gastroenterol 2012; 50: 573–577

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