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Schwangerschaft

Mütterlicher Diabetes verursacht Entwicklungsstörungen beim Kind

2.7.2025

Eine aktuelle internationale Metaanalyse mit Daten aus 202 Beobachtungsstudien und 56,1 Millionen Schwangerschaften zeigt: Kinder diabetischer Mütter weisen ein 32 % höheres relatives Risiko für Entwicklungsstörungen des ZNS auf. Die Risiken variieren dabei je nach Diabetes-Typ. So ist prägestationaler Diabetes mit einem 45 % erhöhten relativen Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) und einem 63 % Anstieg des ADHS-Risikos assoziiert. Bei Gestationsdiabetes stehen hingegen motorische Entwicklungsverzögerungen (+28 %) und kognitive Defizite (+21 %) im Vordergrund.

Zwar bleibt das absolute Risiko insgesamt niedrig – bei einer ADHS-Prävalenz von 5 % in der Allgemeinbevölkerung steigt es beispielsweise auf 8,2 % –, doch gerade bei Risikokollektiven ist die klinische Relevanz bedeutsam.  

Die zugrundeliegenden Pathomechanismen sind komplex. Chronisch erhöhte mütterliche Glukosespiegel führen zu oxidativem Stress, bei dem freie Radikale die Blut-Hirn-Schranke überwinden und neuronale Apoptose auslösen. Parallel verändern intrauterine Hyperglykämien epigenetische Muster in Schlüsselgenen wie BDNF, die für die synaptische Plastizität verantwortlich sind. Ein weiterer Faktor ist die Dysbiose des fetalen Mikrobioms: Maternaler Diabetes reduziert die Vielfalt der fetalen Darmbakterien (Alpha-Diversität), was über die Freisetzung entzündungsfördernder Zytokine wie IL-6 die Neuroinflammation antreibt.  

Für die Praxis ergeben sich daraus klare Handlungsempfehlungen. Präkonzeptionell sollte bei prägestationalem Diabetes ein HbA1c-Wert <6,5 % angestrebt werden – ein Zielwert, der einem durchschnittlichen Blutglukosewert von 140 mg/dl entspricht. Studien zeigen, dass jede Senkung des HbA1c um 1 % das Neuroentwicklungsrisiko um 12 % reduziert. Während der Schwangerschaft sind neben der strikten Blutzuckereinstellung regelmäßige Doppler-Sonografien zur Überwachung der Plazentaperfusion sinnvoll. Optional können Fruchtwasseranalysen auf Entzündungsmarker wie TNF-α hinzugezogen werden, um subklinische Entzündungsprozesse zu identifizieren.  

Interdisziplinäre Nachsorgepläne gefordert

Postpartal steht die Früherkennung im Mittelpunkt: Ab dem 6. Lebensmonat sind entwicklungsneurologische Assessments ratsam, mit besonderem Fokus auf soziale Interaktion und Feinmotorik. Hierbei sollten Mediziner und Medizinerinnen in der Gynäkologie, Diabetologie und der Kinderneurologie interdisziplinäre Nachsorgepläne etablieren, um Auffälligkeiten zeitnah zu adressieren. Eltern sind zudem über präventive Frühförderungsmaßnahmen aufzuklären, etwa ergotherapeutische Programme bei motorischen Verzögerungen.  

Trotz der robusten Assoziationen bleiben Limitationen: Die Ergebnisse der Metaanalyse basieren auf Beobachtungsdaten, die trotz Adjustierung für Confounder wie BMI keine kausalen Rückschlüsse erlauben. Zudem wurde nicht immer zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes differenziert, obwohl sich deren pathophysiologische Profile unterscheiden. Offene Forschungsfragen betreffen u. a. den Einfluss des Zeitpunkts von Glukosespitzen (1. vs. 3. Trimenon) sowie den Einsatz kontinuierlicher Glukosemesssysteme (CGM), die durch engmaschigeres Monitoring das Risiko senken könnten. Kritisch zu hinterfragen ist auch die Rolle neuer Antidiabetika wie SGLT2-Hemmer, die in der Schwangerschaft zwar kontraindiziert sind, aber zukünftig in Studien hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Neurogenese untersucht werden sollten.  

Zusammenfassend unterstreichen die Daten, dass maternale Diabeteserkrankungen auch bei komplikationsloser Geburt ein vermeidbarer Risikofaktor für neurologische Entwicklungsstörungen sind. Ärztinnen und Ärzten kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Durch multimodales Schwangerschaftsmonitoring, Aufklärung über präventive Maßnahmen und die Förderung interprofessioneller Schulungen zur Glukosekontrolle kann die langfristige Prognose der Kinder signifikant verbessert werden. Proaktives Handeln – von der Präkonzeptionsberatung bis zur postpartalen Entwicklungsüberwachung – ist entscheidend, um die Weichen für eine ungestörte neurodevelopmentalen Entwicklung zu stellen.

Ye W et al.: Association between maternal diabetes and neurodevelopmental outcomes in children: a systematic review and meta-analysis of 202 observational studies comprising 56·1 million pregnancies. Lancet Diabetes Endocrinol. 2025 Apr 7:S2213-8587(25)00036-1 (DOI 10.1016/S2213-8587(25)00036-1).

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