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Mikrobiomforschung

Nur wenige Stämme reichen zur Reifung eines immuninkompetenten Darms

30.9.2022

Einen tieferen Einblick in die Funktion des mukosalen Immunsystems haben Forscher aus Marburg im Tiermodell erreicht. Sie fanden heraus, warum Personen Krankheitserreger symptomfrei tolerieren können.

Das Darmmikrobiom steuert grundlegend die Entwicklung einer normalen Darmphysiologie, die Ausbildung und die Funktion des mukosalen Immunsystems. Viele Fragen zu den physiologischen Rahmenbedingungen der Immunreifung sind jedoch unbeantwortet, z. B. wie viele Bakterienstämme überhaupt notwendig sind, um Immunantworten im Darm auszulösen. Ein Forschungsteam um den Marburger Immunologen Professor Dr. Ulrich Steinhoff konnte jetzt zeigen, dass im Tiermodell eine alleinige Besiedlung mit Citrobacter rodentium (ein symptomfreies Nagerenteropathogen) in ansonsten keimfreien Mäusen geeignet ist, um den Einfluss ausgewählter Mikroben auf eine ansonsten abgeschwächte Immunantwort in Abwesenheit von Darmkommensalen zu untersuchen. Bereits wenige Bakterienstämme reichten in diesem Modell aus, so heißt es in der Publikation der Gruppe, um eine Reifung des Immunsystems und den Umbau des Darmgewebes einzuleiten, was zur Beseitigung des Krankheitserregers führte.

„Während Mäuse mit normaler Darmflora Citrobacter rodentium schnell beseitigen, bleibt dieser in keimfreien Tieren deren ganzes Leben lang erhalten“, berichtet Steinhoff, „wobei die pathogene Wirkung von Citrobacter unterdrückt wird“. Solche symptomfreien Überträger gibt es auch bei Menschen. „Es gibt Personen, die Krankheitserreger in sich tragen und andere anstecken, ohne selbst zu wissen, dass sie infiziert sind“, so Steinhoff weiter, „woran das liegt, war bislang unbekannt“.
Bei ihren Untersuchungen im murinen Citrobacter-Modell verabreichten die Forscher den Versuchstieren eine Mischung von 14 ausgewählten kommensalen Bakterien. „Die Mäuse bauten daraufhin eine Immunabwehr auf, die zur vollständigen Beseitigung des Krankheitserregers führte“, sagt Erstautorin Dr. Rossana Romero. Dabei regen diese Bakterien unter anderem das Wachstum von Gefäßen im Darmgewebe an, wodurch es zu einer verstärkten Extravasation von Neutrophilen in den Darm kommt. Andere Stämme aus dem verabreichten Bakterienmix konkurrieren mit Citrobacter um dieselben Nährstoffe. „Offenbar besitzen symptomfreie Überträger einen unvollständig ausgebildeten Darm, dessen unterentwickelte Blutgefäße es nicht erlauben, Immunzellen an den Ort der Infektion im Darminneren zu befördern“, mutmaßt Steinhoff.

Die durch die bakteriell bedingte Expansion und Aktivierung des viszeralen Gefäßsystems und die damit einhergehende Transmigration von Granulozyten in das Darmlumen führte in der Folge zu einer wirksamen Pathogenelimination (Citrobacter). „Wir waren sehr erstaunt, dass 14 harmlose Bakterien ausreichen, um bei ausgewachsenen Tieren die Reifung des Dickdarms herbeizuführen“.

Romero R et al.; Microbiome. 2022 Sep 28 10:148 (DOI 10.1186/s40168-022-01353-5).
Pressemitteilung Philipps-Universität Marburg, September 2022

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