Die diagnostische Treffergenauigkeit der Phonokardiografie ist zu gering für den verlässlichen Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit und kann den Umfang weiterer Diagnostik nicht verringern, stellt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bei einer Nutzenbewertung fest.
Bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) sind Arterien stenosiert, die den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen. Ursache dafür sind Ablagerungen in den Blutgefäßen, die im Laufe des Lebens entstehen. Bei der Phonokardiografie zur KHK-Diagnostik zeichnet ein Aufnahmegerät mit flexibel schwenkbarem Mikrofon Koronargeräusche aufgrund von Verwirbelungen des Blutstroms in verengten Herzkranzgefäßen auf. In der Auswertung wird dann ein Wert berechnet, der zur Einschätzung des KHK-Risikos dienen soll.
Eine klinische Studie mit Erwachsenen ohne bekannte KHK, aber mit Symptomen, die auf eine chronische KHK hindeuten, zeigt allerdings keine Vorteile der Phonokardiografie zur Diagnose einer KHK gegenüber anderen diagnostischen Verfahren: Patientinnen und Patienten mit unklaren Brustschmerzen und mittlerem KHK-Risiko konnte durch eine Phonokardiografie keine unnötige Folgediagnostik erspart werden. Eine Studie zur diagnostischen Güte zeigte überdies, dass die Sensitivität der Phonokardiografie zum Ausschluss einer KHK nicht ausreicht: Bei jeder fünften bis jeder zehnten Person wird eine KHK nicht verlässlich erkannt.
Dementsprechend sieht das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) keinen Anhaltspunkt für einen Nutzen der Phonokardiografie zum Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit im Vergleich zu einer Untersuchungsstrategie ohne Phonokardiografie. Den Auftrag für diese Nutzenbewertung hatte das IQWiG vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erhalten.
Erhoffter Nutzen hat sich in Studien nicht gezeigt
Im Zuge der dänisch-schwedischen Studie FILTER-SCAD wurde an mehr als 2 000 Erwachsenen untersucht, wie eine zusätzliche Phonokardiografie die weitere Standardbehandlung und deren Ergebnisse beeinflusst. Auch weil die medizinische Behandlung in Dänemark, Schweden und Deutschland ähnlich ist, zog das IQWiG primär diese Studie für seine Bewertung heran. In der Studie erfolgte die Phonokardiografie nach der Basisdiagnostik, aber vor spezifischer Folgediagnostik, wie z. B. Koronar-CT, Belastungs-EKG, Stressechokardiografie, kardialem MRT oder Koronarangiografie. Das Vermeiden dieser für Betroffene oft belastenden Folgediagnostik war das Ziel bei der FILTER-SCAD-Studie. Tatsächlich aber erhielten die Patientinnen und Patienten fast gleich häufig Folgediagnostik – egal, ob vorher die Phonokardiografie gemacht worden war oder nicht.
Die Ärztinnen und Ärzte in der FILTER-SCAD-Studie wollten sich also nicht darauf verlassen, wenn eine KHK mittels Phonokardiografie eigentlich ausgeschlossen worden war. In der Tat muss ein Test mit hoher Sensitivität (> 95 %) eine KHK erkennen können, um ausreichend Sicherheit geben zu können. In der zweiten vom IQWiG betrachteten Studie zeigte sich jedoch hierzu passend, dass die Sensitivität der Phonokardiografie unter 90 % liegt. Dies bedeutet, dass bei über 10 % der Personen eine KHK nicht erkannt wird.
Phonokardiografie erfüllt Erwartungen des Erprobungsverfahrens nicht
Der Hersteller der Phonokardiografie-Geräte hatte seine Diagnostik bereits Ende 2019 beim G-BA als Neuerung vorgeschlagen und erste Daten vorgelegt. Das IQWiG stellte damals fest, dass die Phonokardiografie zwar Potential besitzt, die Datenlage jedoch noch unzureichend war und dies daher in weiteren Studien geprüft werden sollte (Potenzialbewertung 2019). Der G-BA folgte dieser Einschätzung. Er beschloss 2022, dass eine Erprobungsstudie in Deutschland nicht erforderlich sei, weil eine passende Studie bereits andernorts lief, die jetzt vorliegende FILTER-SCAD-Studie.
Das Verfahren zur Phonokardiografie ist das erste, in dem nach einem Antrag auf Erprobung die Erkenntnisse aus einer laufenden Studie zunächst abgewartet und diese dann in einem IQWiG-Bericht bewertet wurden. Abgeschlossen wird das Verfahren in einigen Monaten durch den G-BA, der darüber entscheiden muss, ob die Phonokardiografie als neue ambulante GKV-Leistung eingeführt wird.
Pressemitteilung „Koronare Herzkrankheit: Phonokardiografie bringt keine Verbesserung für die Diagnostik“, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Köln, 11.4.2025 (https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_144704.html).
* Bjerking LH et al.: Acoustic-based rule-out of stable coronary artery disease: the FILTER-SCAD trial. Eur Heart J. 2025 Jan 7;46(2):117-128 (DOI 10.1093/eurheartj/ehae570).