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Immunsystem

Krankheitsbezogene ekelerregende Videos erhöhen IgA-Spiegel im Speichel

27.7.2022

Personen, die mit krankheitsbezogenen ekelerregenden Videos konfrontiert werden, weisen eine erhöhte Konzentration der Antikörper Immunglobulin A (IgA) im Speichel auf. Die Erkenntnisse deuten darauf hin, dass das physiologische Immunsystem bereits antwortet, bevor ein Pathogen in den Körper gelangt.

Das Verhaltensimmunsystem („behavioral immune system“, BIS) unterstützt das physiologische Immunsystem (PIS) bei der Bekämpfung von Infektionen und kann sogar das Risiko einer Ansteckung verringern, indem es Menschen dazu bringt, sich vor Krankheitserregern zu schützen. Es hilft zum Beispiel, Hinweise auf Krankheitserreger (etwa Gerüche oder sichtbare Krankheitsanzeichen) in der Umgebung zu erkennen oder löst Vermeidungsverhalten sowie Gefühle wie Abneigung oder Ekel aus.

Frühere Studien haben Hinweise auf mögliche Wechselwirkungen zwischen dem BIS und dem PIS gefunden. Die meisten dieser Ergebnisse waren jedoch nicht reproduzierbar. Wissenschaftler des Fachbereichs Biologie der Uni Hamburg haben nun in einer Studie weitere Erkenntnisse über die Wechselwirkungen der beiden Systeme und den Einfluss von Ekel- und krankheitsbezogenen Reizen auf Immunreaktionen gewonnen. Die Veränderungen wurden durch die Konzentration des sekretorischen Immunglobulins A (sIgA) im Speichel gemessen.

sIgA-Steigerung um 83,2 %

Dazu ließen die Forscher 116 Testpersonen (47 männlich, 69 weiblich) verschiedene ekel-auslösende Videos schauen. Zwei der Videos zeigten Situationen, die mit ansteckenden Virusinfektionen der Atemwege in Verbindung gebracht wurden. Das dritte Video enthielt kein Risiko einer Ansteckung, sondern Situationen, die im Kern Ekel hervorrufen, wie z. B. verdorbene Lebensmittel, verwesende Tierkadaver oder Kakerlaken. Ein viertes Video diente als Kontrolle und zeigte Landschaftseindrücke. Die Forscher nahmen Speichelproben, um die Konzentration von Antikörpern (sIgA) zu messen und ließen die Probanden Fragebögen zu ihrem Empfinden ausfüllen.

„Es zeigte sich, dass die sIgA-Konzentration bei Testpersonen nach der Stimulation - vor allem bei Videos, die Menschen mit Krankheitssymptomen zeigen - anstieg“, sagt Judith Keller, Erstautorin der Studie und Doktorandin in der Arbeitsgruppe Neuroendokrinologie am Fachbereich Biologie der Uni Hamburg. Im Durchschnitt erhöhte sich die sIgA-Konzentration nach dem Schauen des Krankheitsvideos um 83,2% und nach dem Schauen von Videos mit verdorbenen Lebensmitteln um 44,8%. „Dies ist deshalb so besonders, da das physiologische Immunsystem bisher als hauptsächlich reaktiv gilt, also sonst eher auf ein Pathogen im Körper reagiert. Der Anstieg in unserer Studie spricht dafür, dass es auch reagiert, bevor das Pathogen in den Körper kommt“, so Keller weiter. Die Forschergruppe nimmt an, dass das BIS also nicht nur psychologische Maßnahmen auslöst, sondern in diesem Fall auch eine Antwort des PIS stimuliert.

„Allerdings müssen wir einschränken, dass unsere Studie keine direkten Beweise für eine erhöhte Immunität bei Personen liefert“, sagt Prof. Dr. Esther Diekhof, Leiterin der Arbeitsgruppe Neuroendokrinologie am Fachbereich Biologie der Universität Hamburg. „Ein solcher proaktiver Abwehrmechanismus scheint jedoch wahrscheinlich, da sIgA im Speichel eine wichtige Rolle beim Immunausschluss spielt“. Zukünftige Studien müssen also untersuchen, ob dieser Anstieg von sIgA tatsächlich eine Immunantwort auslöst und damit einen erhöhten Schutz zum Beispiel gegenüber Atemwegsviren widerspiegelt, noch bevor die Schleimhäute mit einem Erreger überhaupt in Kontakt gekommen sind.

Pressemitteilung Universität Hamburg, Juli 2022
Keller JK et al.; Brain Behav Immun Health. 2022 Jul 14;24:100489 (DOI 10.1016/j.bbih.2022.100489).

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