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Gesundheitssystem

Bei Indikationserweiterungen oft kein Zusatznutzen-Nachweis

20.7.2023

Eine im „British Medical Journal“ (BMJ) veröffentlichte Studie eines US-Forschungsteams bestätigt anhand von Health Technology Assessments aus Deutschland und Frankreich einen Trend, der sich schon länger abgezeichnet hat: Während zumindest jedes zweite neue Arzneimittel in seinem ersten Anwendungsgebiet den Betroffenen einen nachgewiesenen Zusatznutzen gegenüber der Standardbehandlung bietet, sinkt dieser Anteil mit jeder weiteren Indikation, für die anschließend ebenfalls eine Zulassung erteilt wird.

Im dritten Anwendungsgebiet ist die Chance eines Zusatznutzens bereits um 45% kleiner als in der ersten Indikation. Dennoch bemühten sich die Pharmaindustrie häufig erfolgreich um solche Zulassungserweiterungen, um ihren Ressourceneinsatz zu optimieren und die Schutzfristen für ihre Wirkstoffe zu verlängern, heißt es in einer Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). In einem BMJ-Kommentar plädiert die Leiterin des IQWiG-Ressorts Arzneimittelbewertung, Dr. rer. nat. Beate Wieseler (Köln), dafür, Arzneimittel mit nachgewiesenem Zusatznutzen zu fördern anstelle von Me-too-Präparaten. „Man muss die tatsächlichen Konsequenzen der Arzneimittelgesetzgebung im Detail analysieren, um Fehlentwicklungen zu erkennen. In ihrer jetzigen Form wird sie den Erwartungen von Patientinnen und Patienten, Öffentlichkeit, Ärzteschaft und Politik nicht gerecht“, kritisiert Wieseler.

Anders, als viele Menschen glauben, ist eine Überlegenheit gegenüber den bisherigen Therapien keine Voraussetzung für eine Arzneimittel-Zulassung: Die gesetzlichen Vorschriften in Europa und den USA verlangen lediglich eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz, also dass das Arzneimittel mehr nutzt als schadet.

„Regelwerke sollten Anreize für echte Innovationen bieten“

Eine mögliche Nachschärfung dieser Vorschriften, so Wieseler, könnte zum Beispiel im Rahmen der geplanten Revision des EU-Arzneimittelrechts erfolgen. Zwar sei es in bestimmten Umfang sinnvoll, in verschiedenen Indikationen zwischen mehreren Präparaten wählen zu können, etwa um Nebenwirkungen zu minimieren. Aber die Regelwerke sollten eigentlich Anreize für echte Verbesserungen gegenüber den bisherigen Therapien setzen, indem sie Fördermaßnahmen wie die Verlängerung der Marktexklusivität an den Nachweis eines Zusatznutzens gegenüber vorhandenen Therapieoptionen knüpfen.

„Die jetzt publizierte US-Studie zeigt einmal mehr: Man muss die tatsächlichen Konsequenzen der Arzneimittelgesetzgebung im Detail analysieren, um Fehlentwicklungen zu erkennen. Dann kann man das Regelwerk evidenzbasiert weiterentwickeln, um Ressourcen bestmöglich einzusetzen, echte Innovationen zu fördern und damit die Versorgung von Patientinnen und Patienten zu verbessern“, erklärt Wieseler.

Pressemitteilung „Indikationserweiterungen in der Arzneimittel-Zulassung: oft ohne Zusatznutzen-Nachweis“. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Köln, 6.7.2023 (https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_96256.html).
* Wieseler B: Patients need better treatments, not just more of the same. BMJ. 2023 Jul 5;382:p1466 (DOI 10.1136/bmj.p1466).
* Vokinger KN et al.: Therapeutic value of first versus supplemental indications of drugs in US and Europe (2011-20): retrospective cohort study. BMJ. 2023 Jul 5;382:e074166 (DOI 10.1136/bmj-2022-074166).

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