Moderne Diabetestechnologien und Hilfsmittel wie Insulinpens, Sensoren und Insulinpumpen verbessern die Diabetestherapie zum Wohle der Betroffenen, ohne Frage. Gleichzeitig erzeugen diese Hilfsmittel aber auch enorme Mengen an Abfall. So entstehen allein in Deutschland aktuellen Schätzungen zufolge jährlich rund 1,2 Milliarden Abfallteile, teilt der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD) mit.
Nachhaltige Lösungen können Müll reduzieren und gleichzeitig Kosten sparen, so der VDBD weiter, und will auch bei Fortbildungen das Bewusstsein für ressourcenschonende Möglichkeiten schärfen – bei Gesundheitsfachkräften und Ärztinnen, Ärzten, aber auch Menschen mit Diabetes selbst.
In einer deutschen Praxisstudie (DOI 10.1177/19322968241257004) sammelten 80 Menschen mit Diabetes in nur 3 Monaten über 23.000 Einzelteile an Therapieabfällen, darunter Teststreifen, Nadeln, Sensoren und Pens. Hochgerechnet ergibt das jährlich über 1 Milliarde Teile bundesweit. Ähnlich alarmierende Zahlen kommen aus den USA: Dort verursacht die Therapie mit einer Insulinpumpe durchschnittlich 1,2 Kilogramm Müll pro Monat – bei Mehrfachinjektionen sind es sogar 1,4 Kilogramm (DOI 10.2337/dc24-2522).
Die Diabetestherapie trägt damit zu etwa 2 % des gesamten Haushaltsmülls bei, folgern die Studienautoren und -autorinnen. „Die Zahlen verdeutlichen: Wir brauchen dringend nachhaltigere Lösungen - sowohl auf Herstellerseite als auch in den Praxen“, betont Theresia Schoppe, stellvertretende Vorsitzende des VDBD, Diabetesberaterin, Oecotrophologin und Fitnesstrainerin aus Warstein. „Die Untersuchungen zeigen eindrucksvoll, wie groß der Müllberg einer Diabetestherapie tatsächlich ist – das hat auch viele Menschen mit Diabetes und Praxisteams, die unsere Untersuchung unterstützten, überrascht“, ergänzt PD Dr. med. Sebastian Petry, Mitautor der deutschen Praxisstudie sowie Oberarzt und Leiter der Klinischen Forschungseinheit am Universitätsklinikum Gießen. Beide Experten setzen sich u. a. in der Arbeitsgemeinschaft „Diabetes, Umwelt & Klima“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) dafür ein, nachhaltige Lösungen in der täglichen Arbeit mit Menschen mit Diabetes zu finden.
Wiederverwendbare Systeme sparen Plastik und Kosten
Ein Ansatz, um Müll zu reduzieren, sind mehrfach verwendbare Insulinpens. Eine britische Untersuchung zeigt, dass deren Einsatz bis zu 95 % des bei der Diabetestherapie entstehenden Plastikmülls einsparen und gleichzeitig die Behandlungskosten senken kann (DOI 10.1111/dme.15409). Gerade moderne Systeme wie kontinuierliche Glukosemessung (CGM) oder Insulinpumpen lassen den Abfallberg durch häufigen Wechsel zusätzlich wachsen. „Für Menschen mit Diabetes und ihre Behandlungsteams gibt es bislang kaum Spielraum, bei Pens auf Nachhaltigkeit zu achten. Wo medizinisch möglich, könnten wiederverwendbare Pens die Abfallmenge senken. Auch Einweg-Pens verursachen weniger Abfall, wenn sie größere Füllmengen oder höhere Insulinkonzentrationen enthalten, langwirksame Insuline mit längeren Dosierungsintervallen eingesetzt werden oder die Pens langlebiger sind“, regt Petry an.
„Es geht nicht darum, Menschen mit Diabetes zu stigmatisieren und ihnen Umweltverschmutzung vorzuwerfen – moderne Hilfsmittel sind unverzichtbarer Bestandteil des alltäglichen Diabetesmanagements“, betont Petry. Es sollten vielmehr mit allen an der Diabetesversorgung Beteiligten Lösungen und Wege gefunden werden, die Therapie nachhaltiger zu gestalten und so langfristig zu sichern.
Jede(r) kann etwas tun: Kleine Schritte mit großer Wirkung
Medizinische Einrichtungen sowie Menschen mit Diabetes können im Alltag die Umwelt mit einfachen Gewohnheiten schonen: „Beispielsweise lassen sich Verpackungsmaterialien bewusst trennen oder Elektronikkomponenten wie Sensoren über Sammelstellen zurückgeben“, betont Schoppe und gibt Tipps zur richtigen Entsorgung:
Übrigens ist auch die Politik in der Verantwortung: „Für eine umweltschonende Müllvermeidung und -entsorgung braucht es mehr als das individuelle Engagement“, so Schoppe. Die Politik ist gefordert klare Rahmenbedingungen zu setzen: gemeinsame Recyclingprogramme, Anreize für Hersteller zu „Eco-Design“ sowie eine bessere Aufklärung der Menschen mit Diabetes zusammen mit deren sozialem Umfeld in den Praxen (DOI 10.1177/19322968251358229).
Hinweis: Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) AG „Diabetes, Umwelt und Klima“ zur Entsorgung von Diabetesmedikamenten und Hilfsmitteln“. Online (https://www.ddg.info/die-ddg/gremien-der-ddg/netzwerk-nachhaltigkeit-der-ddg) stehen Empfehlungen zum Download zur Verfügung.
Pressemitteilung „Mehrweg statt Müllberg - wie medizinische Einrichtungen und Menschen mit Diabetes die Umwelt durch wenige Maßnahmen schonen können“. Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD), Berlin, 15.9.2025 (https://www.vdbd.de/portal/presse/mitteilung/mehrweg-statt-muellberg-wie-medizinische-einrichtungen-und-menschen-mit-diabetes-die-umwelt-durch/).