Methylphenidat könnte gegen die Apathie bei Menschen mit Alzheimer-Demenz wirken. Das ist das Ergebnis einer Phase-III-Studie von amerikanischen Forschenden.
Wie bekannt, gibt es kein Therapeutikum gegen die Alzheimer-Erkrankung. Allerdings können die Symptome abgemildert werden. Die Wissenschaftler um Dr. Jacobo Mintzer vom Research and Innovation Center in Charleston (USA) versuchten die Apathie mit dem Psychostimulans Methylphenidat zu bekämpfen.
In Deutschland leiden 1,6 Millionen (weltweit 50 Millionen) Menschen an einer Demenz – in 30 Jahren werden es hochgerechnet bis zu 2,8 Millionen sein. Am häufigsten ist die Alzheimer-Demenz; die Prävalenz liegt im Alter zwischen 56 und 70 Jahren bei 1‒5%. Diese Zahl verdoppelt sich mit jedem 5-Jahres-Schritt, sodass bis zu 10% der 70- bis 75-Jährigen und bis zu 20% der 75- bis 80-Jährigen betroffen sind. Risikofaktoren sind neben dem Alter Rauchen, Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Adipositas, Depressionen, soziale Isolation und insbesondere Bewegungsmangel. Das häufigste neuropsychiatrische Symptom ist die Apathie. Das äußert sich durch verminderten Antrieb, Empathie und Interessensverlust. In der Folge steigt der Pflegeaufwand, die Belastung für die Betreuenden und auch die Mortalität.
Zweimal täglich 10mg Methylphenidat
An der Apathie setzt die Behandlung mit Methylphenidat an, einem Psychostimulans, das sonst zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und der Narkolepsie eingesetzt wird. Kleinere Untersuchungen zeigten günstige Effekte auf die Apathie bei Alzheimer-Erkrankten, sodass nun die ADMET-2-Studie („Apathy in Dementia Methylphenidate Trial 2“), eine multizentrische, randomisierte, verblindete, placebokontrollierte Phase-III-Studie die Substanz an einer größeren Zahl Betroffener evaluiert hat. Von 2016 bis 2020 wurden in einem kanadischen und sieben spezialisierten Demenz-Zentren der USA 307 Alzheimer-Erkrankte gescreent, von denen 200 Personen in die Studie eingeschlossen werden konnten.
Die Teilnehmenden hatten milde bis moderate kognitive Beeinträchtigungen und zeigten häufige oder schwere Apathie-Zustände (gemessen mit einem speziellen Demenz-Fragebogen, dem NPI/„Neuropsychiatric Inventory“). Über sechs Monate erhielten 99/200 Teilnehmende Methylphenidat (2x täglich 10mg oral) und 101/200 Placebo. Das mediane Alter lag bei 76 Jahren (IQR 71‒81), 66% waren männlich. Das Outcome beinhaltete Veränderungen des initialen Apathie-NPI-Scores oder eine Verbesserung des Alzheimer-Scores ADCS-CGIC („Alzheimer‘s Disease Cooperative Study-Clinical Global Impression of Change”; Werte von 1 bis 7, wobei höhere Werte schlechter sind). Weitere Endpunkte waren Veränderungen kognitiver Fähigkeiten, Lebensqualität und das Sicherheitsprofil.
Signifikante Verbesserungen
Ergebnis: Nach sechs Monaten zeigten sich in der Methylphenidat-Gruppe gegenüber der Placebo-Gruppe signifikante Verbesserungen des Apathie-Scores (mittlerer NPI-Unterschied -1,25; p=0,002). Am deutlichsten verbesserte Methylphenidat den Score in den ersten 100 Tagen (HR 2,16 für das vollständige Verschwinden der Apathie-Symptome, p=0,01). Auch der Alzheimer-Score verbesserte sich in der Methylphenidat-Gruppe fast doppelt so häufig (OR 1,9; p=0,07): Der Unterschied der mittleren Änderung des ADCS-CGIC im Studienzeitraum betrug 1,43 (p=0,048). Bei den kognitiven Tests und der Lebensqualität gab es in beiden Gruppen keine Veränderung. Von 17 schweren unerwünschten Ereignissen stand keines im Zusammenhang mit dem Studienmedikament; das Sicherheitsprofil war in beiden Gruppen gut. Mehr Teilnehmer in der Wirkstoffgruppe (10 gegenüber 6) berichteten über einen Gewichtsverlust von mehr als 7% während der Studie.
Pressemitteilung Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Dezember 2021
Mintzer J, JAMA Neurol 2021 Nov 1; 78(11): 1324‒1332, DOI 10.1001/jamaneurol.2021.3356