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Corona-Erkältungsviren

Infekte verbessern Immunreaktion gegen SARS-CoV-2

Forschungen an der Charité ‒ Universitätsmedizin Berlin, des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik (MPIMG) zeigen, dass humane endemische Coronavirus (HCoV, bis zu 30% aller Erkältungserreger)-reaktive und SARS-CoV-2-kreuzreaktive CD4+ T-Zellen allgegenwärtig sind, auch wenn sie mit zunehmendem Alter weniger werden.

Die Gruppe identifizierte ein universelles immundominantes Coronavirus-spezifisches Spike-Peptid (S816-830) und konnte zeigen, dass bereits vorhandene Spike- und S816-830-reaktive T-Zellen auch für Immunantworten auf eine SARS-CoV-2-Infektion rekrutiert werden und ihre Häufigkeit mit Anti-SARS-CoV-2-S1-IgG-Antikörper korreliert. Spike-kreuzreaktive T-Zellen wurden auch nach der primären BNT162b2-COVID-19-mRNA-Impfung (BioNTech) aktiviert, die eine ähnliche Kinetik wie die sekundäre Immunantwort aufwies. Die Ergebnisse unterstreichen den funktionellen Beitrag vorbestehender Spike-kreuzreaktiver T-Zellen bei der SARS-CoV-2-Infektion und -Impfung. Kreuzreaktive Immunität kann für die unerwartet schnelle Induktion der Immunität nach einer primären SARS-CoV-2-Impfung und die hohe Rate asymptomatischer/leichter COVID-19-Krankheitsverläufe verantwortlich sein.

Für die Studie rekrutierten die Wissenschaftler ab Mitte 2020 fast 800 Menschen, die noch nicht mit SARS-CoV-2 in Kontakt gekommen waren, und prüften in regelmäßigen Abständen, ob diese sich mit dem Erreger infiziert hatten. Das war bei 17 Personen der Fall. Deren Immunsystem analysierte die Forschungsgruppe sowohl vor als auch während der Infektion. Dabei zeigte sich, dass der Körper T-Helferzellen, die er gegen endemische Erkältungscoronaviren gebildet hatte, auch gegen SARS-CoV-2 mobilisierte. Außerdem fiel die Immunantwort gegen SARS-CoV-2 qualitativ umso besser aus, je mehr dieser kreuzreagierenden Zellen vor der Infektion vorhanden waren. Die Zellen erkannten dabei besonders häufig einen bestimmten Bereich des Spike-Proteins. Die Struktur der alten und des neuen Coronavirus ist an dieser Stelle „konserviert“, also besonders ähnlich gestaltet. „Bei Erkältungen mit harmloseren Coronaviren baut das Immunsystem also eine Art universelles, schützendes Coronavirus-Gedächtnis auf“, erklärt Dr. Claudia Giesecke-Thiel, leitende Autorin der in „Science“ publizierten Studie. „Wenn es nun mit SARS-CoV-2 in Kontakt kommt, werden solche Gedächtniszellen wieder aktiviert und greifen nun auch den neuen Erreger an. Das könnte zu einer schnelleren Immunantwort gegen SARS-CoV-2 beitragen, die einer ungehinderten Ausbreitung des Virus im Körper zu Beginn der Infektion entgegensteht und so den Verlauf der Erkrankung vermutlich günstig beeinflusst.“ Die Wissenschaftlerin betont aber auch: „Das bedeutet nicht, dass man durch vergangene Erkältungen mit Sicherheit vor SARS-CoV-2 geschützt ist. Eine Impfung ist in jedem Fall wichtig. Unsere Studie liefert eine von mehreren Erklärungen für die seit Beginn der Pandemie gemachte Beobachtung, dass eine SARS-CoV-2-Infektion bei verschiedenen Menschen so unterschiedlich verlaufen kann.“

Einen immunverstärkenden Effekt der kreuzreagierenden T-Zellen wiesen die Wissenschaftler auch bei einer COVID-19-Impfung mit dem Vakzin von BioNTech nach. Ähnlich einer natürlichen Infektion bewirkt der Impfstoff, dass der Körper das Spike-Protein von SARS-CoV-2 – inklusive des konservierten Bruchstücks – produziert und dem Immunsystem präsentiert. Eine Analyse der Immunreaktion von 31 gesunden Personen vor und nach der Impfung ergab: Während normale T-Helferzellen über einen Zeitraum von zwei Wochen schrittweise aktiviert wurden, sprachen die kreuzreagierenden T-Helferzellen innerhalb von einer Woche sehr rasch auf die Impfung an. Das wirkte sich auch positiv auf die Bildung von Antikörpern aus: Der Körper konnte schon nach der Erstimpfung mit einer Geschwindigkeit, die sonst nur bei Auffrischungsimpfungen beobachtet wird, Antikörper gegen die konservierte Stelle im Spike-Protein produzieren. „Auch bei der Impfung kann der Körper also zumindest teilweise auf ein Immungedächtnis zurückgreifen, wenn er bereits Erkältungen mit endemischen Coronaviren durchgemacht hat“, sagt Prof. Dr. Andreas Thiel, ebenfalls leitender Autor der Studie. „Das könnte die überraschend schnelle und sehr hohe Schutzwirkung erklären, die wir zumindest bei jüngeren Menschen schon nach einer COVID-19-Erstimpfung beobachten.“

Schließlich konnten die Wissenschaftler in einem zweiten Teil der Studie durch eine Analyse der T-Helferzellen bei knapp 570 gesunden Personen nachweisen, dass die Kreuzimmunität im höheren Lebensalter sinkt: Sowohl die Anzahl der kreuzreagierenden T-Zellen als auch ihre Bindungsstärke war bei älteren Studienteilnehmern geringer als bei jüngeren. Die abnehmende Kreuzimmunität führen die Autoren auf natürliche Veränderungen eines alternden Immunsystems zurück. „Der Vorteil, den eine harmlose Coronavirus-Erkältung jüngeren Menschen bei der Bekämpfung von SARS-CoV-2 und auch beim Aufbau des Impfschutzes häufig bringt, fällt bei älteren Menschen leider geringer aus“, sagt Prof. Thiel. „Eine dritte Auffrischungsimpfung könnte in dieser stärker gefährdeten Bevölkerungsgruppe die schwächere Immunantwort vermutlich ausgleichen und für einen ausreichenden Impfschutz sorgen.“

Originalpublikation Loyal L et al., Science 2021 Aug 31; preprint, doi 10.1126/science.abh1823

Pressemitteilung Charité ‒ Universitätsmedizin Berlin, August 2021

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