Die Prävalenz von Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes nimmt weltweit zu. Parallel dazu hat sich in modernen 24/7-Gesellschaften ein Lebensstil mit Schlafverlust und Chronodisruption etabliert, der nicht mit der biologischen Uhr übereinstimmt.
In einem Vortrag beim „Virtual EASD Annual Meeting 2021“ betonte Prof. Dr. med. Sebastian M. Schmid, Uni Lübeck, dass es eine überwältigende Evidenz zahlreicher epidemiologischer Studien gibt, die einen klaren Zusammenhang zwischen kurzer Schlafdauer, Schlafstörungen und zirkadianer Desynchronisation des Schlafs mit nachteiligen Stoffwechselmerkmalen, insbesondere Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes, aufzeigen. „Der Zusammenhang zwischen Chronodisruption, Schlafverlust und Schlüsselkomponenten des metabolischen Syndroms (ist jedoch) nicht nur korrelativ“, so erklärte Schmid, „sondern kausal: Experimentelle Studien weisen auf verschiedene Mechanismen hin, durch die unzureichender Schlaf die Stoffwechselgesundheit beeinträchtigt.“
So wird die Sekretion von Insulin, Glukagon und GLP-1 als wichtige regulatorische Signale für die Glucosehomöostase im Zusammenhang mit Schlafverlust gestört, wie Studien zeigen. Auch die Regulation relevanter Stoffwechselwege auf der Ebene des Fettgewebes stehe unter zirkadianer Kontrolle und sei abhängig von der Schlafdauer. Genauer gesagt, so Schmid, führt die Reduktion des regelmäßigen Nachtschlafs zu einer Erhöhung des Kohlenhydratumsatzes und fördert die Adipogenese. Dabei würden proinflammatorische Signale hochreguliert und induzierten den systemischen Zustand einer subklinischen Entzündung, der als Hauptrisikofaktor der metabolischen und kardiovaskulären Morbidität anerkannt sei. Vor allem Veränderungen in der Aktivität neuroendokriner Systeme scheinen Hauptmediatoren für die schädlichen metabolischen Auswirkungen von unzureichendem Schlaf zu sein, so Schmid weiter, da sie neurologische Folgen wie gesteigerter Appetit, erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Nahrungsreizen und letztendlich einem Überschuss an Energiezufuhr begünstigen. Die Auswirkungen von verkürztem Schlaf auf körperliche Aktivität und Energieverbrauch seien weniger klar, aber Veränderungen hierbei würden die Zunahme der Nahrungsaufnahme wahrscheinlich nicht überwiegen.
Schmid schlussfolgert: „Obwohl es kaum langfristige Interventionsstudien gibt, die den Nutzen von gesundem und ausreichendem Schlaf für den menschlichen Energiehaushalt belegen, könnte die Wiederherstellung der zirkadianen Ausrichtung und des physiologischen Schlafs ein attraktives Ziel für die Prävention und wahrscheinlich auch die Behandlung von Stoffwechselerkrankungen sein.“
1) Schmid SM, Importance of sleep and circadian rhythm for energy metabolism,. Vortrag im Zuge des „Virtual EASD Annual Meeting 2021“ (Veranstalter: The European Association for the Study of Diabetes e. V., EASD), Sep.‒Okt. 2021, zitiert nach einem EASD-Pressestatement, 29.09.2021