Das intestinale Mikrobiom spielt eine entscheidende Rolle bei der Pathogenese chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED), insbesondere des Morbus Crohn (MC) und der Colitis ulcerosa (CU). Der Einfluss des oralen Mikrobioms auf diese Erkrankungen sowie dessen Potential für Diagnostik und Therapieverlauf sind bislang wenig erforscht. Eine beim diesjährigen ECCO vorgestellte systematische Übersicht und Meta-Analyse einer britischen Arbeitsgruppe hat jetzt deutliche Unterschiede in der oralen Mikrobiom-Zusammensetzung von CED-Patienten und Hinweise darauf gefunden, dass das orale Mikrobioms ein Indikator für eine gestörte Darmflora (Dysbiose) und ein möglichen Marker für frühe immunologische Veränderungen im Krankheitsverlauf sein könnte.
Im Zuge der umfassenden Literaturrecherche wurden alle gängigen Datenbanken bis Anfang 2024 durchsucht. Die Analyse umfasste Krankheitsphänotypen, Probennahme, Diversitätsmetriken, relative Häufigkeitsanalysen und Verfügbarkeit von Sequenzierungsdaten. Eine Meta-Analyse der standardisierten mittleren Differenz der Shannon-Diversität wurde für verschiedene CED-Subtypen und Krankheitsaktivitäten durchgeführt.
Insgesamt erfüllten 22 Studien die Einschlusskriterien. In 20 dieser Studien (91 %) wurde die Alpha-Diversität des oralen Mikrobioms untersucht. Die Analyse von 976 CED-Patienten und 566 gesunden Kontrollpersonen zeigte eine signifikant reduzierte Speichel-Alpha-Diversität bei CED-Patienten (standardisierte mittlere Differenz. Dieser Effekt war besonders ausgeprägt bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität (IBD n = 133, Kontrolle n = 181), während er bei niedriger Krankheitsaktivität nicht mehr nachweisbar war.
Die Beta-Diversitätsanalyse ergab in 15 von 20 Studien (75 %) signifikante Unterschiede in der oralen Mikrobiom-Zusammensetzung zwischen CED-Patienten und Kontrollpersonen. In 11 Studien wurden relative Häufigkeiten auf Genus-Ebene analysiert. Die auffälligsten Veränderungen betrafen die Hauptphyla Bacillota, Bacteroidota, Actinobacteria und Pseudomonadota. Insbesondere die Genera Prevotella (36 % der Studien), Veillonella (27 %), Atopobium (27 %) und Megasphaera (27 %) waren bei CED-Patienten häufiger vertreten.
Hintergrund: Die Alpha-Diversität beschreibt die Artenvielfalt innerhalb eines spezifischen Habitats oder einer Probe, indem sie die Anzahl der verschiedenen Mikroorganismenarten misst („Spezies-Anzahl“). Im Gegensatz dazu bewertet die Beta-Diversität die Unterschiede in der Artenzusammensetzung zwischen verschiedenen Habitaten oder Proben, indem sie die Variabilität der mikrobiellen Gemeinschaften vergleicht („bakterielle Verwandtschaft“).
Wands D et al.: Reduced salivary alpha-diversity in Inflammatory Bowel Disease: Systematic review and meta-analysis of 1.000 IBD patients - a role for oral microbiome as a marker of downstream dysbiosis in IBD. Poster P1328, Abstract citation jjae190.1502. Präsentiert beim 20. Congress of the European Crohn‘s and Colitis Organisation (ECCO), 19.-22.2.2025, Berlin.