Kälte kann bei Menschen eine Reihe von pathophysiologischen Reaktionen hervorrufen. Davon abzugrenzen sind kälteassoziierte Dermatosen, bei denen spezifische Hautveränderungen direkt durch Kälteeinwirkung entstehen. Dieser Beitrag beschreibt die wichtigsten.
Kälteassoziierte Dermatosen sind generell selten und betreffen zumeist Patienten und Patientinnen mit besonderer immunologischer Prädisposition.
Kälteurtikaria
Bei der Kälteurtikaria entstehen Quaddeln und Angioödeme infolge von Kälteexposition. Dabei werden diese Phänomene innerhalb weniger Minuten entweder durch Kontakt mit festen, kalten Gegenständen, kalter Flüssigkeit oder kalter Luft mit Abkühlung der Haut oder der zentralen Körpertemperatur ausgelöst. Es handelt sich um die zweithäufigste Form der physikalischen Urtikaria (Urticaria factitia) und tritt überwiegend in den kalten skandinavischen Regionen auf. Betroffen sind vor allem junge Menschen (um das 20. Lebensjahr) und bevorzugt das weibliche Geschlecht (Abb. 1).
Die Kälteurtikaria kann viele Jahre bestehen. Bei großflächiger Manifestation oder nach Genuss von kalten Flüssigkeiten oder Speisen kann es auch zu systemischen Reaktionen wie Kopfschmerzen, Atembeschwerden und Blutdruckabfall kommen. Die Diagnose gelingt durch Kältekontakttestung (Armeiswasserbad). Andere kälteassoziierte Dermatosen müssen ausgeschlossen werden. Therapeutisch kommen H1-Blocker wie Cetirizin, Desloratadin in hoher Dosis und in refraktären Fällen das Immunsuppressivum Ciclosporin A zur Anwendung. Gute Erfolge werden mit dem Biologikum Omalizumab erzielt.
Allgemeine Verhaltensempfehlungen sind das Meiden von akuter Kälte (z. B. kaltes Baden) und der Verzicht auf den Genuss eisgekühlter Speisen. Eine Konditionierung durch kontrollierte Kälteexposition („hardening“) sollte nur unter stationärer Aufsicht versucht werden.

Raynaud-Syndrom
Das Raynaud-Syndrom ist eine akut auftretende Durchblutungsstörung eines oder mehrerer Finger und/oder Zehen. Die initiale Weißfärbung (Digitus mortuus) der Finger bzw. Zehen und die nachfolgende Blaufärbung (hypoxische Zyanose) sind oftmals mit Schmerzen und Taubheitsgefühl verbunden. Schon nach wenigen Minuten kommt es zu einer Rotfärbung durch die Hyperämie aufgrund der nun peripher regulierten Wiederdurchblutung.
Diese Attacken dauern in aller Regel nur wenige Minuten und bedürfen keiner akuten Behandlung. Auslöser sind vor allem Stress und Kälte. Die typische Abfolge von Gefäßspasmus (weiß), Zyanose (blau) und Hyperämie (rot) hat die Begrifflichkeit des „Trikolore-Phänomens“ geprägt (Abb. 2). Das beidseits auftretende primäre Raynaud-Syndrom ist von dem zumeist einseitig manifestierten sekundären Raynaud-Syndrom abzugrenzen, welches bei Grunderkrankungen vor allem aus dem rheumatischen Formenkreis (Lupus erythematodes, progressive systemische Sklerose, Kälteagglutininkrankheit, Lymphome etc.), Verletzungen, Intoxikationen, Nikotinabusus oder durch Medikamente ausgelöst werden kann. Präventiv werden warme Handbäder oder anderweitige Wärmeanwendungen und das Tragen von Handschuhen empfohlen. Therapeutisch werden Calciumantagonisten wie Nifedipin mit Erfolg angewandt. Bei sekundären Formen ist die Therapie der Grundkrankheit vorrangig.

Kälteagglutininkrankheit
Bei der Kälteagglutininkrankheit handelt es sich um eine durch Kälteantikörper ausgelöste autoimmunhämolytische Anämie. Kälteautoantikörper sind stark agglutinierende IgM-Autoantikörper, die bei niedrigen Temperaturen („optimal“ bei 0 °C bis -5 °C) zur Komplementaktivierung und intravasalen Hämolyse führen.
Der Angriff des Immunsystems auf die gesunden Erythrozyten beginnt schon bei Temperaturen unter 37 °C. Durch die Hämolyse der Erythrozyten kommt es zur schweren Anämie mit einem hohen Risiko für Thromboembolien. Typisch sind Systemzeichen wie Fatique-Symptomatik, Tachykardie, Kopfschmerzen und Schwindel. Lokale Symptome sind ein sekundäres Raynaud-Syndrom, Urtikaria, akrale Nekrosen, Livedo reticularis sowie Ikterus.
Herzinfarkt und Schlaganfall, Nierenversagen und schließlich Multiorganversagen sind die oft letalen Komplikationen. Das Krankheitsbild manifestiert sich oftmals erst im Erwachsenenalter und geht mit einer geringeren Lebenserwartung einher. War die Therapie der Kälteagglutininerkrankung bisher auf die Vermeidung von Kälteexposition sowie auf Bluttransfusionen beschränkt, so ist inzwischen das Biologikum Sutimlimab, ein monoklonaler Antikörper, der durch Inhibition des Komplementfaktors C1s der Hämolyse entgegenwirkt, für die Behandlung zugelassen.
Der Autor
Dr. med. Viktor Alexander Czaika
Facharzt für Dermatologie,
Venerologie und Innere Medizin
12439 Berlin
Bildnachweis: Dr. med. Viktor A. Czaika; privat
Bildnachweis: Dr. med. Viktor A. Czaika; privat