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Autoimmunerkrankungen

Neuer Auslöser für MS-ähnliche Erkrankungen gefunden

26.3.2024

Immunzellen müssen erst lernen, nicht den Körper selbst anzugreifen. Ein Forschungsteam der Technischen Universität München und der Ludwig-Maximilians-Universität München hat einen bislang unbekannten Mechanismus dahinter entdeckt: Zur „Ausbildung“ der T-Zellen in der Thymusdrüse tragen auch andere Immunzellen, die B-Zellen, bei. Schlägt dieser Prozess fehl, können Autoimmunerkrankungen entstehen.

Die Thymusdrüse im Brustkorb ist im Kinder- und Jugendalter eine Art T-Zellen-Schule. Dort werden unter den Vorläufern dieser Immunzellen diejenigen aussortiert, die später einmal körpereigene Zellen attackieren würden. Epithelzellen im Thymus präsentieren den späteren T-Zellen eine große Anzahl von Molekülen, die im Körper auftreten. Reagiert die Immunzelle auf eines der Moleküle, wird bei ihr ein Selbstzerstörungsprogramm ausgelöst. Bleiben T-Zellen, die körpereigene Moleküle angreifen, dagegen erhalten und vermehren sich, können Autoimmunerkrankungen entstehen. Im Wissenschaftsmagazin „Nature“ schildert das Team um Prof. Dr. med. Thomas Korn (München) und Prof. Dr. rer. nat Ludger Klein (München) einen weiteren, bislang unbekannten Mechanismus dahinter.

In der Thymusdrüse befinden sich nämlich neben den Vorläufern der T-Zellen auch B-Zellen, die - entstanden im Knochenmark - schon im frühen Kindheitsalter in den Thymus eingewandert sind. „Welche Funktion die B-Zellen in der Thymusdrüse haben, ist ein Rätsel, das die Immunologie lange beschäftigt hat“, sagt Korn. Nun konnte die Forschergruppe erstmals nachweisen, dass die B-Zellen eine aktive Rolle dabei spielen, T-Zellen beizubringen, welche Ziele nicht angegriffen werden dürfen.

MS-ähnliche Erkrankung durch Fehler bei Toleranzbildung

Neuromyelitis optica ist eine Autoimmunerkrankung, die der Multiplen Sklerose (MS) ähnelt. Während für MS noch nicht bekannt ist, welche Moleküle angegriffen werden, weiß man, dass T-Zellen bei Neuromyelitis optica auf das körpereigene Protein AQP4 ansprechen. Betroffen sind insbesondere Zellen im Nervengewebe, häufig wird der Sehnerv angegriffen.

Die Forscher und Forscherinnen konnten zeigen, dass in der Thymusdrüse von Menschen und Mäusen nicht nur die Epithelzellen, sondern auch B-Zellen den T-Zell-Vorläufern AQP4 präsentieren. Wurden im Tierversuch die B-Zellen davon abgehalten, blieben die entsprechenden T-Zellen erhalten und die Autoimmunerkrankung trat auf. Das war auch dann der Fall, wenn die Epithelzellen das Molekül noch präsentierten. Daraus schließt das Team, dass die B-Zellen im Thymus eine notwendige Bedingung für eine Immuntoleranz in Bezug auf AQP4 sind.

Schutz vor späteren Wechselwirkungen zwischen Zellen

„Wir vermuten, dass dieser bislang unbekannte Prozess auch entstanden ist, um folgenschweren Wechselwirkungen zwischen autoreaktiven T- und B-Zellen in Lymphknoten und Milz, dem peripheren Immunkompartiment, vorzubeugen“, sagt Klein. Wenn das Immunsystem einmal ausgebildet ist, können B- und T-Zellen kommunizieren und dadurch besonders effektive Immunreaktionen bewirken. Das ist sinnvoll, wenn es darum geht, Krankheitserreger schnell zu bekämpfen. Im laufenden Betrieb kann es jedoch dazu kommen, dass B-Zellen versehentlich körpereigene Proteine wie AQP4 präsentieren. Wären die T-Zellen, die auf AQP4 reagieren, nicht im Thymus aussortiert worden, könnte es zu einem plötzlichen und besonders heftigen Großangriff auf den eigenen Körper kommen.

Mögliche Ursache für weitere Immunerkrankungen

„Unsere Vermutung ist, dass auch andere Autoimmunerkrankungen dadurch entstehen, dass es Probleme bei der ‚Ausbildung‘ der T-Zellen durch die B-Zellen gibt”, sagt Korn. „Immerhin präsentieren die B-Zellen im Thymus eine ganze Reihe von körpereigenen Proteinen. Die entsprechenden Interaktionen müssen in weiteren Studien untersucht werden.“ Verdachtsfälle sind aus seiner Sicht beispielsweise das Antiphospholipid-Syndrom (APS) und bestimmte Formen der Zerebralen Amyloidangiopathie. „Weiter in die Zukunft gedacht, könnte man auch untersuchen, ob sich diese Interaktion im Thymus auch nutzen lässt, um bestehende Autoimmunerkrankungen sehr gezielt zu behandeln“, sagt Korn.

Pressemitteilung „Möglicher Auslöser für Autoimmunerkrankungen entdeckt“. Technische Universität München, 21.4.2024 (https://www.tum.de/aktuelles/alle-meldungen/pressemitteilungen/details/moeglicher-ausloeser-fuer-autoimmunerkrankungen-entdeckt).

* Afzali AM et al.: B cells orchestrate tolerance to the neuromyelitis optica autoantigen AQP4. Nature. 2024 Feb 21 (DOI 10.1038/s41586-024-07079-8).

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