Nach gut einem Jahr COVID-19-Pandemie habe sich die plötzliche Einschränkung des Riechvermögens als eines der Frühwarnsymptome der COVID-19-Infektion herauskristallisiert, berichtete Prof. Dr. Thomas Hummel (Dresden). In verschiedenen Studien seien bis zu 80% der COVID-19-Kranken von Riech- und Schmeckstörungen betroffen gewesen. Diese chemosensorischen Symptome hätten sich häufig bereits am dritten Tag nach der Infektion gezeigt und seien somit oft das erste, in manchen Fällen sogar das einzige COVID-19-Symptom.
Bei den meisten Patienten, die eine COVID-19-Infektion durchgemacht haben, erholt sich das Riechvermögen innerhalb von 1‒2 Monaten wieder. Etwa 5‒20% (schwankt je nach Studie) der Patienten leiden jedoch deutlich länger unter dieser sensorischen Störung, die mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität einhergeht. Bei zwei Dritteln dieser von Langzeitstörungen Betroffenen wird das Riechen langsam besser, wobei der Prozess sich über Monate und sogar Jahre hinziehen kann; ein Drittel muss sich mit einem dauerhaften Riechverlust abfinden.
Wie die olfaktorischen, also die den Geruchssinn betreffenden Störungen bei einer SARS-CoV-2-Infektion entstehen, ist noch nicht genau erforscht. Allerdings spricht der plötzliche Geruchsverlust für eine virale Schädigung der Riechschleimhaut bzw. des Riechnervs. Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie M. Parkinson oder M. Alzheimer sind vor allem die Riechzentren im Gehirn betroffen, und der Riechverlust setzt nur schleichend ein. Wichtig ist also die plötzliche Einschränkung des Riechens. Hummel machte darauf aufmerksam, dass 5% der Bevölkerung gar nicht riechen können und 20% einen schlechten Geruchssinn haben.
Therapeutisch kann man dem Riechvermögen mit einem Riechtraining auf die Sprünge helfen. Hummel schlägt hier folgendes Vorgehen vor: In vier identischen Döschen werden gut unterscheidbare Geruchsträger wie Minze, Gewürznelken, Zitrone oder Rose platziert. An jedem sollte der Patient morgens und abends jeweils eine halbe Minute riechen. Wichtig sei dabei, diese Prozedur regelmäßig zu machen. Mit der Zeit kann dann das Riechtraining um schwierigere, dezentere Düfte erweitert werden. Übrigens: mit dem Riechtraining kann auch dem Nachlassen des Geruchssinns im Alter entgegengewirkt werden.
Wer nach einer COVID-19-Infektion unter länger anhaltenden Geruchs- und Geschmacksstörungen leidet, könne sich für ein Riechtraining an Riechsprechstunden von HNO-Kliniken wenden, so Hummel.
Auftakt-Pressekonferenz zur 92. & 91. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO-KHC), 11.05.2021 Vortrag „Ein Jahr COVID-19: Was wissen wir heute über eingeschränkten oder fehlenden Geruchssinn als Symptom von COVID-19-Infektionen, und gibt es mögliche Spätfolgen?“ , Prof. Dr. med. Thomas Hummel (Dresden)