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Dermatologie

Neuroendokrine Haarfollikel

Schilddrüsenhormone für mehr Haar?

Ines Schulz-Hanke

26.5.2025

Über die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen(HHS)-Achse steuern Neurohormone die Synthese der Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und L-Thyroxin (T4). Verändern sich die T3- und T4-Serumspiegel, kann dies Haarwachstum und -qualität beeinflussen. Wie man Haare (womöglich) wachsen lässt.

Eine Hypothyreose könne sich als telogenes Effluvium mit spröden, stumpfen, trockenen Haarschäften manifestieren, eine Überfunktion mit dünneren und fettigeren Haarschäften, eröffnete Prof. Dr. med. Ralf Paus (Miami, USA) das Thema beim EADV-Kongress 2024 in Amsterdam [1,2]. Denn die Haarfollikel der humanen Kopfhaut (HF) haben Rezeptoren für Schilddrüsenhormone (SDH) und ex vivo zeigte sich ein direkter Einfluss von T3 und T4 auf deren Vitalität und Produktivität [3-5]. Insgesamt seien ­diese HF wichtige neuroendokrine Organe mit einem peripheren Äquivalent zur Hypothalamus-­Hypophysen-Neben­nieren(HHN)-Achse, also eine Stress-Response-Achse mit Corticotropin-releasing-Hormon (CRH), Adreno­corticotropin (ACTH) und ­Cortisol. Zudem ­besäßen HF ein funktionales ­Äquivalent zur somatotropen Achse, zu deren Elementen Growth-hormone-releasing-Hormon (GHRH), ­Somatostatin (SST), ­Somatotropin (GH) und Insulin-like-Growth-Faktor 1 (IGF-1) gehörten. Isolierte humane HF-Zellen exprimierten auch viele Gene der Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse, ­Elemente eines ­peripheren thyreotropen Regelkreises.

Aktivere Follikel durch topische Schilddrüsenhormone?

Die systemische Applikation von SDH kann Haarfollikel länger in der Anagenphase halten. Experimentell ließ sich dies auch durch eine topische Applikation erreichen. Dies sei vorteilhaft, denn die SDH seien toxisch und daher umsichtig zu dosieren, so Paus [7].

Konkret zeigten erste Daten, dass die Zugabe von T3 ex vivo bereits nach 5 Tagen den Prozentsatz der Haarfollikel in der Anagenphase erhöhte und die Expression des wichtigen Fibroblasten-Wachstumsfaktors 7 (FGF7) in den Keratinozyten der äußeren Haarwurzelscheide stimulierte [8]. Kombiniert können T3 und T4 ex vivo das Haarwachstum fördern, indem sie die IGF-1-Produktion stimulieren und so die Follikel in der Wachstumsphase halten [9].

Neben der systemischen T4-Applikation erhöht auch die topische die Promotor-Aktivität für das Schlüssel­keratin 15 (K15) epithelialer Haarfollikel-Stammzellen [4]. Außerdem steigert sie ex vivo die Anzahl K15-positiver epithelialer Stammzellen. SDH können also topisch appliziert das Haarfollikel-Stammzell-Kompartiment erreichen und ­aktivieren [9,10]. Sollten sich diese Erkenntnisse in größeren Studien bestätigen, sei die kurzzeitige ­topische Gabe von SDH möglicherweise nützlich im Management des telogenen Effluviums, wobei zunächst eine kurzfristige Therapie klinisch untersucht werden solle und die langfristige Sicherheit zu klären bleibe, so Paus.

Ein peripherer thyreotroper Regelkreis?

Kopfhaut-Haarfollikel exprimieren das Hypophysen-Neurohormon Thyreotropin (TSH), das die Bildung von SDH kontrolliert, sowie ­dessen Rezeptor. In Organkultur steigerte TSH die mitochondriale Aktivität und Haarkeratin-Genexpression in Haarfollikeln [11]. Außerdem exprimierten die Follikel das Hypothalamus-Hormon Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH) sowie seinen Rezeptor, so Paus. Experimentell stimulierte TRH die Haarschaft-Synthese, Pigmentierung, Keratinozytenproliferation in der Haarmatrix, die mitochondriale Aktivität ­(Energiemetabolismus) und Biogenese und verlängerte die Anagenphase [5,12]. Ob sich TRH zur topischen Förderung des Haarwachstums anwenden ­lasse, werde aktuell untersucht, berichtete der Experte.

TRH kann zudem die TSH-Expression in Keratino­zyten der äußeren Haarwurzelscheide fördern. Wie in der zentralen systemischen HHS-Achse führe es dazu, dass das Zielorgan (hier die Haarwurzel) empfind­licher auf Thyreotropin reagiere, weil die TSH-­Rezep­tor-Expression hochgefahren werde. ­Innerhalb der zentralen HHS-Achse sinke durch eine starke SDH-­Expression die TRH-Produktion im Hypothalamus. ­Diese negative Rückkopplung ­verhindere eine Überproduktion von SDH. Die ­bisher begrenzten Daten wiesen ­allerdings darauf hin, dass die Rückkopplung in der peripheren ­HHS-Achse der HF positiv ist: Deren ­Stimulation mit TSH führte dazu, dass diese mehr TRH und TRH-Rezeptoren bildeten. Wie eine ­Überstimulation der HF vermieden werde, sei noch ungeklärt.

TRH fördert das Haarwachstum unter anderem spezifisch über den TRH-Rezeptor in den Haarfollikel-­Zellen. Stelle man das TRH-Rezeptor-Gen ruhig, dann lasse sich das Haarwachstum nicht länger mit TRH stimulieren und ein TRH-Überschuss induziere einen vorzeitigen Eintritt der Haarfollikel in die Katagenphase, in der das Haarwachstum gehemmt sei [13]. Die TSH-Expression allerdings kann TRH trotz einer Blockade des TRH-Rezeptor-Gens erhöhen, und zwar offenbar über einen zweiten Rezeptor: den Melanocortin-1-Rezeptor (MC-1R), der auch die Pigmentierung reguliert [14]. Möglicherweise lässt sich dieser Angriffspunkt künftig therapeutisch nutzen.

Was produzieren Haarfollikel?

Über die Stress-Achse produzieren Haarfollikel ­Cortisol und über die somatotrope Achse IGF-1. Über das Ziel der thyreotropen Achse könne man nur ­spekulieren, so Paus. Glücklicherweise stieße sie aber nicht die Synthese von SDH in über 2 Millionen Haarfollikeln des menschlichen ­Körpers an. Doch – so vermutete Paus – könnten Haarfollikel über TRH und TSH die Synthese von Jodoproteinen regeln, die evolutionär älter seien als SDH – und antimikrobiell wirkten. Tatsächlich gebe es nirgendwo auf der Haut ein ­komplexeres Mikrobiom als in den Haarfollikeln. Eventuell sei dies eine der Antworten auf die Frage, ­warum Haarfollikel ein peripheres Äquivalent der HHS-Achse besäßen, so der Experte.

  1. Messenger AG et al., BJD 2000; 142: 633–4
  2. Paus R et al., Exp Dermatol 2020; 29: 910–23
  3. van Beek N et al., J Clin Endocrinol Metabol 2008; 93: 4381–8
  4. Tiede S et al., Eur J Cell Biol 2007; 86: 355–76
  5. Vidali S et al., J Invest Dermatol 2014; 134: 33–42
  6. Horesh EJ et al., J Invest Dermatol 2023; 143: 868–871.e7
  7. Gherardini J et al., Int J Cosmet Sci 2019; 41: 164–82
  8. Alam M et al., Br J Dermatol 2020; 182: 1404–14
  9. Gherardini J et al., (nicht publizierte Daten)
  10. Gherardini J et al., bioRxiv 2024; DOI 10.1101/2024.06.11.598522
  11. Bodó E et al., J Invest Dermatol 2009; 129: 1126–39
  12. Gáspár E et al., FASEB J 2010; 24: 393–403
  13. Linowiecka K et al., 2024 (nicht publizierte Daten)
  14. Gáspár E et al., J Invest Dermatol 2011; 131: 2368–77

Vortrag „Thyroid skin connection: A journey into the hypothalamus-pituitary-thyroid (HPT) axis of your Scalp hair follicles (HFs)“, EADV-Kongress 2024, Amsterdam

Bildnachweis: Barks_japan (gettyimages)

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