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Allgemeinmedizin

Nicht alkoholische Steatohepatitis

Volkskrankheit Fettleber – Eine medizinische Herausforderung

PD Dr. med. Münevver Demir, Prof. Dr. med. Frank Tacke

26.10.2020

Mit der Zunahme von Übergewicht, metabolischem Syndrom und Diabetes hat die Zahl der Betroffenen mit einer Fettlebererkrankung in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Die verschiedenen Schweregrade und Ausprägungen bestimmen das Management der nicht alkoholischen Fettleber.

Die nicht alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) ist die weltweit häufigste chronische Lebererkrankung mit einer geschätzten globalen Prävalenz von 25 %. In Deutschland betrifft sie etwa 18 Millionen Menschen. Ihr Erkrankungsspektrum reicht von der einfachen Steatose (nicht alkoholische Fettleber, NAFL) über die nicht alkoholische Steatohepatitis (NASH) mit oder ohne Fibrose bis hin zur Leberzirrhose und zum hepatozellulären Karzinom (HCC). Dabei scheint die einfache Steatose mit einem weitgehend benignen Verlauf assoziiert zu sein. Aber es entwickeln 10–30 % aller NAFL-Patienten eine NASH, die als progrediente Verlaufsform gilt. Aus klinischer Sicht ist die zunehmende Leberfibrose, d. h. die bindegewebige Vernarbung der Leber, besonders gefürchtet, weil die Fibrose bis hin zur Zirrhose als Hauptrisikofaktor für die leberbezogene Morbidität und Mortalität sowie die Entstehung von Leberkrebs gilt. Von besonderer Bedeutung ist, dass sich ein HCC bei der NASH auch ohne zugrunde liegende Leberzirrhose entwickeln kann. Die ansteigende Prävalenz der NAFLD sowie die hohe Variabilität des Krankheitsverlaufs stellen eine große medizinische Herausforderung dar.

Risikofaktoren und natürlicher Verlauf

Das Risiko für die Progression von einer Steatosis hepatis zur NASH und NASH-Zirrhose ist von zahlreichen Faktoren wie dem Lebensstil, genetischen Faktoren oder der Ausprägung eines metabolischen Syndroms abhängig. So haben Patienten mit einem Typ-2-Diabetes bzw. einer Insulinresistenz und /oder Adipositas ein deutlich erhöhtes Risiko für die Progression der NAFLD.

Patienten mit einer NAFLD weisen eine erhöhte Gesamtmortalität auf, welche vor allem auf kardiovaskuläre Erkrankungen, Tumorerkrankungen und einen Progress der Lebererkrankung selbst zurückzuführen ist. Während eine signifikante leberbedingte Sterblichkeit im Zuge einer NAFLD vorwiegend bei Patienten mit fortgeschrittener Fibrose bzw. Zirrhose (Fibrosestadium [F] ≥ 3) detektiert werden kann, stehen bei Patienten mit weniger fortgeschrittenen Krankheitsstadien neben nicht hepatischen Tumorerkrankungen insbesondere kardiovaskuläre Ereignisse im Vordergrund. Die NAFLD gilt zudem als ein unabhängiger kardiovaskulärer Risikofaktor und ist ein Prädiktor für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes. Dies unterstreicht die Bedeutung der NAFLD als hepatische Manifestation einer Systemerkrankung, die ein multidisziplinäres Management erfordert, um dem individuellen Risikoprofil der Patienten (kardiovaskuläre Erkrankungen, Tumorvorsorge, Diabetes, metabolische Störungen) und ihren Komorbiditäten gerecht zu werden.

Des Weiteren spielen auch genetische Veränderungen eine Rolle für den Progress der nicht alkoholischen Fettlebererkrankung. Ein identifizierter Faktor ist der Polymorphismus im PNPLA3-Gen. Bei Nachweis einer Homozygotie des Polymorphismus bestehen ein deutlich erhöhtes Risiko zur Entwicklung einer Steatose, Fibrose mit Fortschreiten zur Leberzirrhose und ein erhöhtes HCC-Risiko. Die genetische Diagnostik wird von den aktuellen Leitlinien bislang noch nicht als Standard gefordert, kann aber helfen, das individuelle Risiko eines Patienten einzuschätzen.

Diagnostik und Prognose

Die Diagnose einer NAFLD setzt voraus, dass eine Verfettung der Leber durch bildgebende Verfahren (typischerweise Ultraschall) oder eine histologische Untersuchung (Fettablagerung in > 5 % der Hepatozyten) nachgewiesen wurde. Gleichzeitig müssen andere chronische Lebererkrankungen (z. B. Virushepatitiden) sowie weitere Ursachen einer sekundären Leberzellverfettung (z. B. medikamentöse) ausgeschlossen sein, und die maximal konsumierte tägliche Alkoholmenge darf bei Frauen 10 g und bei Männern 20 g nicht überschreiten. Eine ausgeprägte Fettleber kann relativ einfach durch eine Ultraschalluntersuchung (hyperechogenes Lebergewebe) diagnostiziert werden; für eine nicht invasive Fettquantifizierung eignet sich die Kernspintomografie besser. Eine Abschätzung der Prognose ist aber nur möglich, wenn das Risikoprofil des Patienten, das Grading der NAFLD (z. B. NASH) und das Staging (Fibrosegrad) ermittelt werden. Für die Prognoseabschätzung der NASH ist das Vorhandensein einer Leberfibrose besonders relevant. Goldstandard zur Diagnose einer NASH und zur Quantifizierung des Fibrosestadiums ist nach wie vor die Leberbiopsie. Allerdings ist aufgrund der hohen Prävalenz der NAFLD sowie der Invasivität der Untersuchung und den damit einhergehenden Risiken eine generelle Abklärung der Verdachtsdiagnose NAFLD mittels Leberbiopsie nicht praktikabel. Daher ist eine Risikostratifizierung zur Detektion der Patienten mit einem progressiven Verlauf mithilfe nicht invasiver Diagnostik von zunehmender Bedeutung – und in der Mehrzahl der Fälle auch möglich.

Zum Ausschluss einer fortgeschrittenen Fibrose (F ≥ 3) stehen zum einen Fibrose-Scoring-Systeme wie der FIB-4 und der NAFLD Fibrosis Score (NFS) zur Verfügung, die auf klinischen und laborchemischen Parametern basieren und kostenfrei kalkuliert werden können (www.gihep.com). Andererseits sind apparative Verfahren verfügbar, von denen die transiente Elastografie (TE) am breitesten validiert ist. Durch die Kombination von ­Scoring-Systemen mit der transienten Elastografie lassen sich ca. 90 % der Biopsien einsparen. Ein entsprechender Algorithmus ist in der Abbildung dargestellt.

Aussichtsreiche neue Therapieansätze

Grundpfeiler der NAFLD-Therapie ist die Anpassung des Lebensstils sowie die Kontrolle und Therapie der kardiometabolischen Risikofaktoren. Zur Lebens­stilmodifikation gehören Gewichtsnormalisierung, gesunde (mediterrane) Ernährung, Verzicht auf zuckerhaltige Getränke (insbesondere Softdrinks) und Snacks sowie Alkoholkarenz. Lebensstiländerungen sind wirksam und zeigen bereits bei einem Gewichtsverlust von 10 % einen deutlichen Rückgang von Steatose, Inflammation und Fibrose.

Eine spezifisch für die Behandlung der NAFLD zugelassene medikamentöse Therapie existiert zurzeit noch nicht. Allerdings befinden sich zahlreiche medikamentöse Therapieansätze in fortgeschrittenen Phasen der klinischen Prüfung. Diese neuen Therapeutika versuchen, vor allem die NASH aufzulösen und/oder die Leberfibrose zu verbessern. Eine Auswahl der aktuellen Phase-III-Studien findet sich in der Tabelle. Die Substanzen unterscheiden sich in ihren Ansatzpunkten innerhalb der Pathogenese der NAFLD. So beeinflussen einzelne Substanzen die gestörte Stoffwechselsituation (z. B. der PPAR-α/δ-Agonist Elafibranor oder der Farnesoid-X-Rezeptor-Agonist Obeticholsäure), während andere eher antifibrotische Effekte haben (z. B. Obeticholsäure oder der Chemokinrezeptor CCR2/CCR5-Hemmer ­Cenicriviroc). Die erste Zulassung für die Indikation NASH wird vermutlich für die Obeticholsäure erfolgen und wird für Ende 2020/Anfang 2021 erwartet.

FAZIT Für die Praxis

Die NAFLD ist die führende Ursache chronischer Lebererkrankungen und bedarf einer strukturierten Diagnose. Das Erkennen einer Leberfibrose ist wichtig, um Patienten mit progredienter Erkrankung zu identifizieren. Zentrale Säule der Therapie sind Lebensstiländerungen und die Kontrolle der kardio­metabolischen Risikofaktoren. Zahlreiche vielversprechende medikamentöse Therapieansätze sind derzeit in der klinischen Prüfung und stellen für NASH-Patienten mit hohem Risiko/fortgeschrittener Fibrose bereits jetzt eine potenzielle Behandlungsmöglichkeit innerhalb von Studien dar.

Die Autorin

PD Dr. med. Münevver Demir
Oberärztin Hepatologie
Medizinische Klinik m. S. Hepatologie und Gastroenterologie
Campus Virchow-Klinikum (CVK) und Campus Charité Mitte (CCM)
Charité Universitätsmedizin Berlin

muenevver.demir@charite.de

Der Autor

Prof. Dr. med. Frank Tacke, PhD, MHBA
Klinikdirektor
Beide Medizinische Klinik m. S. Hepatologie und Gastroenterologie
Campus Virchow-Klinikum (CVK) und Campus Charité Mitte (CCM)
Charité Universitätsmedizin Berlin

frank.tacke@charite.de

Literatur bei den Autoren

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