Hand aufs Herz – es gibt Aufgaben in der ärztlichen Praxis, für die Routinen bestehen: eine AU bescheinigen, eine Überweisung zum Röntgen ausstellen oder die Ablage eines Laborbefunds. Und wie steht es mit der Empfehlung von Patientinnen und Patienten in klinische Studien? Procedere vorhanden? Abrechnung easy?
Egal ob Psoriasis, atopische Dermatitis oder Prurigo nodularis. In vielen Indikationen wird geforscht – und es befinden sich neue Wirkstoffe in der Phase der Erprobung. Dabei gilt: Bevor ein Wirkstoff zugelassen wird, muss er sich in klinischen Studien als wirksam und sicher erweisen. Hierfür spielt es keine Rolle, ob die Substanz tatsächlich ganz neu ist oder ob ein bestehendes Medikament eine Indikationserweiterung erhalten soll: Es sind klinische Studien der Phase I, II und III, die der Zulassung vorausgehen.
Was bedeuten die Phasen noch einmal?
Kurz zur Erinnerung: Phase I bezeichnet das „first in men“ – also die Erprobung der Sicherheit an wenigen Gesunden. In Phase II geht es um den Nachweis medizinischer Wirksamkeit – mit nur wenigen Erkrankten. In Phase III schnellt die Patientenzahl in die Höhe – und geht häufig in die Tausende. Denn bei Phase-III-Studien liegt das Augenmerk auf der Dosisfindung und auf dem Feststellen von Nebenwirkungen. Phase-III-Studien haben daher häufig mehrere Arme – und typischerweise laufen sie in mehreren Ländern der Welt.
Und warum sollte ich das meinen Patienten und Patientinnen empfehlen?
Bleiben wir in Deutschland. Nehmen wir die Indikation Psoriasis vulgaris. Menschen, die schwer von dieser entzündlichen Hauterkrankung betroffen sind, sind mitunter kaum noch fähig, unbeschwert am Leben teilzunehmen – vielleicht nicht einmal mehr am Arbeitsleben. Besonders belastend: Nicht allen Betroffenen kann mit den derzeitigen therapeutischen Möglichkeiten ausreichend geholfen werden. Ist es da nicht ethisch, nach neuen therapeutischen Optionen zu suchen?
Zunächst eine Studie finden, dann gucken, ob der Kandidat passt
Immer noch in Deutschland. Praxis in Dresden. Ein schwieriger Fall: Herr M. leidet seit Jahren an einem schweren Verlauf seiner Psorisis. Die bisherigen Behandlungsversuche hatten leider keine ausreichende Krankheitskontrolle erbracht. Sein Arzt fasste den Entschluss, für diesen Patienten nach Therapiemöglichkeiten zu suchen, die noch nicht auf dem Markt sind. Eine Möglichkeit hierfür ist die Suche auf clinicaltrials.gov. Und somit brauchte es in diesem Fall nicht mehr als einen Tick Idealismus und 10 Minuten Zeit, um im Portal clinicaltrials.gov unter Eingabe von „Condition/disease: Psoriasis”, „Location: Dresden, Germany“ und „Study Status: Recruiting and not yet recruiting” folgendes Ergebnis zu erhalten: A Phase 3 Multicenter, Randomized, Double-blind, Placebo-controlled and Deucravacitinib Active Comparator-controlled Study to Evaluate the Efficacy and Safety of JNJ-77242113 for the Treatment of Participants With Moderate to Severe Plaque Psoriasis. Anhand der Ein- und Ausschluss-Kriterien war für den Arzt ungefähr abschätzbar, dass der Patient für die Studienteilnahme geeignet sein müsste. Somit stand der Kontaktaufnahme zur unter „Contacts and Locations“ aufgeführten Institution nichts im Wege.
Der Einschluss in eine klinische Studie kann einfach und lohnend sein.
Hängt mehr Arbeit dran? Ist der Patient dann vielleicht „weg“?
Typischerweise gibt es bei Ärztinnen und Ärzten zwei Sorgen: Zum einen, dass die Zuweisung Aufwand bedeutet, und zum anderen, dass der Patient oder die Patientin nicht mehr zu ihnen kommt. Beides ist in der Regel unbegründet.
Zum Thema „Patientenverlust“: Herr M. besuchte nur für die Studienvisiten das Studienzentrum – in diesem Fall die „Klinische Forschung Dresden GmbH“, die vor dem Einschluss des Patienten ihrerseits die Eignung prüfte und dabei autark vorging und nicht auf die Dokumentation des Zuweisers angewiesen war. Zu Studienzentren zählen unterschiedliche Arten von Einrichtungen: Unikliniken, Arztpraxen oder eben Zentren wie die Klinische Forschung Dresden. Diese lässt sich mit dem Begriff „dedicated“ beschreiben. Das bedeutet: Das Zentrum macht nichts anderes als klinische Studien. Keine Notfälle, keine Privatleistungen. Daher legte das Studienzentrum auch Wert darauf, dass der Kontakt von Herrn M. zu seinem behandelnden Arzt vertrauensvoll weiterging. Was den zeitlichen Aufwand der Überweiser betrifft, ist das Team in einer „Dedicated Site“ darauf eingestellt, Anfragen von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zu erhalten und Zuweisern ihre Arbeit zu vergüten. Das muss nicht zwingend im Bereich der Gebührenordnung sein. Im Fall der Klinischen Forschung Dresden wird gerade die Zusammenarbeit in schwer rekrutierbaren Projekten häufig per Kooperationsvertrag geregelt, wobei sich das Honorar danach bemisst, wie aufwendig eine Vorauswahl ist. Das fachlich spannende ist, dass die Überweiser gern vom Studienteam sowie von den eigenen Patientinnen und Patienten auf dem Laufenden gehalten werden können – und so von den vielen Untersuchungen (unter Umständen auch bildgebenden Verfahren) sowie den Tests, die im Laufe der Studie gemacht werden, profitieren. So waren mit Einverständnis von Herrn M. alle Untersuchungsergebnisse für seinen behandelnden Arzt einsehbar.
Und was geht nicht? Das finden Sie in der ICH-GCP-Leitlinie!
Eigentlich gehen in der Zusammenarbeit nur zwei Dinge nicht. Erstens: Das Entblinden vor Studienende (also die Beantwortung der Frage, ob der Patient das Prüfmedikament oder ein bewährtes Medikament bzw. Placebo erhalten hat). Dies ist nur in Notfällen geboten. Und zweitens: Den Patienten drängen. Denn niemand muss an Studien teilnehmen, und niemand darf gedrängt werden, in einer Studie zu bleiben. „Free to join, free to leave at any time” – beides geregelt in der „Good Clinical Practice” (GCP).
Die Autorin
Ute Bertelsmann
Leiterin von Pratia Germany mit sechs Dedicated Studienzentren in Berlin, Dresden, Hamburg, Hannover, Karlsruhe und Schwerin
Bildnachweis: privat